Die Logistikbranche antizipiert den technologischen Fortschritt relativ schnell, insbesondere wenn die neue Technik die wirtschaftliche Effizienz steigert. Die Automatisierung des Straßengüterfernverkehrs (Hintergründe zu Konzepten und möglichen Auswirkungen) dürfte daher von der Branche relativ schnell vorangetrieben werden.
In meinem Überblick über die Automatisierung des Straßengüterfernverkehrs habe ich bereits argumentiert, dass eine Automatisierung primär auf Autobahnen zur Überbrückung von Distanzen zum Einsatz kommen dürfte. Der Straßengüterverkehr könnte sich einem Hub-and-Spoke-System nicht nur auf Sendungsebene, sondern auch auf Ebene der Ladeeinheiten entwickeln und sich dem System des Schienengütereinzelwagenverkehrs annähern: Auflieger werden auf Autobahnen unbemannt und autonom gezogen, auf Lkw-Parkplätzen in der Nähe der Anschlussstellen von menschlichen Fahrern übernommen, gegebenenfalls auch unter Wechsel der Zugmaschine.. Dabei werden teilautomatisierte Sicherheits- und Assistenzsysteme genutzt, um den Auflieger bis zum Bestimmungsort und zurück zur Autobahn zu fahren. Grund: Im Stadtverkehr ist die Komplexität im Vergleich zur Autobahn höher. Bei der Zustellung könnte außerdem eine menschliche Interaktion weiterhin erforderlich sein.
Die Automatisierung des Straßengüterfernverkehrs wird vor allem durch die sinkenden Kosten und die höhere Transportgeschwindigkeit aufgrund wegfallender Pausen- und Ruhezeitrestriktionen vorangetrieben. Ein weiterer Faktor ist die Knappheit an Berufskraftfahrer:innen.
Ökonomische Faktoren
Die Studie “The era of digitized trucking. Transforming the logistics value chain” von “Strategy &”, der Strategieberatung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PWC geht davon aus, dass die Kosten von Lkw-Verkehren bis 2030 um 47 % fallen könnten.Nach einer Automatisierung und Einbindung in automatisierte Verwaltungs- und Dispositionssysteme sollen Lkw 78% der Zeit produktiv Ladung transportieren können. Derzeit liegt dieser Wert aufgrund der Ruhe- und Pausenzeitregelungen in Europa bei 29%. Durch die Möglichkeit des 24/7-Transports können sich die Lieferzeiten um bis zu 40 % verkürzen.
Aufgrund der verkürzten Transportzeit und der gesunkenen Transportkosten wird der Straßengüterverkehr attraktiver. Bei Unternehmen besteht eine Investitionsbereitschaft zur Erhöhung der Transportgeschwindigkeiten, da hierdurch die Kapitalbindungskosten des Materials während des Transportes gesenkt werden können.1 Daüber hinaus können Lagerbestände reduziert werden, da durch die kürzere Transportzeit die Gesamtdurchlaufzeit der Belieferung sinkt und somit kürzere Lieferfristen realisiert werden können.
Kostenstruktur des Straßengüterverkehrs
Durch den Wegfall von Pausen- und Ruhezeiten wird die produktive Einsatzzeit des eingesetzten Fahrzeugmaterials erhöht. Dies steigert die ökonomische Effizienz. Zugleich werden die Fahrpersonalkosten und die damit verbundenen Lohnnebenkosten eliminiert. Die Studie “Entwicklung eines Modells zur Berechnung von modalen Verlagerungen im Güterverkehr für die Ableitung konsistenter Bewertungsansätze für die Bundesverkehrswegeplanung” der BVU Beratergruppe Verkehr +Umwelt GmbH und der TNS Infratest GmbH im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums aus dem Jahr 2016 beziffert die Fahrpersonalkosten auf 37.665 Euro pro Jahr, was einem Personalkostensatz von 19,33 Euro je Einsatzstunde entspricht.2
Hierbei schwanken “die tariflichen Fahrerlöhne in Deutschland für eine 48-h Woche (sic!) regional sehr stark zwischen 15.000 € / Jahr in Sachsen und 34.000 € / Jahr in Baden-Württemberg [..]. Die häufigsten Werte liegen zwischen 26.000 und 27.000 €/Jahr.”3 Bei 17 Krankheitstagen im Jahr ergeben sich 203 Arbeitstage / Jahr und entsprechend des Arbeitszeitgesetzes eine tägliche Arbeitszeit von 9,6 Stunden bei fünf Wochenarbeitstagen.4 Die Kosten für das Fahrpersonal machen etwa ein Viertel der Gesamtkosten aus.
