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Um die Erreichbarkeit von Haltestellen zu erhöhen und den Weg zur bzw. von der Haltestelle attraktiver zu gestalten, setzen ÖPNV-Anbieter verstärkt auf Kooperationen mit Fahrdiensten. Dies gilt insbesondere in den USA, wo in den vergangenen Jahren diverse Kooperationen insbesondere mit den Rideselling-Anbietern Uber und Lyft geschlossen wurden. Die Fahrten werden meistens durch die ÖPNV-Gesellschaften subventioniert und sind zu einem symbolischen oder stark rabattierten Preis nutzbar.
Eine Untersuchung der Kooperation von Uber und der Pinellas Suncoast Transit Authority in Pinellas County, Florida, von Reck und Axhausen (ETH Zürich) weist nun auf ein konzeptionelles Problem hin. Die first/last mile ridesourcing partnership “PSTA Direct Connect” ist die älteste derartige Kooperation in den USA. Sie ersetzte die flächige Erschließung durch zwei Buslinien, das ÖPNV-Angebot wurde auf einen Korridor eingekürzt. Nach zwei Jahren wird sie trotz eines Zuschusses von 5 USD / Fahrt jedoch nur von ~30 Fahrgästen am Tag genutzt. In den ersten sechs Monaten lag die Nutzerzahl unter 2 / Tag.
Die niedrige Nutzerzahl ist hierbei eher die Regel als die Ausnahme. Bridj beförderte in Kansas City im Schnitt nur vier Fahrgäste am Tag. Die Stadt Centennial (Colorado) beendete die Kooperation mit Lyft, da mit dem neuen Shuttleangebot pro Tag unter zehn Fahrgäste befördert wurden und die Partnerschaft mehr als das vorherige System kostete. Die niedrige Nachfrage wird häufig mit fehlender Bekanntheit und mangelndem Marketing begründet, Reck und Axhausen weisen jedoch auf ein strukturelles Problem hin.
Umstiege werden von Fahrgästen negativ bewertet – dies gilt auch für den Umstieg zwischen Fahrdienst und Bus. Nun lautet die Frage, wie viele zusätzliche Minuten Fahrzeit Fahrgäste in Kauf nehmen, um einen Umsteigevorgang zu vermeiden. Im Untersuchungsgebiet führte die Einführung des First/Last Mile Services zu einer durchschnittlichen Reisezeitersparnis von 15,7 Minuten. Der Umsteigewiderstand zu dem nun in einem Korridor verkehrenden Bus, der selten fährt und zudem verspätungsanfällig ist, ist vergleichsweise hoch. Je nach angesetztem Umsteigewiderstand (5, 10 oder 15 Minuten) schmilzt die wahrgenommene Reisezeitersparnis dahin (-54%, -82% bzw. -95%). Die Kombination Fahrdienst – ÖPNV wird somit im Vergleich zu einer langsameren Busdirektverbindung als nicht attraktiv angesehen, die Nachfrage nach der kombinierten Lösung bleibt niedrig.
Der Umsteigewiderstand hat strukturelle Auswirkungen. Er fällt wenig ins Gewicht, wenn große Distanzen wie bspw. zu Bahnhöfen überbrückt werden, wirkt aber intensiver, wenn es um die Überbrückung weniger Hundert Meter zur nahegelegenen Haltestelle (Bus, Straßenbahn, Stadtbahn, U-Bahn, u.ä.) geht. Es stellt sich somit die Frage, ob die für Randgebiete oftmals vorgesehene Kombination von Zubringershuttles und ÖPNV eine entsprechende Nachfrage generieren kann und es daher gerechtfertigt sein kann, die Erschließung mit Quartierslinien auf die Hauptachsen zu reduzieren. Ähnliche Fragen stellen sich auch in Hinblick auf erwartete Technologiesprünge wie bspw. automatisierte Shuttledienste. Wird es wirklich ein Feedermodell für den ÖPNV sein können oder ist von Kundenseite die Fahrt über die komplette Distanz nicht attraktiver? Dies gilt es näher zu untersuchen und zu beobachten.
Ich frage mich dann allerdings, wie man ganze polyzentrische Regionen mit Direktlinienbetrieb erschließen will. Solche Aufgaben kann man nur mit Umsteigevorgängen bezahlbar und realisierbar lösen. Wenn ich Berlin als Beispiel nehme, frage ich mich, wieso es eine Ringlinie als S-Bahn gibt, bei der die meisten Fahrgäste auch Umstiege vor oder hinter sich haben.
Daß man generell bei Erzeugung von Umsteigezwängen genau abwägen muß, ob dadurch mehr Vorteile oder Nachteile für den Fahrgast entstehen, und auch Subjektivität in die Rechnung mit einfließen läßt, sollte sich eigentlich von selbst verstehen.
Die Erschließung derzeit nicht erschlossener Gebiete durch ein On-Demand-System ermöglicht den Nachfrageaufbau. Wenn das On-Demand-System im Standardtarif enthalten ist, wird ein effizienter Anbieter bei Erreichen der Kapazitätsgrenze in diesem Bereich den liniengebundenen Verkehr ergänzen.
Somit kann On-Demand nicht nur zur Abschmelzung von Fahrgastnachfrage in derzeit noch mit Linienbetrieb bedienten Gebieten führen, sondern, wenn gewollt, auch den Nahverkehr insgesamt stabilisieren.
Das ist wirklich eine interessante und wichtige Frage, wie hoch der Umsteigewiderstand ist. Ob dieses Beispiel jetzt hilfreich ist, wage ich zu bezweifeln. Wenn hier ein “in einem Korridor verkehrenden Bus, der selten fährt und zudem verspätungsanfällig ist”, dann ist das doch kein Angebot, von dem ausgehend ich Forschung betreiben kann, wenn ich die Nutzung des Nahverkehrs insgesamt erhöhen will. Ich finde, man sollte dann eher ein Beispiel nehmen, wo es um die Zubringerdienste und den Umsteigewiderstand entlang eines qualitativ hochwertigen Nahverkehrs-Korridors geht.