Viele Kommunen machen es sich im Rahmen von Stadt- und Verkehrsentwicklungsplänen, einem Masterplan Mobilität, Klimaschutz(teil)konzepten und ähnlichen Plänen und Konzeptionen zur Aufgabe, den Radverkehr zielgerichtet und nachhaltig zu fördern und den Radverkehrsanteil am Gesamtverkehrsaufkommen zu erhöhen. Der Radverkehr weist zum einen häufig ein signifikantes Steigerungspotenzial auf, kann Probleme in den Bereichen Klimaschutz, Energie, Lärm, Energie, Verkehrssicherheit, etc. lösen helfen und ist mit vergleichsweise einfachen und kostengünstigen Maßnahmen zu fördern.
Viele Beispiele aus der Vergangenheit wie auch der Gegenwart zeigen jedoch, dass es vielen Kommunen nicht gelingt, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen und mitunter nicht einmal, die geplanten Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs umzusetzen oder gar zu beginnen. Häufig fehlt ein zielgerichtetes, effektives und konsistentes Vorgehen, notwendige politische Beschlüsse werden nicht getroffen oder finanzielle wie personelle Mittel nicht in den Haushalt eingestellt.
Da im Rahmen vieler Konzepte, Teilpläne, etc. keine Evaluation der umgesetzten Maßnahmen stattfindet und keine stetige Überprüfung des Zielerreichungsgrads vorgenommen wird, wird eine Verfehlung der gesteckten Ziele häufig erst mit mehreren Jahren Abstand im Rahmen der Fortschreibung aufgedeckt. Ursprünglich vorgesehene Einzelmaßnahmen oder Maßnahmenpakete werden daraufhin in den nächsten Betrachtungszeitraum übernommen, Konsequenzen wie bspw. der Beschluss eines konsequenten Monitorings bleiben jedoch häufig aus und werden nicht gezogen. Eine Verbesserung der Situation für Radfahrende und eine Erreichung der übergeordneten Ziele sind somit auch für die Zukunft nicht zu erreichen.
Dies muss jedoch nicht zwingend so sein. Konzepte können umgesetzt, Ziele erreicht und spürbare Fortschritte erzielt werden. Ohne Gültigkeit dieser grundlegenden Aussage wären planerisches Handeln wie auch politische Beschlüsse sinnlos. Die grundsätzliche Frage lautet daher:
Mit welchen Maßnahmen kann eine Kommune den Radverkehr zielgerichtet fördern und die erfolgreiche Umsetzung der beschlossenen Konzepte sicherstellen? Was sind die grundlegenden Beschlüsse und Aufträge, welche die politische Ebene für die Verwaltung formulieren muss? Wie kann der Umsetzungsstand erhoben (Indikatoren, Kennziffern), überprüft und an die politische Ebene zur Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen (Finanzmittel, Personal, begleitende push & pull-Maßnahmen) kommuniziert werden?
Diese Diskussion soll ein erster Schritt sein sich den Bausteinen für den Radverkehr zu nähern. Die Einzelbestandteile werden noch einzeln diskutiert und behandelt. Zunächst soll jedoch die integrierte und ganzheitliche Förderung des Radverkehrs im Fokus stehen.
Der folgende Vorschlag ist mit dem Aufruf verbunden, weitere Punkte zu ergänzen und jeden vorgeschlagenen Punkt kritisch zu zerlegen, dadurch die Belastbarkeit zu prüfen und die Aussagekraft zu stärken. Im Interesse einer konstruktiven Debatte sei auf die Anmerkungen und Hinweise zum Führen einer guten Diskussion verwiesen.
Mein Vorschlag
Zielsetzung, Kontrolle und Grundsätzliches
- konkrete Formulierung von Zielwerten (gesteigerter Radverkehrsanteil, Senkung der Unfallzahl und der Unfallopferzahl, etc.) und eines Zielerreichungskorridors mit Zwischenzielen
- jährlicher Bericht über den Umsetzungsstand des Konzepts und der getroffenen Maßnahmen sowie wichtiger Kennziffern
- Erarbeitung ein- oder zweijähriger Maßnahmenkataloge mit konkreten Vorschlägen, wie bspw. Lücken im Radwegenetz zu schließen und Defizite zu beheben sind. Die Finanzierung ist von politischer Ebene sicherzustellen, der Umsetzungsstand von Verwaltungsebene transparent zu kommunizieren.
- einfach zugängliche und transparente Dokumentation von Mängelmitteilungen
- Verwendung der Stellplatzablösesummen für den Radverkehr
- flächendeckende und durchgängige Parkraumüberwachung zur konsequenten Verfolgung von Halte- und Parkverstößen, um eine Behinderung und Gefährdung des Radverkehrs durch das Parken von Kfz auf Radwegen, Radfahr- oder Schutzstreifen auszuschließen. Hierzu gehört auch die Verfolgung von Überschreitungen der auf sogenannten „Schutzstreifen“ erlaubten drei Minuten Haltezeit (siehe auch den Baustein Durchsetzung von Verkehrsregeln).
