Straßenverkehr Verkehrssicherheit

Wie wird die Sicherheit von Reisebussen getestet?

Da ich leider aus aktuellem Anlass einige Fragen zur Sicherheit von Reisebussen bekomme, möchte ich kurz auf Crashtests bei Reisebussen eingehen. Ich muss allerdings festhalten, dass ich kein Experte auf diesem Gebiet bin und nur einige Anmerkungen machen kann.

Üblicherweise werden Crashtests bei Reisebussen nicht im gleichen Umfang wie bei Personenkraftwagen durchgeführt. So gilt der Euro NCAP (European New Car Assessment Programme – Europäisches Neuwagen-Bewertungs-Programm) Crashtest nur für Pkw. Neu entwickelte Busse und Lkw werden aber natürlich internen standardisierten Crashtests der Hersteller unterzogen. Einzelne Teile oder ganze Fahrzeuge werden außerdem in Simulationen getestet. LS-DYNA der Livermore Software Technology Corporation ist eine Software, die im Bereich Crashtest-Simulation eingesetzt wird.

In diesem Crashtest wurden die Folgen eines Aufpralls eines amerikanischen Reisebusses mit 56,327 Stundenkilometer auf ein feststehendes Objekt (Mauer) gemessen:

Getestet wurden unterschiedliche Sitzsysteme. Zuerst ein europäischer Sitz mit Dreipunktgurt, einer mit Beckengurt und einer ohne Sicherheitsgurt. Danach wurden ein amerikanischer “Premier Seat” getestet, wie er oft in US-amerikanischen Fernbussen zu finden ist (z.B. Prevost Car, ein Volvo-Unternehmen). Auch hier wurde einmal ohne Sicherheitsgurt, einmal mit Dreipunktgurt und einmal mit Beckengurt getestet. Zum Schluss wurde zudem ein Kindersitz für Reisebusse geprüft. Bei allen Tests hatte der Dreipunktgurt die besten Ergebnisse.

Nicht-angeschnallte Businsassen haben bei einer Kollision mit dem Gegenverkehr nur geringe Überlebenschancen. Ein Crashtest vom Touring Club Schweiz (TCS) und dem Dynamic Test Center (DTC) zeigt dies sehr deutlich. Ein Reisebus prallt mit einer Geschwindigkeit von 63 km/h frontal (Gegenverkehrskollision mit 65 cm Überdeckung) auf einen stehenden Lastwagen auf. Beide Fahrzeuge haben ein Gewicht von ca. 10 Tonnen. Mit dem Crash wird eine Gegenverkehrskollision im Innerortsbereich bei vorangehender Abbremsung der Fahrzeuge auf je 30 km/h nachgestellt:

Von den Verletzungsfolgen ist es übrigens egal, ob man unangeschnallt im vorderen oder hinteren Teil des Busses sitzt:Gurtpflicht im Bus Auswirkungen Crashtest UnfallschwereBei einem ähnlichen Crashtest 1 der NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration, US-Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit) hatten 80 Prozent aller Crashdummys Verletzungen im Brust- und Oberschenkelbereich unterhalb 80% der Verletzungsschwerebewertung IARV. Sie sind daher in der obigen Grafik nicht abgezeichnet. Die Grafik zeigt nur die Kopfverletzungen der Dummys an.

Um die Schwere dieser Verletzungen zu messen, wird der HIC-Wert genutzt. Der Head Injury Criterion-Wert (kurz: HIC, deutsch: HIC-Wert, Kopf-Verletzungs-Faktor oder Kopfbelastungswert) ist ein Kriterium zur Bewertung von beschleunigungsbedingten Kopfverletzungen beispielsweise durch einen Fahrzeugunfall. Der Grenzwert für eine schwere Verletzung liegt bei 1000 (AIS 3). Ein AIS-Code von 3 steht für ein nicht unerhebliches Versterbensrisiko (18%). Die Letalität bei einem Thoraxtrauma AIS 3+ und SHT mit AIS 3+ liegt bei 50 – 70%. Beispiel für Verletzungen AIS 3 sind ausgedehnte Pankreaskontusion, Femurfrakturen und offene Tibiafrakturen.

Werte über 700 sind in der Grafik rot gekennzeichnet, Werte unterhalb 80% der Verletzungsschwerebewertung grün. Getestet wurden drei verschiedene Sitztypen. Sitze ohne Sicherheitsgurt von der American Seating Company, Sitze mit Beckengurt und Dreipunktgurt von der Freedman Seating Company und europäische Sitze mit Dreipunktgurt von Amaya. Die Dummys, die mit einem Dreipunktgurt angeschnallt wurden, sind mit B markiert. Mit Beckengurt gesicherte Dummys wurden mit LB gekennzeichnet und alle anderen ohne Markierung waren nicht angeschnallt.

Die Aufprallgeschwindigkeit auf eine feste Wand betrug etwa 50 Stundenkilometer.

Man erkennt sehr gut, dass die unangeschnallten Dummys in Sitzreihe 5R und 7R höhere HIC-Werte aufweisen als die Dummys in der Vorder- und Hinterreihe, die mit Dreipunktgurten gesichert waren. Ebenfalls schwere Verletzungen haben die Dummys im vorderen Teil des Busses davongetragen, die nur mit einem Beckengurt gesichert waren. Die unangeschnallten Dummys im hinteren Busteil (Reihe 8L und 12L) haben ebenfalls starke Verletzungen davongetragen. Am Besten waren die Testinsassen mit dem Dreipunktgurt geschützt.

Test von Straßenverkehrsleit- und Sicherungseinrichtungen

Schutzplanken, Brückengeländer, etc. müssen natürlich auch auf das Gewicht und die Geschwindigkeit von Bussen und Lastkraftwagen ausgelegt sein. Diese schweren Fahrzeuge sollen Schutzplanken nicht durchbrechen und auf die Gegenfahrbahn gelangen können. In Tests wird daher die Stärke von Leitplanken überprüft:

  1. NHTSA’s Motorcoach Safety Research Crash, Sled, and Static Tests, Mai 2010, http://www.nhtsa.gov/DOT/NHTSA/NVS/Vehicle%20Research%20&%20Test%20Center%20%28VRTC%29/cw/811335.pdf
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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