Der Kurzstreckenseeverkehr (short sea shipping) ist ein wichtiger Faktor im Güterverkehr, spielt jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle. Etwa 41 Prozent des Güterverkehrs in der Europäischen Union werden über die Schifffahrt (Binnenwasserstraßen und Seeverkehr) abgewickelt.
Im Zeitraum 2000 – 2020 soll der Kurzstreckenseeverkehr laut einer Prognose der EU-Kommission um 59 % und die Binnenschifffahrt um 28 % wachsen (Vergleich: Güterverkehr ingesamt +50 %, Straßengüterverkehr +55 %).1
Mit einer Transportleistung von 1.550 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 2012 liegt der Schiffsverkehr (Binnenwasserstraßen und Kurzstreckenseeverkehr) knapp hinter dem Straßengüterverkehr (1692 Mrd. tkm) und weit vor dem Schienengüterverkehr (407,2 Mrd. tkm).
In Zukunft soll der Kurzstreckenseeverkehr im europäischen Güterverkehr als günstiger und ökologisch vergleichsweise verträglicher Transportmodus (SOx-, NOx- und Partikelemissionen müssen weiter reduziert werden) an Bedeutung gewinnen. Ein Schiff mit 4000 dwt (deadweight tonnage) ersetzt je nach Ladegut 100 bis 200 Lkw-Fahrten. Dadurch wird volkswirtschaftlicher Nutzen durch die Verringerung von Stau und Stauzeitverlusten, Luftverschmutzung und geringere Transportkosten generiert. Zudem können entlegene Regionen und Insel im Gebiet der Europäischen Union sicher und zuverlässig angebunden werden.
Für eine weitere Verlagerung von Ladung auf die Wasserwege muss short sea shipping jedoch besser in die Supply Chain integriert und die Effizienz verbessert werden. Hierfür muss die Verlässlichkeit und Bedienfrequenz des Kurzstreckenverkehrs gesteigert werden. Verspätungen und Umschlagzeiten in den Häfen sind zu reduzieren. Der Seehafenhinterlandverkehr muss entsprechend ausgebaut und an die wichtigen Zentren im Landesinneren angebunden sein. Über die bessere Anbindung an die Binnennetze und die Einrichtung von “Hochgeschwindigkeitsseewegen” zwischen den wichtigsten Häfen soll die seeseitige Netzstruktur und Geschwindigkeit verbessert werden. Über den Abbau von Bürokratie sowie Vereinheitlichung und Standardisierung (z.B. die Verwendung von IMO-FAL Formularen, die beim Einlaufen eines Schiffs in einen Hafen sowie bei seinem Auslaufen verlangt werden) soll die Effizienz des Kurzstreckenseeverkehrs verbessert werden.
Die Europäische Kommission möchte im Rahmen der Entwicklung der transeuropäischen Netze vier “Motorways of the Sea” (deutsch: Meeresautobahnen) entwickeln. Geeignete Häfen an strategisch günstigen Punkten sollen über qualitativ hochwertige Seewege miteinander verbunden werden.
Die Ostseeanrainer sollten über eine Meeresautobahn mit den Staaten in Zentral- und Westeuropa verbunden werden. Der erste Korridor verläuft von der Ostsee in die Nordsee über den Nord-Ostsee-Kanal bzw. Skagerrak und Kattegat.
Der zweite Korridor soll entlang der Atlantikküste führen und die Pyrenäen umgehen. Der Bau eines Eisenbahntunnels durch die Pyrenäen zur Verlagerung von Lkw auf den Zug würde etwa sechs Milliarden Euro kosten. Weiterer Bestandteil ist die Anbindung Irlands und Großbritanniens an Kontinentaleuropa.
Ein dritter Korridor verbindet im Mittelmeer Spanien, Frankreich, Italien und Malta miteinander. Eine Verbindung von Slowenien bis Zypern soll über eine vierte Meeresautobahn sichergestellt werden. Sie verläuft von der Adria und das Ionische Meer bis Zypern und bietet eine Anbindung an das Schwarze Meer.
Die Entwicklung der Meeresautobahnen werden über das EU-Förderprogramm Marco Polo finanziert. Das Budget für Marco Polo II (2007 – 2013) betrug 450 Millionen Euro.
- EU-Kommission, Generaldirektion Verkehr und Energie; Für ein Mobiles Europa – Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent. Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission von 2001, Brüssel 2006, S. 36 ↩
Wie wird dieser Modal-Split denn errechnet? Gewicht/Volumen pro Strecke? Vor oder nach fast jeder Schiffsstrecke steht ja auch wieder ein terrestrischer Transport an. Ausserdem lässt so eine Betrachtung auch wieder alle Leer- oder Teilleerfahren ausser acht.