- Radverkehrsförderung und einer Erhöhung der Radverkehrssicherheit sind eng mit einer Kfz-Verkehrsberuhigung verbunden. Entsprechende Maßnahmen sind daher ebenfalls zur Förderung des Radverkehrs durchzuführen.
Infrastruktur
Aufbau eines Infrastrukturnetzes für den Radverkehr bestehend aus einem
- durchgängigen leistungsfähigen Hauptradwegenetz, welches höhere Geschwindigkeiten und sichere Überholvorgänge ermöglicht
- ergänzenden Komfort-Radroutennetz im Nebenstraßennetz und abseits stark befahrener Straßen zum entspannteren Fahren. Auf die Belange für den Freizeitverkehr, Wenigfahrer und Radfahrende mit besonderem Schutzbedürfnis bzw. einem starken subjektiven Unsicherheitsgefühl soll besondere Rücksicht genommen werden. Infrastruktur ist besonders resistent gegenüber Fehlern auszugestalten. Dieses Netz dient auch der Erschließung einzelner Quartiere und besitzt Elemente wie Fahrradstraßen zur Bündelung.
- radialen und tangentialen Radschnellverbindungen / Radvorrangrouten als städtische Hauptachsen z.B. zur Anbindung des Hbf und weiterer Bahnhaltepunkte und ÖPNV-Knoten an die Innenstadt, in Gewerbegebiete, an Verwaltungs- oder Schulzentren, etc. Keine Führung auf Schutzstreifen und kombinierten Geh-/Radwegen.
- Radschnellwegen zur leistungsfähigen Verbindung regionaler Zentren und aufkommensstarker Siedlungsteile (Innenstadt, Hochschulen, etc.) entsprechend der baulichen Standards für Radschnellwege und mit Fokus auf Pendlerverflechtungen
- regionalen Radschnellverbindungen / Radvorrangrouten als leistungsfähiges regionales Ergänzungsnetz für den Alltags- und Freizeitverkehr sowie bei Gegebenheiten, die Radschnellwegstandards nicht zulassen (geringeres Radverkehrsaufkommen oder räumliche Einschränkungen).
Infrastruktureigenschaften:
- einheitliches Erscheinungsbild durch Roteinfärbung von Radwegen, Radfahrstreifen, Schutzstreifen, Furten und Fahrradstraßen.
- Innerörtliche Einrichtungs-Geh-/Radwege nur dort, wo keine adäquate Alternative existiert und geringer Fußverkehr vorherrscht.
- Grundsätzlicher Verzicht auf innerörtliche Zweirichtungs-Geh-/Radwege.
- Die parallele Führung des Radverkehrs auf separaten Radverkehrsanlagen und auf der Fahrbahn ist zu ermöglichen und sicher zu gestalten (Wahlmodell)
- An Furten ist eine Nullabsenkung zwischen Fahrbahn und Radweg anzustreben (alternativ 3 cm Bordhöhe), für die Barrierefreiheit sind Bodenindikatoren entsprechend der Regelwerke herzustellen
- Entlang des Hauptnetzes Aufpflasterung aller Grundstückszufahrten und Einmündungen von untergeordneten Nebenstraßen
- Abseits des Hauptnetzes soll die Führung des Radverkehrs im Mischverkehr bei gleichzeitiger Senkung der Kfz-Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h primäres Ziel sein
- Radwege sind mit Asphaltdecke oder ggf. ungefastem Betonpflaster auszugestalten
- Bei ausreichender Breite Öffnung von Einbahnstraßen in Gegenrichtung (ggf. zu Lasten parkender Pkw). Bei entsprechendem Verkehrsaufkommen und in Engstellen ggf. mit Markierungen.
- Abbau von Sperrpfosten und Umlaufsperren
- Evaluierung von Radschnellwegen und Radvorrangrouten auf Grundlage z. B. der niederländischen “Fietsbalans” und / oder weiterer niederländischen CROW-Leitlinien.
- Sichere Führung und Umleitung des Radverkehrs in Baustellenbereichen und bei Sperrungen, die Alternativführung sollte nicht zu Lasten des Fußverkehrs gehen und Mindestmaße der ERA einhalten. Die Einrichtung ist vor Ort zu überprüfen.
- Bemessung der Radverkehrsanlagen in einer Dimensionierung, die Fehler zulässt.
