Straßenverkehr Verkehrssicherheit

Verkehrssicherheit: Eine SMS oder ein Anruf kann das ganze Leben ruinieren

Wenn man Auto fährt, sieht man es leider immer öfter: Andere Verkehrsteilnehmer starren wie gebannt auf ihr Smartphone, anstatt auf die Straße zu achten. Insbesondere an roten Ampeln wird der kurze Griff zum Smartphone immer beliebter. 

Was im stehenden Fahrzeug noch vertretbar zu sein scheint, verliert während der Fahrt seine Unschuld gänzlich. Das Schreiben oder Lesen einer SMS, einer Mail, einer WhatsApp oder Facebook-Nachricht kann niemals so dringend sein, dass man sein eigenes Leben und das Leben anderer leichtfertig aufs Spiel setzt. Wer beim Tempo von 50 km/h zwei Sekunden lang auf ein Display sieht, fährt in der Zeit knapp 30 Meter weit. Auf der Landstraße bei 100 km/h sind es knapp 60 Meter ohne direkte Sicht auf die Straße. Studien gehen davon aus, dass Autofahrer sich etwa zehn Prozent der Zeit hinter dem Steuer nicht auf die Straße konzentrieren und abgelenkt sind.

Die Verkehrsunfallzahlen des Jahres 2013 zeigen, dass die Zahl der Unfälle seit einigen Jahren kaum zurückgeht, während die Zahl der tödlichen Unfälle wegen der besseren Fahrzeugsicherheit rückläufig ist. Diese Diskrepanz dürfte stark mit der verstärkten Nutzung von Handys und Smartphones am Steuer zusammenhängen, wie sie auch von der Polizei beobachtet wird. Die Höhe der Strafe (Deutschland: 40 € Bußgeld, 1 Punkt in der Verkehrssünderkartei / ab 01. Mai 2014: 60 € Bußgeld, 1 Punkt in der Verkehrssünderkartei) sowie die Kontrolldichte sind gemessen an den möglichen Folgen bei Weitem noch nicht ausreichend.

Zahlreiche US-Studien haben in den vergangenen Jahren die Folgen von Ablenkung am Steuer (Nutzung von Mobiltelefonen und Smartphone, Essen, Bedienen des Navigationsgeräts, usw.) untersucht. Insbesondere Fahranfänger sind dabei überproportional gefährdet 1:

AktivitätQuotenverhältnis (Odds-Verhältnis)
Telefonnummer wählen8,3
Griff zum Telefon7,1
SMS schreiben / empfangen3,9
Nach einem Gegenstand außer dem Mobiltelefon greifen8,0
Gegenstände am Straßenrand betrachten3,9
Essen3,0

Das Quotenverhältnis gibt bei dieser Untersuchung die Chance an, durch eine bestimmte Handlung in einen Unfall bzw. in einen Beinahe-Unfall verwickelt zu werden. Hierzu wurden die Probanden über 18 Monate beim Autofahrer mit mehreren Kameras beobachtet und diverse fahrzeugdynamische Werte (Mehrachsen-Beschleunigungsmesser, lasergestützte Vermessung der Spurtreue, etc.) aufgezeichnet. Unfall- und Gefährungssituationen wurden identifiziert, Ablenkungsgrad und -ursache ermittelt, plausibilisiert und hochgerechnet.

Die Chance (odds) einen (Beinahe-) Unfall zu erleiden ist folglich bei Autofahrern, die am Steuer eine Telefonnummer gewählt haben, 8,3-mal so hoch wie unter Autofahrern, die kein Handy in der Hand gehabt haben.

Aber auch erfahrene Autofahrer sind stark durch die Nutzung von Mobiltelefonen beeinträchtigt (Nummer wählen: Odds-Verhältnis 2,5). Im Schnitt ist ein Autofahrer durch den Griff zum Telefon 4,6 Sekunden lang abgelenkt.

Aber nicht nur Autofahrer lassen sich vermehrt durch Smartphones und mobiles Internet ablenken. Auch Fußgänger und Radfahrer verunglücken immer öfters, weil sie sich nicht auf ihr Umfeld und den Straßenraum konzentrieren. Und so wichtig, dass man seine Gesundheit oder gar sein Leben aufs Spiel setzt, kann keine Nachricht jemals sein.

