Die Stadt Nijmegen (auch: Nimwegen) im Osten der Niederlande nahe der deutschen Grenze ist eine typische niederländische Mittelstadt. Die über 2.000 Jahre alte Hansestadt mit ihren rund 180.000 Einwohnern war Gaststadt der Velo-City Konferenz 2017, welche in Arnheim und Nijmegen stattfand.
Sie ist zudem eine der vielen Städte, über die in Sachen Radverkehr nicht viel geschrieben oder gesprochen wird. Dabei weist Nijmegen eine sehr hohe Qualität für Radfahrerinnen und Radfahrer auf. Dies zeigt sich zum einen im Titel der fahrradfreundlichsten Stadt der Niederlande, welchen die Stadt 2016 gewann (Fietsstad 2016). Zum anderen weist die Stadt einen hohen Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr auf:1
- In der Gesamtstadt wurden im Jahr 2005 37 % aller Wege bis 7,5 km mit dem Fahrrad zurückgelegt (Pkw-Selbstfahrer 24 %, 6 % Beifahrer)
- 64 % aller Pendlerfahrten bis 7,5 km erfolgen mit dem Fahrrad (2013; Pkw: 22 %)
- 65 % aller Wege in die Innenstadt werden mit dem Fahrrad zurückgelegt (2015)
Das Fahrrad erhöht seinen Anteil am Gesamtverkehr vor allem auf “Kosten” des motorisierten Verkehrs. So sank der Anteil des Pkw im Berufsverkehr (Wege bis 7,5 km) von 34 % im Jahr 2005 auf 22 % im Jahr 2013.
Grund für diese Entwicklung ist eine seit 15 Jahren andauernde konsequente Weiterentwicklung der Radverkehrsinfrastruktur innerhalb der Stadt wie auch ins Umland. So schließt sich mittlerweile ein engmaschiges Netz an Radwegen und Fahrradstraßen an die autofreie Innenstadt an. Der Innenstadtbereich wurde in den 1970er Jahren flächendeckend zur Fußgängerzone und seitdem schrittweise aufgewertet.
Versenkbare Poller stellen die Integrität des autofreien Bereichs sicher. Die Einfahrt ist Bussen, dem Lieferverkehr in den jeweiligen Lieferfenstern und Anwohnern zum Be- und Entladen vorbehalten.
Teile der Innenstadt von Nijmegen wurden im 2. Weltkrieg stark zerstört. Im Rahmen des Wiederaufbaus wurde das historische Straßennetz jedoch erhalten und Teile der Gebäude wiederhergestellt bzw. rekonstruiert.
Das ehemalige Bahnhofsgebäude wurde ebenfalls 1944 zerstört. Daher hat der Bahnhof Nijmegen 1954 ein neues Bahnhofsgebäude erhalten. Etwa 45.000 Reisende nutzen den Bahnhof pro Tag, etwa 43 % fahren mit dem Rad zum Bahnhof. 22 % der Fahrgäste fahren vom Bahnhof mit dem Fahrrad zu ihrem Ziel. Aus diesem Grund stehen im Bahnhofsumfeld über 10.000 Radabstellplätze zur Verfügung. Qualität wie Quantität der Abstellanlagen werden als zufriedenstellend betrachtet.
Nahe des Bahnhofs wurde beispielsweise unter der neuen Veranstaltungshalle für Popkonzerte, Doornroosje, eine neue geschützte und gesicherte Radabstellanlage für 4.000 Räder gebaut. Die bewachte Abstellanlage ist täglich 24 Stunden geöffnet und kann kostenfrei genutzt werden. Sie wurde nach neuesten Standards errichtet und kommt farbenfroh wie lichtdurchflutet daher. Die Doppelstockparker sind mit Sensoren ausgestattet, welche die Belegung wie auch die Belegungsdauer detektieren. Somit können Nutzende zu freien Abstellplätzen geleitet werden. Darüber hinaus erhält das Aufsichtspersonal Information über verlassene und zu lange abgestellte Räder, welche dann entfernt werden können.
Ebenfalls wurde die Zahl der wettergeschützten und gesicherten Radabstellanlagen im Stadtgebiet in den letzten Jahren erhöht. Straßenseitig wurde die Kapazität von 500 auf 2.700 erhöht, die Zahl der bewachten Radabstellplätze stieg von 360 auf 2.500 (Stand 2014).
Wichtige Verbindungen für den Radverkehr sind als vier Meter breite Zweirichtungsradwege ausgeführt. Radwege mit einem mittleren bis hohen Radverkehrsaufkommen erhalten teilweise Vorfahrt vor dem querenden motorisierten Verkehr. An Stellen mit sehr hohem Verkehrsaufkommen wird generell eine kreuzungsfreie Radverkehrsführung bevorzugt.
Mit dem “Rijnwaalpad” existiert eine 18 km lange regionale Radwegverbindung in die Nachbarstadt Arnheim. Der vier Meter breite “fietssnelweg” wurde von 2010 bis 2014 für insgesamt 17 Millionen Euro ausgebaut.
Wichtiger Bestandteil der Route ist die Snelbinder-Brücke über die Waal. In den Jahren 2002 bis 2004 befestigte man direkt an der existierenden Eisenbahnbrücke eine Überquerung für den etwa zwei Kilometer langen Fahrrad- und Fußgängerweg Snelbinder, der Nimwegen mit dem Stadtteil Lent verbindet.
Die Situation für den Radverkehr ist in Nijmegen für niederländische Verhältnisse besonders, da der östliche Teil der Stadt vergleichsweise hügelig ist. Auch im Innenstadtbereich existiert ein signifikanter Höhenunterschied.
Die attraktive Infrastruktur, das durchgängige Radwegenetz und die qualitativ hochwertigen Abstellanlagen machen die Nutzung dennoch attraktiv. In Kombination mit den umgesetzten push-Maßnahmen gegenüber des motorisierten Individualverkehrs entsteht ein rundes Bild, welches Nijmegen im Jahr 2016 auch den Titel der “Fietsstad 2016” einbrachte.
Alle Hauptstraßen sind mit separierten Radwegen versehen. Dort wird der Großteil des motorisierten Verkehrs gebündelt. 630 Kilometer Wohnstraßen dürfen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h befahren werden.
Zwischen 2012 und 2017 wurden sechs neue Unterführungen und eine Brücke für den Radverkehr gebaut. Sie ermöglichen eine sichere und direkte Querung von Straßen und natürlichen Hindernissen.
Der Bau von 79 Kilometer Radschnellwegen soll schnelle und sichere Verbindungen für den Radverkehr durch die Stadt ermöglichen. Das Zielnetz soll 2020 vervollständigt sein, Stand Juli 2017 sind 43 Kilometer errichtet und fünf Kilometer im Bau. In Zukunft dürfte sich die Situation des Radverkehrs in Nijmegen somit noch weiter verbessern.
Eventuell wird die Stadt international doch noch für die guten Bedingungen für den Radverkehr bekannt. Sie hinterließ zumindest Eindruck bei den internationalen Teilnehmenden der Velo-City Konferenz 2017.