Für mehr Klimaschutz im Verkehr, die Sicherung von Erreichbarkeit in allen Landesteilen, den Einsatz regenerativer Energien im Verkehrssektor und die Umsetzung einer sozial-ökologischen Verkehrswende ist der Auf- und Umbau von Verkehrs- und Energieinfrastruktur notwendig. Die notwendigen Infrastruktureinrichtungen reichen von Anlehnbügeln zum Abstellen von Fahrrädern, über Verkehrsschilder und Markierungen hin zu Ladeparks für batterieelektrische Pkw und Nutzfahrzeuge sowie den Bau von Schnellfahrstrecken und vielem mehr. In den kommenden Jahrzehnten sind umfangreiche Investitionen auf allen Ebenen (Gemeinden, Bundesländer, Bund und EU) notwendig. Die besondere Herausforderung insbesondere im Kontext der Klimakrise ist die rasche Umsetzung der Maßnahmen. Denn erst nach Fertigstellung können diese eine positive Wirkung entfalten.
Die aktuelle Umsetzungsgeschwindigkeit vieler Verkehrsvorhaben scheint zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben zu niedrig zu sein: die Installation neuer Fahrradanlehnbügel kann zwei Jahre dauern, in Dortmund soll die provisorische Fertigstellung von 24 km Radschnellweg statt wie geplant 2024 frühestens im Jahr 2030 erfolgen und der Ausbau des Schienennetzes hat mitunter Jahrzehnte Verspätung (Beispiel: Ausbau- und Neubaustrecke Karlsruhe–Basel).
Eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Ausführung wurde von der Politik wiederholt in Aussicht gestellt, zuletzt im Bundestagswahlkampf. Im Sondierungspapier von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP wurde der Plan formuliert, Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen, “um private wie staatliche Investitionen schnell, effizient und zielsicher umsetzen zu können. [Das] Ziel ist es, die Verfahrensdauer mindestens zu halbieren.”
Die Planung und Umsetzung von Vorhaben ist komplex. Planungsverfahren für alle Verkehrsträger mit bundesrechtlichem Bezug unterliegen bspw. umfassenden rechtlichen Vorgaben der jeweils spezifischen Fachgesetze, Planfeststellungsrichtlinien und sonstigen Richtlinien. Kommunale Vorhaben erfordern ebenfalls eine enge Abstimmung zwischen den verschiedenen Fachämtern und eine intensive Auseinandersetzung mit (übergeordneten) Planungs- und Regelwerken. Der Aufwand wird auf allen Ebenen maßgeblich durch den Kreis der Betroffenen sowie Anzahl und Inhalt der in den Verfahren erhobenen Einwendungen und Stellungnahmen bestimmt.
Ich würde an dieser Stelle gerne diskutieren, inwieweit eine Beschleunigung innerhalb der Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsphasen überhaupt möglich ist und in welchem Umfang diese erfolgen könnte. Ich freue mich, wenn insbesondere Menschen aus der Verwaltung und Praxis ihre Einschätzung geben. Können wir überhaupt schneller? Woran hapert es aktuell? Was dauert besonders lang? Wo können wir ggf. Verfahren straffen? Sollten wir dies überhaupt tun oder was wären die Folgen? Erweckt die Politik hier falsche Hoffnungen und eine Beschleunigung ist ohne größere Anpassungen auf EU- oder Bundesebene gar nicht denkbar?
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https://orf.at/stories/3247682/
Man sollte insgesamt sowohl die technischen und sozialen Planungszeiten minimieren. Soll heißen: Bei manchen Vorhaben ist die technische Planungszeit groß, aber die soziale Planungszeit gering (z.B. Schildvortrieb, der niemanden behindert), bei manchen ist es umgekehrt (z.B. eine Neuaufteilung des Straßenraums, die technisch ganz einfach wäre, nur eben nicht im Konsens gewollt). Es kann einfacher sein, sich die Projekte herauszusuchen, die bei beiden Zeiten zusammengenommen am schnellsten gehen. Aber auch eine gewisse Langfristorientierung, Konzepte unabhängig vom kurzfristigen Erfolg in der Schublade liegen zu lassen, ist sicherlich nicht ganz falsch. Entscheidend ist eher, ob Projekte flüssig hintereinander aus der Pipeline kommen, nicht wie lange sie darin sind. Eine längere Planung ist immer noch besser, als wenn es zu technischen Pannen oder rechtlichen Prozesse oder beidem (z.B. Nord-Süd-Stadtbahn Köln) kommt.