  1. Klauer, S. G.; Guo, F.; Simons-Morton, B. G.; Ouimet, M. C.; Lee, S. E.; Dingus, T. A. (2014). “Distracted Driving and Risk of Road Crashes among Novice and Experienced Drivers”. New England Journal of Medicine 370 (1): 54–59. – http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMsa1204142

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
3 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments
Tobias König (Kampagnenmanager BE SMART!)
11. Januar 2016 09:27

Die große Gefahr durch die Handynutzung hinter dem Steuer ist leider ein Teil unseres Alltags geworden.
Die Kampagne „BE SMART! Hände ans Steuer – Augen auf die Straße“ hat es sich zum Ziel gesetzt, möglichst viel Menschen zu erreichen und sie für das Thema zu sensibilisieren. Denn nur echte Verhaltensänderungen bei der Handynutzung während der Fahrt können unsere Straßen einen wichtigen Schritt sicherer machen. Unsere online Umfrage “Hand aufs Herz” zeigt: Nicht nur rund 77 Prozent der Befragten nutzen ihr Smartpohne am Steuer, sonder auch rund 49 Prozent finden es sehr wichtig, dass mehr Aufklärungsarbeit betrieben wird! Deshalb finden wir es toll, dass dieses wichtige Thema auch hier auf der Seite von ZUKUNFT MOBILITÄT Beachtung findet. Wer mehr zum Thema und zur Kampagne erfahren möchte, hier der Link zur Homepage: http://www.besmart-mobil.de/

berni
berni
2. März 2014 19:36

Was gibt das Quotenverhältnis wieder? Ist eine hohe Zahl gut oder schlecht?

Jetzt abonnieren

4.416Fans
8.046Follower
2.618RSS-Abonnements
990Follower
  

Neue Diskussionsbeiträge

  • Alfons Krückmann zu News- und Diskussionsfaden Januar 2025Interessant ist auch der Kontext: erst wird ein 4-spuriges Bundesstrassenmonster gebaut, dann wird gefeiert, dass diese Landschafts- und Verkehrszerschneidende Autopiste mit einer Radbrücke von lästigem Querverkehr befreit wird. Das Ganze dann noch verkauft als 'Fahrradförderung'. #AutolandDeutschland
  • Alfons Krückmann zu News- und Diskussionsfaden Januar 2025Hmm... seltsame Zeiten, wird jetzt der Erfolg von 'Verkehrswende' endgültig nicht (mehr?) in Verringerung von MIV-Fahrleistung (CO2) gemessen, sondern in Radwegkilometern? Was ist denn der tiefere Sinn dieses 'Messwertes'? Selbstzweck? Mehr Radwege heben dann 'irgendwie' die Steigerungen des MIV auf? Wie soll sich das denn vollziehen (Physik und so)? Wird üb…
  • Alfons Krückmann zu News- und Diskussionsfaden Januar 2025Toll, dass dann der Autoverkehr nicht von nervigen Radfahrer:innen behindert wird, sondern diese "abseits" geführt werden.
  • Randelhoff Martin zu News- und Diskussionsfaden Januar 2025Ja, da fallen verschiedene Führungsformen drunter. Bei den 65 km sind "73 Prozent der neu gebauten oder sanierten Radverkehrsanlagen vom Autoverkehr getrennte Radverkehrsinfrastruktur". Bei Hamburgize findet man ein paar Fotos der neu errichteten Radverkehrsanlagen: https://hamburgize.blogspot.com/2025/01/hamburg-desolate-bilanz-oder-rekord.html Es gibt eini…
  • Anonym zu News- und Diskussionsfaden Januar 2025Verstehe ich das richtig, dass da alles von Fahrradstraßen über Schutzstreifen bis selbstständige Geh- und Radwege drunter fällt und auch das Ersetzen eines Radweges durch einen Schutzstreifen in die Statistik einfließt. Ich wäre an einem ortskundigen Bericht mit Vorher-Nachher-Bildern interessiert. /n

Auszeichnungen

Grimme Online Award Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den Grimme Online Award 2012 in der Kategorie Information erhalten. Ich möchte mich bei all meinen Lesern für die Unterstützung bedanken!

PUNKT Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den PUNKT 2012 der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in der Kategorie "Multimedia" gewonnen.

Logo VDV Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

Lizenz

Zukunft Mobilität Creative Commons

Die Inhalte dieses Artikels sind - soweit nicht anders angegeben - unter CC BY-SA 3.0 de lizensiert. Grafiken sind von dieser Lizenz aus Vereinfachungs- und Schutzgründen ausgenommen (Anwendung aufgrund der Verwendung von Grafiken / Bildern mit unterschiedlichen Lizenzen zu kompliziert) außer die CC-Lizenz ist ausdrücklich genannt.

Weitere Informationen

Verfasst von:

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net