Fuß- und Radverkehr Infrastruktur

Einfache, aber effektive Förderung des Radverkehrs: Gedanken zur Platzierung von Radabstellanlagen in Wohngebieten

Verbot Fahrrad abzustellen Raumaneignung Radabstellmöglichkeit Köln
Aneignung eines Verbotsschildes als Fahrradständer mangels geeigneter Radabstellmöglichkeit - Foto: Martin Randelhoff @ QIMBY - CC0 1.0
Je schneller und bequemer eine Fahrradfahrt am Wohnort beginnen kann, desto öfter wird das Fahrrad benutzt. Die Positionierung des Fahrrads als Alltagsverkehrsmittel und weniger als reines Sport- und Freizeitgerät bedarf eines schnellen und bequemen Zugangs sowie einer Verankerung im täglichen Bewusstsein. Zur Förderung des Radverkehrs sollten Fahrräder auch in Einfamilienhausgebieten nicht in Garagen, Schuppen oder Kellern verschwinden, sondern im Straßenraum präsent sein.

Für die Nutzung des Fahrrades als alltägliches Verkehrsmittel hat das sichere und komfortable Abstellen der Fahrräder am Wohnort eine große Bedeutung. Daher wird die Schaffung von Fahrradabstellplätzen zunehmend im Bauordnungsrecht der Länder verbindlich gefordert oder über örtliche Satzungen festgelegt und konkretisiert.

Laut Bestimmungen der Landesbauordnung des Landes Baden-Württemberg ist bspw. für Neubauten die Errichtung von Fahrradabstellplätzen auf dem Grundstück selbst vorgeschrieben (§§ 35 Abs. 4 bzw. 38 Abs. 1 Nr. 13 LBO in der Fassung vom 5. März 2010, zuletzt geändert durch Verordnung vom 23.02.2017). Für jede Wohnung sind zwei geeignete wettergeschützte Fahrrad-Stellplätze herzustellen. Auch die Stellplatzsatzung der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam vom 07.03.2012 (Richtzahlenliste – Anlage 2) fordert für Wohnungen in Wohngebäuden mit mehr als zwei Wohneinheiten zwei Abstellplätze je Wohnung. Bei Gebäuden mit Publikumsverkehr sind für die Öffentlichkeit leicht zugängliche Abstellmöglichkeiten zu schaffen.

Nach Möglichkeit sollten diese Fahrradabstellplätze aus Witterungsgründen überdacht und gegen Diebstahl versperrbar ausgeführt sein. Klassische Anwendungsobjekte sind Fahrradkleingaragen, Abstellräume in der Tiefgarage oder ebenerdige Fahrradräume im Eingangsbereich der Gebäude.

Radabstellanlage Heidelberg Bahnstadt Fahrradparken Gebäude Wohnprojekt
Anwohner-Fahrradparken in der Bahnstadt Heidelberg [Panorama erstellt mit AutoStitch] – Foto: Dirk Schmidt @ QIMBYCC0 1.0
Neben der Forderung überdachter und sicherer Radabstellanlagen auf privaten Grundstücken, sollte von Kommunen darüber hinaus geprüft werden, ob bspw. bei Straßenumbaumaßnahmen nicht zusätzlich gut nutzbare Radabstellanlagen im öffentlichen Straßenraum geschaffen werden können. Dies gilt nicht nur für Quartiere mit mehrgeschossiger Blockrandbebauung, sondern ebenfalls für Wohnquartiere mit einer lockereren Bebauung und offenen Bauweise wie Einfamilien- oder Reihenhaussiedlungen.

Zur Förderung des Radverkehrs sollte das Fahrrad stets im Bewusstsein der Menschen verankert sein. Zudem sollte die Nutzung möglichst einfach gestaltet werden. Der hohe Anteil kurzer Distanzen bei den alltäglichen Wegen prädestiniert die Nutzung des Fahrrads. Dieses ist jedoch oft im Fahrradkeller oder der Garage abgestellt und entschwindet somit bei vielen Menschen aus dem täglichen Bewusstsein. Bei der Verkehrsmittelwahl geht das Heraustragen des Fahrrads aus Keller oder Garage zudem zeitlich wie auch aus Komfortsicht negativ ein, der vor der Haustür geparkte Pkw ist einfacher und schneller verfügbar. In manchen Garagen werden die Fahrräder über sogenannte Fahrradwandhalter an der Wand befestigt, zur Nutzung des Fahrrads muss oftmals vorher der Pkw heraus- und ggf. wieder hineinrangiert werden.