- Formulierung konkreter Zielstandards hinsichtlich der Breite und Qualität von Radverkehrsanlagen1, die künftig allen Radverkehrsmaßnahmen zugrunde gelegt und im Regelfall umgesetzt werden sollen. Ziel sollte sein, ein Überholen aufgrund unterschiedlicher Fahrgeschwindigkeiten, kommunikatives Nebeneinanderfahren und die Nutzung von Lastenfahrrädern und Fahrradanhängern zu ermöglichen:
Regelbreite (grundsätzlich anzuwenden) | Anmerkungen | |
---|---|---|
Einrichtungsradweg innerorts | 2,0 m | 0,75 m Sicherheitstrennstreifen |
Zweirichtungsradweg innerorts | 3,0 m | 0,75 m Sicherheitstrennstreifen |
Einrichtungsradweg innerorts mit hoher Belastung | 3,0 m | 0,75 m Sicherheitstrennstreifen |
Zweirichtungsradweg innerorts mit hoher Belastung | 4,0 m | 0,75 m Sicherheitstrennstreifen |
Radfahrstreifen (roteingefärbt) | 2,3 m | |
Schutzstreifen (roteingefärbt) | 1,5 m | 0,75 - 1,0 m Sicherheitstrennstreifen zu parkenden Fahrzeugen, Kombination mit 30 km/h (Markierungen eigentlich unzulässig), Schutzraum zum fließenden Kfz-Verkehr sicherstellen |
Kombinierter Geh-/ Radweg | 3,0 m | nur in absoluten Ausnahmefällen und nur dort, wo sich keine adäquate Alternative bietet sowie sehr geringer Fußverkehr vorherrscht. Grundsätzlicher Verzicht auf innerörtliche Zweirichtungs-Geh-/Radwege. |
Fahrradstraße (roteingefärbt) | mit Kfz in beiden Richtungen: DTVw Kfz bis max. 2.000: 5,50 m DTVw Kfz bis max. 1.500: 4,50 m mit Kfz in einer Richtung: DTVw Kfz bis max. 2.500: 5,50 m DTVw Kfz bis max. 1.500: 4,50 m | Radverkehr sollte an Knotenpunkten möglichst Vorfahrt erhalten, Unterordnung der Nebenzufahrten eindeutig erkennbar gestalten. einheitliche Gestaltung über den gesamten Streckenzug Nur ausnahmsweise Zufahrtserlaubnis für Kfz (z. B. Einschränkung auf Anlieger), alternative Wegeführung für Kfz Parkraumüberwachung und Durchsetzung von Durchfahrtsverboten für nicht zugelassene Kfz sicherstellen |
Einrichtungs-radschnellverbindungen außerorts | 3,0 m | |
Zweirichtungs-radschnellverbindungen außerorts | 4,0 m |
Abstellkonzept und -anlagen / Multimodale Verknüpfung
- Fahrradparkraumkonzept für einzelne Wohnviertel, Quartierskategorien, Haltestellen und Verkehrsknoten sowie Ziele mit hohem Verkehrsaufkommen wie Schulen und weitere Bildungseinrichtungen, Innenstadtbereiche, etc. erarbeiten und umsetzen
- Für Neubauvorhaben im Gemeindegebiet Fahrradabstellsatzung erlassen
- Es sind Anlehnbügel oder Reihenparker nach DIN 79008 bzw. ADFC-Empfehlung (z.B. Kombiparker mit Anlehnbügel) zu verwenden
- Mitnahmemöglichkeiten von Fahrrädern in Bus und Bahn (Stadt- und Regionalverkehr) im Rahmen von Vergaben klären
- gute Beleuchtung und soziale Kontrolle von Radabstellanlagen sicherstellen
- Abgestufte Abstellanlagenkonzeption an Verknüpfungspunkten mit dem ÖPNV umsetzen:
-
- überdachte Abstellanlagen an Bahnhaltepunkten und ÖPNV-Knoten sowie weiteren Orten mit langer Einstelldauer
- Miete von abschließbaren Fahrradboxen und Radabstellanlagen sollte im Rahmen des ÖPNV-Fahrscheinerwerbs zubuchbar sein
- An Radstationen auch bewachtes Kurzzeitparken ermöglichen
- Platzierung einer für die örtlichen Gegebenheiten adäquaten Anzahl von Abstellplätzen im unmittelbaren Umfeld einer Haltestelle
Kommunikation, Radkultur und Service
- Förderung von Initiativen aus der Zivilgesellschaft wie bspw. freie Lastenräder
- Eindeutige und vollständige Radverkehrswegweisung, die fortlaufend ergänzt und instand gehalten wird
- zügige Bearbeitung von Mängelmitteilungen
- prioritärer Winterdienst für Radwege, Radvorrangrouten und Fahrradstraßen
- Aufbau eines 24/7-zugänglichen Servicenetzes mit Luftpumpen und Reparaturstationen
- Ergänzung des Servicenetzes mit Ladeschränken zum Laden von Akkus
- Neubürgermarketing: Wohnstandortbezogene Kommunikation von Tipps und Hinweisen für das Pendeln und allgemeines Unterwegs sein mit dem Rad im Rahmen der Ummeldung, Durchführung von Neubürger-Radtouren
- Interaktiver Radroutenplaner. In diesem sind ebenfalls Informationen zur Barrierefreiheit (Wegbeschaffenheit, Neigungen, Standorte von Behindertentoiletten, etc.) und Hinweise auf die für den Unterhalt und Instandhaltung des jeweiligen Streckenabschnitts verantwortliche Stelle zu hinterlegen.
