Der technologische Fortschritt ist von Menschen geschaffen und daher auch in seiner Ausprägung durch die Menschheit kontrollierbar. Wenn beispielsweise die Digitalisierung und das “Internet der Dinge”, als ein wichtiger Megatrend der Gegenwart, einige Branchen und Industrien vor Herausforderungen stellt, ist dieser Wandel dennoch beherrschbar und kann entsprechend gestaltet werden. Weniger beherrschbar – und damit für die Zukunft von größerer Bedeutung – sind jedoch die nicht beherrschbaren Entwicklungen wie Bevölkerungswachstum, die demographische Entwicklung, der Klimawandel und die Urbanisierung. All diese Veränderungsprozesse hängen eng miteinander zusammen und repräsentieren die großen Herausforderungen der Zukunft.
Vor dem Jahr 1800 lebten weniger als zehn Prozent der Bevölkerung in Städten. Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung und wirtschaftlichen Entwicklung stieg der Anteil weltweit auf heute ungefähr 50 Prozent. Im Jahr 2.100 werden 75 – 80 Prozent der Weltbevölkerung in Städten unterschiedlichster Größe leben. Insbesondere in Asien und Afrika werden sich Städte und Metropolen stark wandeln. In den heutigen Entwicklungsländern steigt die durchschnittliche Einwohnerzahl einer Stadt von 2,5 Millionen auf 7,5 Millionen Einwohner. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bestehende Städte im Vergleich zu heute entweder um den Faktor 3 wachsen oder vollkommen neue Städte entstehen, welche den neuen Stadtbewohnern ein zu Hause und ein besseres Leben geben. Dies stellt natürlich die existierenden Infrastrukturen vor große Herausforderungen…
Neben der Binnenmigration innerhalb eines Landes bzw. eines Kontinents kommt es natürlich auch zu Wanderungsbewegungen zwischen den Kontinenten.
Die obige Infografik verdeutlicht die Wanderungsbewegungen zwischen und innerhalb der Weltregionen im Zeitraum 2005 – 2010. Die Grafik wurde von Guy Abel und Nikola Sander (Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)) mit Hilfe von Daten der Vereinten Nationen erstellt. Die Grafik ist Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung verschiedener Migrationsströme über die Zeit. 1 Seit 1995 blieb die Gesamtsumme an Personen, die von einem Land in ein anderes migriert sind, nahezu konstant. Starke Wanderungsströme sind insbesondere von Latein- nach Nordamerika, zwischen Süd- und Westasien sowie innerhalb Afrikas zu beobachten (siehe auch diese Ergebnisübersicht | Rohdaten zum Download).
Der Fokus verschiebt sich von Europa und Nordamerika zunehmend nach Asien und Afrika.
In den vergangenen zweihundert Jahren haben sich die Städte in Europa und Nordamerika grundlegend verändert. Ähnlichen Veränderungsprozesse – wenn auch in einem ganz anderem Umfang – sehen sich nun viele Städte in Asien und Afrika gegenüber. Während Europa von Stagnation geprägt ist, werden Asien und Afrika eine Urbanisierungswelle erleben und innerhalb weniger Jahrzehnte einer radikalen Veränderung mit all ihren positiven wie negativen Folgen ausgesetzt sein.
Welche Effekte ein starkes Bevölkerungswachstum haben kann, zeigen die folgenden Visualisierungen, welche die Flächeninanspruchnahme von Paris, London, Chicago, Los Angeles und São Paulo über die vergangenen 200 Jahre darstellen.
Paris, 1800 – 2000
Paris war bis zu Beginn der 1870er Jahre eine recht kompakte Stadt. Bevölkerungszuwächse gingen vor allem mit einer Erhöhung der Bevölkerungsdichte einher. In den 1870er Jahren begann ein steter Bevölkerungszuwachs. Mit der zunehmenden Motorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Umland erschlossen, in den 1950er und 1960er Jahren kam es zu einem Boom der Vororte und in den 1980er und 1990er Jahren zu einem starken Wachstum des Umlands.
London, 1800 – 2000
London wuchs bis 1845 hauptsächlich im Zentrum. Ab 1860 wurde zunehmend das Umland besiedelt. Zunächst schwach, bis Ende des 19. Jahrhunderts jedoch im zunehmenden Maße. Mit Aufkommen der Industrialisierung verdichtete sich ausgehend vom Stadtzentrum das Umland immer stärker und wuchs bis 1930 massiv an. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden auch um London eine Vielzahl von Vororten, die geschlossene Stadtfläche breitete sich immer weiter aus. Bis zum Jahr 2000 wuchs die Zersiedelung ebenso wie die Bevölkerungsdichte im Londoner Stadtgebiet kontinuierlich.
Chicago, 1850 – 2000
Chicago als vergleichsweise junge Stadt war bis 1870 vergleichsweise kompakt, wuchs dann aber in den Randbezirken sehr schnell. Wie in vielen US-amerikanischen Städten kam es in den 1920er Jahren zu einer rasanten Suburbanisierung, die in den fünfziger und sechziger Jahren nochmals an Fahrt aufnahm. Zwischen 1970 und heute nahm die Zersiedelung erneut rapide zu, Chicago erstreckt sich heute bis weit in die Region hinein.
Los Angeles, 1877 – 2000
Los Angeles erlebte mehrere Bevölkerungswellen. Eine kleinere in den 1920er Jahren, welche durch eine größere Bevölkerungswelle in den 1940er Jahren ergänzt wurde. Mit der zunehmenden Motorisierung wurde die Region um das ursprüngliche Stadtgebiet massiv besiedelt. In den 1970er und 1980er Jahren erfolgte eine weitere suburbane Besiedlungswelle, welche das heutige Erscheinungsbild Südkaliforniens nachhaltig geprägt hat.
São Paulo, 1881 – 2000
In São Paulo folgte auf eine schwache Bevölkerungszunahme am Ende des 19. Jahrhunderts ein Wachstums insbesondere des Stadtzentrums in den 1930er Jahren. Ähnlich wie andere Metropolen Südamerikas erfolgte eine massive Suburbanisierungswelle erst in den 1950er Jahren, welche durch weitere Wellen in den achtziger wie den neunziger Jahren ergänzt wurden.
Es dürfte sehr spannend sein, im Jahr 2100 auf die Entwicklung von Jakarta, Dhaka, Addis Abeba, Kairo, Bangkok, Guangzhou und vielen weiteren Städte, welche sich in den kommenden Jahrzehnten stark verändern werden, zurückzublicken.
- Abel & Sander (2014). Quantifying Global International Migration Flows. Science, 343 (6178). ↩