Um das Fahrrad aus der Rolle des Freizeit- oder Sportgeräts zu befreien und stärker in den Alltag zu integrieren, bietet es sich an, das Fahrrad an einem Ort zu positionieren, welcher nach dem Heraustreten aus dem Haus bzw. auf dem Weg zum Pkw passiert werden muss. Je schneller und bequemer die Fahrradfahrt am Wohnort beginnen kann, desto öfter wird das Fahrrad benutzt.

Darüber hinaus unterstützt die Umwandlung von Parkständen in Radabstellanlagen dem push and pull-Gedanken zur Verlagerung auf den umweltverträglichen und platzsparenden Radverkehr. Fahrbahneinengungen als geschwindigkeitsdämpfende Maßnahme der Verkehrsberuhigung könnten nicht nur mit Straßenbegleitgrün, sondern bei ausreichender Tiefe auch mit Radabstellanlagen versehen werden. Baumscheiben oder Pflanzflächen zur Ordnung des Parkraums könnten verlängert und ebenfalls mit Fahrradständern versehen werden.

Ein gutes Beispiel der Integration von Radabstellanlagen im öffentlichen Straßenraum bietet Kopenhagen:

Fahrradparken Radabstellanlage Kopenhagen Fahrradstraße Radverkehr
Fahrradstraße in Kopenhagen mit integrierten Radabstellanlagen – Foto: Benjamin Schneider @ QIMBYCC0 1.0

Die Frage der Vandalismus- und Diebstahlsicherheit stellt sich bei Radabstellanlagen im öffentlichen Raum häufig. Insbesondere beim Abstellen eines Fahrrads über Nacht ist mit einem entsprechenden Risiko verbunden. Dies sollte jedoch der Errichtung entsprechender Abstellanlagen nicht entgegenstehen. Zum einen ist eine Nutzung der subjektiven Risikobewertung jedes Einzelnen überlassen, zum anderen dürften vor allem geringwertige, aber dennoch verkehrssichere Fahrräder über Nacht im Freien abgestellt werden. Der alltägliche Komfort- und Zeitgewinn dürfte ungleich höher als ein singulärer möglicher Fahrraddiebstahl sein. Hinzu kommt eine einfachere und geordnete Abstellung durch Besucherinnen und Besuchern mit einer zumeist kurzen Abstelldauer.

Köln Radabstellanlage Radnadel öffentliche rStraßenraum
Die vorhandene Nachfrage nach in Ausführung und Zugang einfachen Radabstellanlagen zeigt sich durch deren intensive Nutzung – Foto: Martin Randelhoff @ QIMBYCC0 1.0

Die Nutzung von Stadtmobiliar wie Verkehrsschilder und Straßenleuchten, Bäumen und Baumschutzbügeln, Pollern, Geländern, Zäunen, etc. als Fahrradständerersatz ist häufig ein deutliches Zeichen für das Fehlen oder ein zu geringes Angebot an geeigneten Fahrradabstellanlagen im öffentlichen Raum. Besitzer hochwertiger Fahrrädern dürften insbesondere bei längerer Abstelldauer höhere Handlingkosten (Zeit, Komfortverlust, Umwege) in Kauf nehmen und eigene sichere Abstellmöglichkeiten besitzen.

Gladbeck Radabstellanlage Straßenraum Radständer
In den Straßenraum integrierte Fahrradabstellanlage in der Innenstadt von Gladbeck. Im Hintergrund Berliner Kissen zur Geschwindigkeitsreduktion. – Foto: Simon Preis @ QIMBYCCO 1.0

Die flächendeckende Errichtung überdachter und abschließbarer Radabstellanlagen in Wohnstraßen ist aus finanziellen wie auch aus Gründen der Einsehbarkeit und der zur Verfügung stehenden Flächen im Straßenraum unrealistisch1. Zudem bieten diese oftmals nur eine geringe städtebauliche Qualität.

Bei ausreichend Flächen im Seitenraum können punktuell überdachte Radabstellanlagen wie bspw. das standardisierte Hamburger Fahrradhäuschen errichtet werden, welche die sichere Unterstellung von bis zu 12 Fahrrädern ermöglichen.