- Aufbau eines interkommunalen Qualitätsmanagements für regionale Radinfrastrukturnetze
Änderungen (nach Hinweisen):
- Tabelle:
Fahrradstraße bei einer DTVw Kfz von 5.000 entfernt, da Sicherheitsgefühl bei Radfahrenden stark durch das hohe Kfz-Verkehrsaufkommen eingeschränkt wird und die restriktiven Einschränkungen des Kfz-Verkehrs in Fahrradstraßen durch mich nicht beachtet wurden [Facebook]. (20.01.2017, 15:00 Uhr) - Zielsetzung, Kontrolle und Grundsätzliches
Ergänzt: “Radverkehrsförderung und einer Erhöhung der Radverkehrssicherheit sind eng mit einer Kfz-Verkehrsberuhigung verbunden. Entsprechende Maßnahmen sind daher ebenfalls zur Förderung des Radverkehrs durchzuführen.” [Twitter] (20.01.2017, 15:02 Uhr)
Sollten Sie bisher keinen Kommentar auf Zukunft Mobilität abgegeben haben, muss dieser aus Gründen der Spamabwehr zunächst manuell freigeschalten werden. Ich bemühe mich jedoch darum, dies zeitnah geschehen zu lassen.
Einige Anmerkungen und Hinweise zum Führen einer guten Diskussion. Lektüre und Anwendung sind erwünscht. Ich freue mich über eine offene, freundliche und zielgerichtete Diskussion.
- auf Basis der Regelmaße der ERA und ggf. darüber hinaus ↩
Es wäre sehr hilfreich, wenn in den städtischen Gebieten mit Tempo 30 Zonen und gemischtem Radverkehr konsequenter der Schleichverkehr (Abkürzung bei stark ausgelasteten Autostraßen) unterbunden würde. Wohngebiete sollten so gestaltet werden, dass sie keine Durchfahrtsmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge parallel zu Hauptverkehrsstraßen ermöglichen. Von einer solchen Maßnahme würden nicht nur die Radler profitieren, sondern auch die Wohnquartiere würden leiser und sicherer durch Wegfall des Durchgangsverkehrs.
Hallo,
mein Tipp, auch wenn ich mich wiederhole: Nicht zuerst an die Infra, sondern zuerst an die Menschen denken, dann an eine ihnen angepasste Infra. Denn sie Wege sind für Menschen und nicht umgekehrt.
Die Nordic Cycle Cities haben sich z.B. zwei Schwerpunkte gesetzt:
1. Kinder
Denn Kinder behalten ihre einmal erlerntes Mobilitätsverhalten oft auch als Erwachsene bei und geben es an ihre eigenen Kindert weiter. Stichworte: Nachhaltigkeit und Wandel der Verkehrskultur
2. Pendler
Für Kinder braucht man fehlertolerante Schulradwege, auch Sport- und Spielstätten sollen eigenständig erreichbar sein.
Ein Ziel wäre dann, x Prozent der Schulkinder legen ihren Schulweg per Rad zurück. Das muss die Infra induzieren.
Ebenso Pendler. x Prozent der Pendler bis 30 km, x Prozent der Pendler bis 10 km …….. legen bis dann und dann ihre Wege per Rad zurück. Das muss die Pendler-Infra induzieren.
Da es regional, kommunal und je nach Bevölkerungszusammensetzung ganz unterschiedliche Radverkehrskulturen gibt, schon innerhalb einer Stadt kann es bei verschiedenen Quartieren ganz unterschiedlich aussehen, empfiehlt sich eine eingehende soziologische Felduntersuchung, wie sie z.B. das Planungsbüro ‘spacescape’ zur Ausarbeitung der Osloer Radverkehrsstrategie unternommen hat.
Frühestens dann erst schlägt die Stunde der technischen Umsetzung, die Stunde der Ingenieure. ‘One fits all’ ist nicht. Das liegt daran, dass der Mensch beim Radfahren exponiert ist, im Gegensatz zum Kfz beim Autofahren. Und Menschen sind nun einmal kein DIN-genormtes Industrieprodukt.