Eine Automatisierung würde einerseits die Kosten für menschliches Personal stark reduzieren und andererseits die Betriebs- und Kapitalkosten für das Fahrzeug erhöhen.
Laut BVU und TNS Infratest (2016) setzen sich die Transportkosten des Straßengüterverkehrs aus verschiedenen Kostenbestandteilen zusammen. Eine genaue Aufschlüsselung der einzelnen Kostenbestandteile findet sich in BVU und TNS Infrastest (2016), S. 129 – 150.
Die Kosten auf Seiten des Fahrzeugs, die aufgrund der teuren Automatisierungstechnik steigen könnten, hängen direkt von der Transportzeit ab. Diese wird aufgrund des Wegfalls von Pausen- und Ruhezeiten pro Ladeeinheit stark reduziert. Der betriebswirtschaftliche Vorteil durch den Wegfall des menschlichen Personals dürfte somit überproportional hoch ausfallen.
Hinweise zur Berechnung der Transportkosten: Die Gesamtreisezeit beinhaltet Be- und Entladezeiten von 45 Minuten beim Containertransport und Kombinierten Verkehr sowie zwei Stunden im konventionellen Verkehr. Zusätzlich wird ein Sicherheitsaufschlag von 20% auf die Transportzeit berechnet.5
Fazit
Aufgrund der sinkenden Betriebskosten und der höheren Transportgeschwindigkeit wird die Nachfrage nach Straßentransporten voraussichtlich steigen. In Verbindung mit der hohen Flexibilität des Verkehrsträgers Straße und des Güterstruktureffekts (kleinere, leichtere, dafür hochwertigere Güter) dürften die Güterverkehrsleistung sowie Fahrleistung des Straßengüterverkehrs im Vergleich zu Transporten auf der Schiene und Binnengewässern stark wachsen.
Diese Entwicklung ist das Ergebnis einer rein betriebswirtschaftlichen Betrachtung. Es fehlen jedoch zum einen der politisch-ordnungsrechtliche Rahmen sowie die weitere Internalisierung externer Kosten (siehe: Was sind externe Kosten und Nutzen des Verkehrs?). Ein wichtiger werdender Kostenfaktor sind die Infrastrukturkosten, welche in oben angegebener Formel im Mautsatz sowie den sonstigen Infrastrukturkosten abgebildet werden. Eine weitere Internalisierung der externen Kosten des Straßengüterverkehrs und mehr Kostenwahrheit im Verkehrssektor würden voraussichtlich zu einer erheblichen Erhöhung der Transportkosten im Lkw-Verkehr führen. Im Jahr 2016 betrugen die nicht internalisierten externen Kosten des Lkw-Verkehrs in der Europäischen Union (EU28) etwa 3,4 Cent je Tonnenkilometer (ohne Staukosten). Die Kostendifferenz zum Schienengüterverkehr und zur Binnenschifffahrt dürfte sich entsprechend verringern. Dies setzt jedoch entsprechende politische Handlungen voraus. Bleiben diese aus, dürften die externen Kosten des Straßengüterverkehrs weiter steigen und zudem Transporte von Schiene und Wasserstraße auf die Straße wandern.
Verweise
- vgl. Ohno, Taiichi (2009): Das Toyota-Produktionssystem. 2. Auflage. Frankfurt am Main: Campus ↩
- vgl. BVU und TNS Infratest (2016): Entwicklung eines Modells zur Berechnung von modalen Verlagerungen im Güterverkehr für die Ableitung konsistenter Bewertungsansätze für die Bundesverkehrswegeplanung. Freiburg, München, S. 135 ↩
- BVU und TNS Infratest (2016), S. 137 ↩
- vgl. ebd. ↩
- vgl. BVU und TNS Infratest (2016): Entwicklung eines Modells zur Berechnung von modalen Verlagerungen im Güterverkehr für die Ableitung konsistenter Bewertungsansätze für die Bundesverkehrswegeplanung. Freiburg, München, S. 147f. ↩
Auf absehbare Zeit wird es einen überwachenden Operator geben, der eingreifen kann und der ganze Kram muss gewartet und geupdatet werden. So schnell wird man die Personalkosten nicht aus der Kostenrechnung nehmen können.