Hamburger Fahrradhäuschen Radabstellanlage
Hamburger Fahrradhäuschen – Foto: An-d @ Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0

Zur weiteren Förderung des Radverkehrs als Alltagsverkehrsmittel sollte der Straßenraum nicht nur in dicht bebauten und innerstädtischen Wohnquartieren mit Radabstellanlagen versehen sein. Auch klassische Einfamilien- und Reihenhausgebiete sollten entsprechende Abstellmöglichkeiten im öffentlichen Raum aufweisen, auch wenn theoretisch in Garagen und Schuppen oder in Nebenräumen ausreichend Abstellflächen existieren.

Köln Radabstellanlage Parkstand Transformation
Einfach, günstig und schnell: Die Umwandlung von Parkständen zu Radabstellanlagen – Foto: Martin Randelhoff @ QIMBYCC0 1.0

Die Positionierung des Fahrrads als Alltagsverkehrsmittel und weniger als reines Sport- und Freizeitgerät bedarf eines schnellen und bequemen Zugangs sowie einer Verankerung im täglichen Bewusstsein. Durch einfache und günstige Maßnahmen lässt sich viel erreichen. Wenngleich private Stellplätze für den Radverkehr der Regelfall sind und auch sein sollte, sollten diese wie beim Kfz-Verkehr zusätzlich durch öffentliche Stellplätze ergänzt werden.

  1. Längsparkstände mit einer Parkstandsbreite von 2,10 Metern bieten keinen ausreichenden Bauraum, bei Senkrechtaufstellung dürften bauliche Anlagen Sichtverhältnisse zu stark einschränken.

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Moses
Moses
31. März 2017 13:20

“Wichtig sind m.M.n. jedoch auch sichere und wettergeschützte Abstellanlagen.” Ich finde auch, dass dieser Punkt noch mehr Relevanz verdient. In urbanen Vierteln mit vielen Altbauten, ohne Abstellmöglichkeiten im Innenhof, ist es für Mieter wirklich schwierig sich ein hochwertiges Fahrrad anzuschaffen. Bei uns sind ausreichend Bügel vorhanden, aber der Keller ist klein und eng, ich würde mir gerne ein hochwertiges Fahrrad anschaffen, tue es aber nicht, weil eine entsprechende Abstellmöglichkeit (die ich auch bezahlen würde) fehlt. Die Stadt Frankfurt hat hier z. B. ein Pilotprojekt mit Fahrradgaragen im öffentlichen Raum, aber meines Erachtens in viel zu kleinem Umfang und viel zu zögerlich in der Umsetzung.

Philipp Droste
Philipp Droste
27. März 2017 18:48

Schöner Artikel – das Thema wird sonst viel zu wenig beachtet, obwohl es sicher einen sehr großen Einfluß auf die Fahrradnutzung hat.

Wichtig sind m.M.n. jedoch auch sichere und wettergeschützte Abstellanlagen. Einfache Fahrradständer bzw. -bügel sind ein guter Anfang und für das Abstellen bis zu einigen Stunden gut geeignet. Jedoch werden sie nur selten dazu führen, daß jemand ein bisher umständlich in der Garage oder im Keller untergebrachtes Fahrrad nun nach draußen stellt. Zu groß wäre der Schaden durch Wettereinflüsse und die Gefahr von Diebstahl und Vandalismus. Die “Garagenfahrräder” werden also solche bleiben, solange es keine ebenso sichere Abstellmöglichkeit an der Straße gibt.

Sinnvoll wäre es, einfache Fahrradbügel dort aufzustellen, wo es um eher kurze Abstellzeiträume geht, z.B. vor Geschäften. Ergänzungen durch Fahrradboxen etc. sollten dort hinzukommen, wo Fahrräder länger stehenbleiben (z.B. an Bahnhöfen, an Arbeitsplätzen) und besonders in Gegenden mit einem hohen Anteil einigermaßen hochwertiger Räder (z.B. hügelige Städte, ländliche Regionen).

Norbert
Norbert
Reply to  Randelhoff Martin
18. Dezember 2017 18:22

In den EFH-Gebieten sehe ich primär Besucher als Zielgruppe. Dazu gehören im weitesten Sinne auch Lieferdienste.

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Verfasst von:

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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