Dein Artikel kommt mal wieder wie gerufen!
Ich ergänze noch:
Bis 27.5.: Ideenwettbewerbvon Fahrradland-BW
7./8.6. in Dessau: kommunal mobil von UBA und DIfU
Parking Day: 3. Freitag im September
Jährlich 16.-22.9.: Europäische Mobilitätswoche (UBA-Leitfadenmit vielen Aktionsideen!)
Weitere Termine: https://www.radkultur-bw.de/kalender
https://www.fahrradland-bw.de/aktiv-werden/
https://www.radkultur-bw.de/kommunen
https://www.clevere-staedte.de/blog/artikel/flaechen-gerechtigkeits-report-online
das Thema Radverkehrsförderung in Kommunen war ein Forschungsprojekt bei uns an der Universität Wuppertal. Dabei haben Studierende aus der Niederlande und aus Deutschland die Radverkehrsförderung in vier deutschen Kommunen auditiert (je 1 x Woche Workshop vor Ort) und anschließend Vorschläge gemacht wie man die Radverkehrsförderung dort verbessern kann. Dabei sind wir zu den folgenden Ergebnissen gekommen:
Das Thema Infrastruktur hat in der Radverkehrsförderung definitiv Relevanz (Lückenschluss im Radverkehrsnetz, gerechtere Raumaufteilung),
allerdings waren die Punkte Marketing, Kommunikation und Kooperation mindestens genauso wichtig und hier hatten die untersuchten Kommunen noch großen Nachholbedarf.
Im Zuge des Projekts wurde eine Checkliste entwickelt mit der Kommunen die eigene Radverkehrsförderung u.a. nach diesen Kriterien bewerten können. Die Checkliste und weitere Ergebnisse sind in einem Leitfaden zusammengefasst und über den folgenden Link abrufbar:
https://nationaler-radverkehrsplan.de/de/praxis/freshbrains-fahrradaudits-durch-niederlaendische
Mein Eindruck war, dass der externe Blick und die damit einhergehende Reflexion des eigenen Vorgehens sehr positiv für die einzelnen Kommunen waren. Daher auch die Idee der Selbstevaluation mit Hilfe der Checkliste.
Persönlich sehe ich die zukünftige infrastrukturelle Entwicklung eher in einem Fahrradnetz über Nebenstraßen als um jeden Zentimeter Platzgewinn auf den Hauptachsen des KFZ-Verkehrs zu streiten. Vergleichbar wie in den Niederlanden. Die Herausforderung ist dann eine eindeutige und zusammenhängende Markierung des Radnetzes bspw. in T30 Zonen wie „Vorstadt Strizzi“ bereits bemerkt hat. Eine Kombination aus Fahrradstraßen könnte möglicherweise eine solche Lösung sein.
Leider sind die Vorschläge, wie üblich, technischer Natur. Und sie gehen von Annahmen aus, die zwar der derzeitigen öffentlichen Meinung entsprechen aber bestenfalls unbelegt sind.
Als Belegt für die Wirksamkeit von Radverkehrsinfrastruktur werden üblicherweise Radfahrerstädte aufgezählt. Dabei wird in der Regel vergessen, dass es schon früher Radfahrerstädte waren. Und es wurden immer auch Maßnahmen (andere als Radwege) getroffen, die ich für wirksamer halte beispielweise, Grüne Welle bei Radfahrgeschwindigkeiten, erzwungene Umwege für den Kraftverkehr, nicht zuletzt der Zeitgeist. Unterm Strich bleibt, dass es keinen belastbaren Beleg für eine Förderung des Radverkehrs durch Radwege gibt. Es gibt aber Beispiele für die fehlende Wirksamkeit.
Auch sollte man immer wieder daran erinnern, dass Radwege gefährlich, gefährlicher als Mischverkehr sind. Es hat schon seinen Grund, warum immer mit der gefühlten Sicherheit argumentiert wird. Wenn man es mit der objektiven versucht, bekommt man jede Menge Untersuchungen um die Ohren gehauen.
Ich hatte schon geglaubt, es kommt noch etwas substantielle, als ich in einer Kapitelübersicht das Wort Kommunikation gelesen habe. Aber auch da wurde etwas ganz Simples vergessen: Werbung
Ich halte Werbung und Imagekampagnen für zielführend. Radfahrern muss beispielsweise klar gemacht werden, dass sie keine Verkehrsstörer oder Kampfradler sind. Sie sind Verkehr. Kraftfahrern muss man das auch beibringen. Wenn das geglückt ist, hat man es geschafft. Ob dann noch Radwege gebaut werden, ist nebensächlich.
