Vieldiskutierte Lösungen für eine sogenannte Mobilitäts- bzw. Verkehrswende werden häufig in einen urbanen Kontext eingebettet - doch was ist mit den ländlichen Regionen? Während in den Städten die Mobilitätswende bereits begonnen hat, werden ländliche Regionen immer abhängiger vom eigenen Pkw – auch oder weil sich der ÖPNV zurückzieht und die Wege immer länger werden. Kann man sich auf Trends wie automatisiertes Fahren, die sharing economy oder Ride-Pooling stützen, wenn es um Lösungen für den ländlichen Raum geht? Dieser Gastartikel soll einen ersten Einstieg in die Materie ermöglichen und den Stand der Mobilitätswende in ländlichen Regionen beschreiben.
Stand der Mobilitätswende in ländlichen Regionen
[Vortrag] Elektro, Diesel, Muskelkraft – Klimaschutz im Verkehr
Kann man mit Geflüchteten den Nahverkehr im ländlichen Raum stärken? – Eine Untersuchung zu Asyl und Mobilität auf dem Land
[Video zum Wochenende] Alternative Angebotsformen im ÖPNV (ARTE Re: Doku)
[Diskussionsbaustein] Welche Rolle können Genossenschaften bei der Bereitstellung öffentlicher Verkehre in ländlichen Räumen spielen?
Ländlicher Raum
Am 02.05.2019 habe ich im westfälischen Münster einen Vortrag zum Themenkomplex Klimaschutz im Verkehr gehalten. Dieser war so gut besucht, dass der Platz im Saal leider nicht ausgereicht hat und nicht alle die teilnehmen wollten dies auch konnten. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, den Vortrag nochmals einzusprechen und auf Zukunft Mobilität zur Verfügung zu stellen.
In einer Untersuchung im Frühjahr 2017 wurden 101 geflüchtete Menschen befragt, die nun in einem ländlichen Raum in Sachsen leben. Welches Mobilitätsverhalten haben sie? Wie sind sie unterwegs? Welche Wege legen sie zurück? Auf welche Hürden stoßen sie hierbei? Auf Basis dieser Erhebung soll zwei Leitfragen nachgespürt werden: Ist der ländliche Raum ein besserer Ort zur Unterbringung von Geflüchteten als die Stadt? Und wie behebt man Mobilitätsdefizite im vom demographischen Wandel betroffenen ländlichen Raum?
Die 30 Minuten lange ZDF / ARTE-Reportage widmet sich unter anderem der kostenfreien Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Tallinn und Dünkirchen sowie ehemals im brandenburgischen Templin, neuen Finanzierungsmöglichkeiten sowie flexiblen öffentlichen Verkehrsangeboten – sei es als letzte Bastion in Form eines Bürgerbusses im hessischen Homberg oder als datengestütztes flexibles Angebot von door2door in Berlin, Duisburg und dem bayerischen Freyung.
Auf Grund des demografischen Wandels, teilweise sinkender Einwohnerzahlen, zurückgehender Schülerzahlen und einer steigenden Pkw-Verfügbarkeit gehen die Auslastung und die Finanzierbarkeit des bestehenden ÖPNV in einigen ländlichen Regionen weiter zurück. Aufgrund der angespannten Haushaltslage können viele Landkreise den wachsenden Zuschussbedarf nicht übernehmen, in Folge wird das Angebot weiter eingeschränkt und somit die Nachfrage weiter reduziert. Um auch in ländlichen Räumen einen attraktiven öffentlichen Verkehr anbieten zu können, müssen neue Weg gegangen und auch andere Organisationsformen erprobt werden. Ob Genossenschaften ein tragfähiges Modell sein könnten, möchte ich gerne mit Ihnen diskutieren.
Die Zukunft des ÖPNV ist in vielen ländlichen Räumen mit schrumpfender Bevölkerung aufgrund der finanziellen Herausforderungen ungewiss. Die Mitnahme von Menschen durch Privatpersonen wird als ein Lösungsansatz gesehen. Vermittlungsplattformen sollen Angebot und Nachfrage zusammenbringen und eine günstige Alternative zum klassischen ÖPNV darstellen. Die Problemlage aus einem geometrisch-räumlichen zweiseitigen kritische Masse-Problem und den individuellen Präferenzen der potenziell Nutzenden lässt jedoch die Frage aufkommen, ob Mitfahrplattformen die benötigte Beförderungskapazität vermitteln können.
Die wachsende Möglichkeit, Angebot und Nachfrage von Ortsveränderungen miteinander zu verknüpfen (Ridesharing), schafft neue Möglichkeiten. Gleichzeitig macht diese Entwicklung jedoch einen neuen Kapazitätsbegriff im Bereich des motorisierten Individualverkehrs notwendig.