Ich hatte erst ziemlich viel geschrieben und deshalb auch etwas abgeschweift. Vermutlich wäre auch einiges nicht richtig verstanden worden. Deshalb lieber nochmal etwas kürzer… Meine Erfahrungen/Kenntnisse bekomme ich mit und durch verschiedene Funktionen. Ich bin einerseits Verkehrsplaner in der öff. Verwaltung, beratender Planer für andere (externer für Verwaltungen), Gemeinderat und letztlich auch normaler Bürger.
Ich bin zwar großer Befürworter von Bürgerbeteiligung, mittlerweile aber eher nur noch wenn Bürger auch direkt betroffen sind. Beispielsweise sollten wir bei Planungen für Bahnstrecken oder Stromleitungen die Einspruch-/Verhinderungsgründe deutlich herunterschrauben. Es sollten eher Untersuchungen vorausgehen, die eine Notwendigkeit herausfinden und auch Auswirkungen auf Natur und Menschen berücksichtigen. Gerne von vorne herein auch 2 oder 3 Gutachten bzw. Beauftragte Büros. Wird eine Notwendigkeit bescheinigt und keine gravierende Auswirkungen/Beeinträchtigungen, dann überwiegt das Gemeinwohl und die bspw. Bahnstrecke ist zügig zu bauen. Selbiges denke ich bei Windradstandorten, aber das ist ha hier nicht das Thema. Weiter muss unbedingt mehr Planungshoheit und Anordnungshoheit in auch kleine Gemeinden kommen. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass vor allem kleine Gemeinden von den Verkehrsbehörden der Landkreise ausgebremst werden. Es ist meines Erachtens ein Unding, dass eine Gemeinde nicht selbst ein Haltverbot, Parkverbot oder auch Radfahrstreifen auf nicht klassifizierten Straßen anordnen kann. Da verhindern manche Landkreisverwaltungen oft ziemlich viel – zum Unmut der örtlichen Verwaltung, Gemeinderat und örtlicher Bevölkerung.
Das nut zwei Beispiele, die mir aber oft und deutlich auffallen.
Du hast leider die entscheidende Frage vergessen. Sollen wir überhaupt bauen? Ihr traditionellen Planer glaubt, obwohl es nicht funktioniert, dass man s. g. Verkehrsprobleme durch den Bau von Infrastruktur lösen kann und wer sich öko geben will, ignoriert die Folgen und ökologischen Kosten und weitet das Konzept von Mehr Mehr Mehr auf ÖPNV und Radverkehr aus OHNE damit Kapazitäten anderswo gleichzeitig abbauen zu wollen. Anreize führen dazu, dass andere Dinge tun, die man selber ohne Zwang auch nicht tut. Das könnt ihr eurem FDP-Stammtisch erzählen.
Die ganzen Prüfungen sind ja irgendwann mal aus einem Grund eingeführt worden- Man kann Verfahren beschleunigen, aber dann sollte man auch sagen, dass man z. B. Natur nicht so wichtig findet wie noch mehr Asphaltflächen.
Hallo Norbert,
ich denke, dass wir hier differenzieren sollten: wir haben auf der einen Seite Infrastrukturptojekte, die mit übergeordneten und sich wandelnden Zielsetzungen nicht mehr kompatibel sind. Der Bundesverkehrswegeplan bedarf sicherlich einer Überprüfung hinsichtlich der Klimawirkung, etc. Und auch in anderen Kontexten wird wenig Zukunftsfestes beschlossen (mag es jetzt nicht als “Schrott” bezeichnen).
Auf der anderen Seite haben wir aber definitiv Infrastrukturprojekte, die sinnvoll sind (wobei ich das einfach einmal postuliere) und auch keiner reinen Wachstumsdogmatik unterliegen: der Umbau unseres Energiesystems hin zu regenerativen Energien oder – recht simpel – die Schaffung von Radabstellmöglichkeiten in existierenden Wohnstraßen oder im Umfeld von ÖPNV-Haltestellen.
Ich begrüße grundsätzlich jede Diskussion über Suffizienz und der Sinnhaftigkeit neuer Infrastrukturvorhaben. Gleichwohl gehe ich davon aus, dass es trotzdem Projekte gibt, die weiterhin sinnvoll sind. Und da stelle ich mir dann sehr wohl die Frage, ob alles zwingend so lange dauern muss.