Dass soetwas funktioniert kann man beispielsweise an Detmold sehen. Nach einem Jahr Öffentlichkeitsarbeit war der Radverkehrsanteil von 5 auf 14 % gestiegen, nach weiten sechs Jahren technischer Maßnahmen auf … 16 %. Oder die Kampagne Verkehrssparen in Österreich hat auch den Radverkehrsanteil gesteiget, ohne Radwegebau.
Das Problem beim Radfahrern liegt nicht zwischen den Hauswänden sondern zwischen den Ohren.
“den Radverkehr zielgerichtet und nachhaltig zu fördern”. Und dann kommen lauter technische Vorgaben. Das ist, sorry lieber Martin Randelhoff, weder nachhaltige noch zielgerichtet (Rad-) Verkehrspolitik.
Das ist eine rein ingenieurstechnische Rangehensweise.
Eine zielgerichtete und nachhaltige Förderung hat zur Voraussetzung, dass man sich an den Menschen bzw an den Bedürfnissen und Erfordernissen derjenigen Menschen orientiert, die da radfahren wollen/sollen. Deren Bedürfnisse bzw Erfordernisse muss die Kommune zunächst einmal erfragen.
Oslo:
Spacescape has been involved as a consultant in this work and began the process with a thorough examination of Oslo cyclists. We looked at such aspects as, what is the bike modeshare? Who are the cyclists? Are there differences between neighbourhoods? Between women and men? Between children and adults? To develop this knowledge we used questionnaires, cyclist observations, interviews with principals, and image surveys with different types of cyclists. This formed the foundation of the Bicycle Strategy that Spacescape has developed for the city.“
29.10.2015
Oder die Nordic Cycle Cities 2012 mit dem Dreiklang aus Bicycle Account, Bicycle Strategy und Bicycle Action Plan.
http://www.nordiskecykelbyer.dk/upload/NonPublic/NCB%20Magasin_english%20version.pdf
Die fangen mit den Menschen an. Nicht mit der Infra-Gießkanne. Die Nordic Cycle Cities identifizieren drei verschiedene Gruppen von Menschen, bei denen ihnen Radverkehrsförderung besonders vielversprechend erscheint.
Es sind die Kinder, nochmals unterteilt in kleine Kinder, für die Fahrradspielplätze gebaut werden (Was für eine wunderschöne Idee von Radverkehrsinfrastruktur!) und größere Kinder/Jugendliche, für die Radschulwege gebaut werden. Begründung: Kinder auf’s Rad zu bringen ist besonders nachhaltig. Denn sie behalten als Erwachsene oft ihr erlerntes Mobilitätsverhalten bei und geben es wiederum an ihre eigenen Kinder weiter. Außerdem: Wo Kinder radeln können, dort können Alle radeln (inklusiver Radverkehr).
Als dritte Gruppe mit besonderen Bedürfnissen wurden die Pendler ausgemacht.
Es ist ja beileibe kein Zufall, dass die Radrevolution in den Niederlanden damit angefangen hat, den Kindern eine sichere Mobilität ermöglichen zu wollen (Stop Kindermoord Kampagne Anfang der 1970).
In Kopenhagen haben sie damals damit begonnen, Schulradwege zwischen den Schulen zu bauen.
Es sind Menschen, die radfahren. Diese Menschen kann und mussman in verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen, teils auch gegensätzlichen Bedürfnissen gliedern. Da kann und wird es von Kommune zu Kommune und von Quartier zu Quartier Unterschiede geben, die mit einem (1) technischen Konzept nicht abzudecken sind. One fits all ist nicht.
Fast überall wird es die Gruppe der Kinder bzw der SchülerInnen geben. Auf sie muss ein Schwerpunkt gelegt werden, denn für Kinder ist radeln ‘natürlich’ (kein Zugang zum eigenen Auto), sie stellen die Alterskohorte, in der Radeln am verbreitetsten ist.
Ich halte es für eine im Grundsatz falsche Strategie, den Kommunen als DAS Mittel zur Verkehrswende irgendwelche normierte Infrastrukturmodelle an die Hand zu geben.
Z.B. Mischverkehr in T30 Bereichen wird auf sehr vielen Schulwegen nicht ausreichen, um die Schüler sicher radeln zu lassen.
(Mit-) Entscheidend sein müssen vielmehr: Alter der Schüler, Schülerfrequenz, Kfz-Verkehrsdichte, Anteil von Bus- und Schwerlastverkehr, bauliche Gestaltung der Straße/Einhaltunggrad der Max-Geschw. , etc sein. Auch in Quartieren, in denen viele Menschen aus Kulturen kommen, in denen Radverkehr oder die Rücksicht auf Schwächere im Strassenverkehr kulturell nicht so sehr verankert ist, müssen besondere Schutzmassnahmen getroffen werden.
Bei einer Pendlerstrecke gelten wiederum andere Massstäbe.
Kurzum: Verkehrspolitik, auch Radverkehrspolitik muss wesentlich weniger ingenieurstechnisch betrachtet und bestimmt werden.
Nachhaltiger Verkehr ist in erster Linie ein Problem, dass die Kommunen mit soziologischen Mitteln angehen müssen.
Erst danach, wenn man weiß, für welche Nutzergruppen man was und wo will, fann erst schlägt die Stunde der Ingenieure.
Hallo,
Dafür diskutieren wir das ja. Damit ich merke, dass ich im eigenen Saft schmore und vielleicht anders herangehen sollte. Denn dein gemachter Vorschlag ist ja vollkommen richtig und wichtig. Vielleicht muss ich an das Thema nochmal anders herangehen und grundlegend darüber nachdenken…
Vielleicht hilft den Kommunen auch nicht so sehr eine Nacherzählung der ERA wie oben: Vor Ort fehlt es nach meinem Eindruck eher am großen Bild, am Gesamtnarrativ und an der alle Einzelmaßnahmen vereinenden Vision. Die beste Grundlage sehe ich dafür in den fünf Grundsätzen der “Sustainable Safety”. Praktisch alle von dir hier genannten sinnvollen Einzelempfehlungen lassen sich daraus ableiten. Hier mal ein paar beispielhaft herausgegriffen:
Nebenbei:
Ich bin gerade über diesen interessanten Tweet gestolpert:
https://twitter.com/stevevance/status/958233496081850369
Ich zitiere:
My friend @BicycleDutch basically posted a “How to Build a Bike Friendly City 101” in a single blog post by talking about how he + 2 other jurists picked the Dutch Cycling City this year. https://bicycledutch.wordpress.com/2018/01/16/houten-cycling-city-of-the-netherlands-2018/
Die im “BicycleDutch”-Artikel beschriebenen Parameter zur Beurteilung der Radfreundlichkeit von niederländischen Städten könnte man tatsächlich auch als Bereiche sehen, die deutsche Städte angehen sollten, um vor der eigenen Haustüre für mehr Radfreundlichkeit zu sorgen.
Sehr schön, dass dieser Ansatz in anderen Ländern in dieser Art und Weise gelebt werden kann. In Deutschland ist daran mindestens mittelfristig sicher nicht zu denken, denn da seien die hier geschmähten Ingenieure aber, noch maßgeblicher, die Straßenverkehrsbehörden vor! Die müssen sich nämlich an die StVO einschl. VwV-StVO und die technischen Regelwerke (der FGSV) halten.
Eine weitere, m.E. sehr hilfreiche, Einrichtung in Kommunen ist die Schaffung eines/r Radfahrbeauftragten. Der/die muss aber mit Rechten und Haushaltsmitteln ausgestattet sein, d.h. z.B. eingebunden sein in alle städtischen Planungen.
Radfahrbeauftragte wirken auch stark nach außen im Sinne von im Rahmen der Diskussion bereits von Sören und Simon benannten Marketing/Werbung.
Ansonsten finde ich, ist Martins vorgeschlagene Liste schon sehr umfangreich und hilfreich.
Als Mutter möchte ich ergänzen, dass man die Eltern mit ins Boot holen muss. Wenn die Eltern Radfahren nicht für sicher halten, werden sie ihre Kinder nicht mit dem Rad zur Schule fahren lassen.
Vielen Eltern setzen ihre Kinder auf dem Weg zur Arbeit, den sie mit dem Auto zurücklegen, eben schnell an der Schule ab. So wissen sie auch, dass ihre Kinder sicher in der Schule angekommen sind, was für viele ein wichtiger Aspekt ist.
Letztendlich ist es ein Teufelskreis: die Eltern fahren Auto, also lernen es die Kinder nicht anders kennen. Selbst wenn die Kinder Radfahren wollen, wird das von den Eltern (und von Schulen, die teilweise zu Unrecht verbieten, dass Grundschüler mit dem Fahrrad kommen) nicht unbedingt unterstützt, weil es – aus verschiedenen Gründen – nicht sicher scheint. Man müsste also erstmal die Eltern aufs Fahrrad bringen. Diese haben ihr Leben aber oft so organisiert, dass es ohne Auto nicht praktikabel ist (z.b. weil Wohnraum in Gebieten mit guter Infrastruktur zu teuer ist). Also müsste man die Kinder zum Radfahren bringen…. Kreis geschlossen.
Die Zahl der Kinder, die mit dem Rad zur Schule kommen, wäre übrigens ein gut messbarer Indikator für Radverkehr.