Nehmen wir doch einfach einmal das Beispiel neuer Anlehnbügel im Straßenraum: wieso bestehen manche Kommunen auf eine langwierige und auch kostenintensive Überprüfung nach Kampfmitteln und eine Nachbarkommune nicht? Brauche ich das wirklich für die Fundamente eines Anlehnbügels? Wieso kann es sein, dass aus persönlichen Befindlichkeiten Termine zwischen zwei Ämtern oder gar Abteilungen ausschließlich über die Leitungsebene – und somit zeitäufwändig – vereinbart werden dürfen und nicht direkt zwischen den Mitarbeiter:innen? Ich frage mich als Außenstehender mittlerweile, ob so etwas Ausnahme oder Regel ist. Und wenn es die Regel ist, wie man dem begegnen kann. Und da sind wir relativ weit weg von Diskussionen über Suffizienz, etc., sondern eigentlich bei einer Debatte über effiziente(re)s Verwaltungshandeln.
Beobachtung am südlichen Stadtrand von Hamburg: Mobilität wird an Grenzen behindert. wesentliche Grenzen sind hier Stadt/Land, Niedersachsen/Hamburg, nördlich/südlich der Elbe, aber auch zahlreiche kleinere. Grenzübergreifende Konzepte sind entweder große Solitäre (Autobahn, Bahntrasse, Vorzeigeradschnellwege) oder werden im Zuständigkeitsbereich erstickt. Was fehlt ist Freizügigkeit für kleine Initiativen, einerseits wirtschaftlich (wer bezahlt das), andererseits ordnungsrechtlich (wer entscheidet das). Ich höre seit vielen Jahren bei jeder Idee immer nur einen Chor aus “dürfen wir nicht”, “können wir nicht”, “sind wir nicht zuständig” usw. Wer Mobilität hinsichtlich Durchsatz, Verfügbarkeit, Akzeptanz und CO2 ernst nimmt, muss bei diesen kleinen Prozessen anfangen. Sie sind auch wesentlich günstiger, als vereinzelte Großprojekte.
Also braucht es in jedem Ballungsraum demokratisch eine geeignete regionale Ebene kleiner als der Bund, die Stadt+Umland integriert?
Ein Beispiel aus meiner beruflichen Praxis: Ich arbeite an F&E-Projekten zur Wasserstofferzeugung / Elektrolyse.
Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff sind nach der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung genehmigungsplichtig (siehe Anhang 1, Punkt 4.1.12). Das bedeutet, dass bereits für die Errichtung relativ kleiner Anlagen (z.B. Seecontainergröße) recht aufwändige Genehmigungsverfahren geführt werden müssen. Hierbei müssen zahlreiche beschreibende Texte und Tabellen geschrieben und externe Gutachten eingeholt werden. Das kostet Arbeit, mehrere Monate Zeit und Geld. Ein solches Verfahren ersteckt sich auf sehr viele Themengebiete, entsprechend viele Fachbehörden sind eingebunden, stellen Rückfragen und erlassen mitunter zusätzliche Auflagen (z.B. Bereiche Bau, Boden, Lärm, Brandschutz, Arbeitsschutz, Anlagensicherheit, Umweltschutz, Gewässer, Gefahrstoffe, Abfall usw.).
Denkbar wäre eine Mengenschwelle für Wasserstoffanlagen einzuführen, so dass unter einer gewissen Produktionsmenge solche Anlagen genehmigungsfrei wären. Für andere Stoffe ist das im o.g. Anhang bereits vorgesehen. Dies wäre vor allem für kleine, dezentrale Power-to-Gas-Projekte vorteilhaft, gerade solche, die künftig standardisiert hergestellt werden könnten.
Das bedeutet nicht, dass gewisse Anforderungen für Anlagensicherheit, Arbeits- und Umweltschutz entfallen. Mit §22 ff. Bundesimmissionsschutzgesetz gibt der Gesetzgeber durchaus Pflichten vor. Jedoch müssen diese nicht vorab in einem Genehmigungsverfahren nachgewiesen werden.
Als erstes müsste die Politik bspw die BReg oder BMVI mit vollem Einsatz für die Infrastrukturprojekte “kämpfen”. Stattdessen treiben die MdBs der Reg-Parteien vor Ort in ihrem Wahlkreis genau das Gegenteil und bekämpfen die Projekte, St.-Florians-Prinzip in Vollendung.