Ich kenne mehrere Familien, die in der Stadt leben und das erste eigene Auto angeschafft haben, als das erste Kind kam, weil sie es erst dann als notwendig erachtet haben. Es könnte also ein Ansatzpunkt sein, speziell Familien zu unterstützen, damit sie autofrei bleiben. Ein Auto nicht anzuschaffen ist einfacher als ein Auto wieder anzuschaffen, wenn man sich daran gewöhnt hat, es ständig zur Verfügung zu haben.
Als Möglichkeiten sehe ich eine Lastenradförderung oder Förderung zur Anschaffung eines Fahrradanhängers für Familien, die Schaffung entsprechender Abstellmöglichkeiten, Ausleihmöglichkeiten von Kinderwägen für Eltern, die mit kleinen Kindern mit dem Rad in Einkaufszentren bummeln möchten (gab es schon 2008 in Cambridge, UK in der Grand arcade).
Es würde auch helfen, wenn Eltern zur Geburt eine Jahreskarte für den ÖPNV geschenkt bekämen und wenn Carsharing für Familien attraktiver würde (wobei letzteres wohnortabhängig ist: in Heidelberg hat das für uns viel besser funktioniert als jetzt im Südwesten Berlins). Das klingt zwar nicht nach Radverkehrsförderung, aber gehört meiner Meinung nach dazu, denn wer kein eigenes Auto hat, wird eher aufs Fahrrad steigen.
Ach ja, eine Änderung der StVO wird nötig sein, was den Transport von Kindern mit dem Fahrrad betrifft, den aktuell ist der nur bis zum 7. Geburtstag erlaubt. Ein typisches Szenario ist aber auch, dass das Kind nach der Schule zu Fuß bei einer Freundin ist und man es dann dort abholen möchte, oder auch andere Situationen, in denen das Kind nicht mit dem eigenen Fahrrad unterwegs ist. Dann darf man es legal nur mit dem Auto transportieren, sobald es 7 ist.
Auch das gemeinsame Radfahren mit Kindern ist noch kompliziert: zwar darf ich jetzt ein Kind unter 8 auf dem Gehweg begleiten, aber das andere Kind, das 10 ist, muss dann alleine auf der Fahrbahn fahren.
Ein “einheitliches Erscheinungsbild durch Roteinfärbung von Radwegen, Radfahrstreifen, Schutzstreifen, Furten und Fahrradstraßen”, ist zu begrüßen.
Da Fahrbahnmarkierungen immer die Rutschfestigkeit der Oberfläche reduzieren, würde mich interessieren, ob jemand aus der Praxis Roteinfärbungen kennt, welche diese Problem nicht verursachen. Ansonsten würde ich roten Asphalt wie in den Niederlanden bevorzugen. Eine rutschige Roteinfärbung würde ich ablehnen, da für das balancegeführte Fahrrad eine Verschlechterung der Griffigkeit des Untergrundes bei Nässe ansonsten unverantwortlich wäre.
An dem Punkt bin ich nach diversen Hinweisen bereits dran. Ich versuche derzeit noch herauszufinden, wie die Reibungsverhältnisse bei Reibeplastik und unter Verwendung einer Stachelwalze aussehen. Ich denke aber, dass ich den Punkt abändern werde.
Oder einfach gleich roten Asphalt nehmen, statt die Fahrbahnen und Radwege mit rotem Plastik einzuschmieren. Das scheint in den Niederlanden normal und erprobt zu sein ;-)
https://www.kws.nl/nl/nieuws/detail/konwecity-rood-fietscorridor
Wieso sollte eine 3 Minütiges Halten, also ein eingeschränktes Halteverbot auf Radwegen, Schutzstreifen oder Gehwegen erlaubt sein. Wieso müssen Radfahrer eine Behinderung durch den KFZ Verkehr tollerieren, aber der KFZ Verkehr von alle dem verschont werden? Ich plädiere auf all diesen Wegen für ein absolutes Halteverbot. Wenn drei Minuten des Haltens zwingend notwendig wäre, müssten das die Autofahrer verkraften und diese Behinderung zu lasten des KFZ Verkehrs gehen und nicht zu lasten des Fuß und Radverkehrs. Es wird immer tolleriert wenn ein KFZ auf dem Gehrweg parkt und dafür ütter oder Väter mit dem Kinderwagen entweder auf die Straße müssen oder den Gehweg wechseln müssen. Das ist es ne total verkehrte Welt! Die Schwächeren müssen für die Faulen Risiko und Gefährdungen eingehen, damit der KFZ Verkehr unbehindert rollen kann. Das kann es nicht sein.
Eine gute Anmerkung. Kommt auf meine Liste der weiteren Bausteine. Die StVO ist eine Rechtsverordnung, die durch das Bundesverkehrsministerium erlassen wird und daher auf kommunaler Ebene nicht veränderbar ist. Das muss man an dieser Stelle leider trennen.