Asien Eisenbahn Schienenverkehr

[Video zum Wochenende] Geschichte, Struktur und Performance des japanischen Bahnsystems nach der Bahnreform 1987

Zug in der Sakuranomiya Station in Ōsaka-shi - Clark Gu @ Unsplash.com - Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch die Unsplash-Lizenz
Die Bahnreform 1987 hat einschneidende Veränderungen für den japanischen Eisenbahnverkehr mit sich gebracht. Railways Explained erläutern und bebildern in ihrem Video Teile der vielfältigen Geschichte des Schienenverkehrs, die Bahnreform 1987 mit der daraus entstandenen heutigen Struktur, die unterschiedlichen Eisenbahnverkehrsunternehmen im Personenverkehr, den Zustand des Güterverkehrs sowie einen Ausblick auf die Zukunft des japanischen Bahnverkehrs. Dieser steht aufgrund der demografischen Veränderungen und des renditeorientierten Handelns der börsennotierten japanischen Bahngesellschaften insbesondere in der Fläche vor einigen Herausforderungen.

Der japanische Eisenbahnverkehr gilt gemeinhin als leistungsfähig und erfolgreich. Er ist in besonderem Maße durch die geographischen Gegebenheiten des Landes beeinflusst und profitiert von der hohen Bevölkerungsdichte auf den Hauptinseln Hokkaidō, Honshū, Kyūshū und Shikoku. International bekannt sind die Shinkansen-Verkehre sowie die große Verkehrsleistung der Vorortzüge im Großraum Tokio.

In Japan wurde am 12. Juni 1872 die erste Bahnstrecke von Tokio nach Yokohama eröffnet. Die Entwicklung des frühen japanischen Bahnnetzes erfolgt zunächst unter staatlicher Steuerung, Privatunternehmen durften nur Regionalstrecken errichten. Da die Investitionsmittel des Staates jedoch nicht ausreichten, wurden private Investitionen in Breite zugelassen. Um der militärischen Bedeutung des wachsenden Schienennetzes gerecht zu werden, ausländischen Einfluss zu begrenzen und wirtschaftlich vom wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg zu profitieren, wurde das Netz nach dem russisch-japanischen Krieg von 1904/05 verstaatlicht. Etwa 4527,2 km Privatbahnen fielen bis 1907 unter staatliche Kontrolle, während 23 Unternehmen mit rund 817 km Bahnlänge als Privatbahnen bestehen blieben.

Im Zuge der Expansion des japanischen Kaiserreichs kamen Bahnstrecken in den Kolonien Taiwan, Korea und der Mandschurei (Nordostchina) hinzu. Bis zum 2. Weltkriegs entwickelte sich die finanzielle Lage der japanischen Eisenbahnunternehmen positiv. Während des Krieges wuchs das japanische Bahnnetz stark an, für den Bau setzte der Staat in Japan und in den besetzten Gebieten Millionen von Zwangsarbeitern ein. Die Arbeitsbedingungen waren menschenunwürdig und gelten als Kriegsverbrechen. Durch die alliierten Luftangriffe auf Japan ab April 1942 wurde Schieneninfrastruktur insbesondere in den Ballungszentren zerstört, Züge verkehrten jedoch auch am Tag der japanischen Kapitulation.

Am 1. Juni 1949 nahm die Japanische Staatsbahn (JNR) ihre Tätigkeit auf. Das japanische Bahnnetz war teilweise zerstört, technisch veraltet und stieß wegen des einsetzenden Wirtschaftsbooms an Kapazitätsgrenzen. Mithilfe finanzieller Unterstützung des Staates wurde das Netz schrittweise ertüchtigt. Zudem musste die JNR die vormals in der Mandschurei tätigen Mitarbeiter übernehmen. Damit wuchs der Personalbestand auf über 600.000 Beschäftigte, die Personalkosten und Pensionsverpflichtungen stiegen stark an.

“Da die Tōkaidō-Hauptlinie  weiterhin an ihre Kapazitätsgrenzen stieß, trieb JNR-Präsident Sogō Shinji ab 1958 energisch das Projekt einer normalspurigen Hochgeschwindigkeitsstrecke voran. Ihre Finanzierung erfolgte unter anderem mit einem Darlehen der Weltbank. Das Budget wurde massiv überschritten: Sogō hatte die ursprünglichen Kostenschätzungen bewusst deutlich zu tief angesetzt, um die Zustimmung auf politischer Ebene zu erhalten. Als der Skandal 1963 aufflog, zog er die Konsequenzen und trat zurück. Dessen ungeachtet konnte die Tōkaidō-Shinkansen zwischen Tokio und Osaka am 1. Oktober 1964 nach fünfjähriger Bauzeit eingeweiht werden, womit Japan die weltweite Führungsrolle in der Eisenbahntechnologie übernahm.” (Wikipedia)

1972 begann der japanische Staat über die Japan Railway Construction Public Corporation (JRCPC), den Bau von privaten Bahnstrecken, die nicht der JNR gehörten, zu subventionierten. Bis zu diesem Zeitpunkt mussten Privatbahnen den Kapazitätsausbau weitgehend aus Eigenmitteln finanzieren.

1964 wiesen die JNR zu ersten Mal ein negatives Jahresbetriebsergebnis auf. “Verschiedene Sanierungspläne führten nicht zum Erfolg, da die Zustimmung des Parlaments für Tariferhöhungen ausblieb, der Ausbau des Netzes [insb. weiterer Shinkansen-Strecken] und die Stilllegung von Strecken eine politische Entscheidung darstellte und die Personalkosten nicht zuletzt durch Bezüge und Renten der Mitarbeiter der früheren Mandschurischen Eisenbahn unverhältnismäßig hoch waren.”1 Da die Regierung die Subventionen laufend kürzte, wurde der Schuldenberg immer größer und lag bei rund 37,1 Billionen Yen (ca. 260 Milliarden Euro). Die 1983 eingesetzte „Kommission zur Sanierung der Japanischen Staatsbahn“ empfahl die Privatisierung des Staatsbetriebs und seine Aufspaltung in sieben eigenständige Gesellschaften der JR-Gruppe. Dies wurde durch das japanische Parlament beschlossen und am 01. April 1987 umgesetzt.

Die Japanische Staatsbahn wurde in sechs nach Regionen gegliederte Personenverkehrsgesellschaften, eine Gütertransportgesellschaft, eine Organisation für die Verwaltung des Shinkansen-Netzes und eine vorübergehende Institution zur Durchführung der Liquidation (JNR Settlement Corporation) gegliedert. Von den drei Personenverkehrsgesellschaften auf Honshū (JR Central, JR East und JR West) konnte ein profitabler Betrieb erwartet werden, während man bei den vier anderen (JR Hokkaido, JR Kyushu, JR Shikoku und JR Freight) im günstigsten Fall von einem ausgeglichenen Betriebsergebnis ausging. JR Central, JR East und JR West sind erwartungsgemäß hochprofitabel und an der Tokioter Börse notiert. Die vier übrigen Gesellschaften sind indirekt weiterhin in Staatsbesitz und auf Unterstützung mittels Quersubventionierungen angewiesen.

Die Revision des Eisenbahngeschäftsgesetzes im Jahr 2000 liberalisierte den Schienenverkehr weiter und führte bei kleineren Privatbahnen vermehrt zu Streckenstilllegungen bzw. deren Ersatz durch Buslinien. Allerdings sind diese Stilllegungen auch auf den Bevölkerungsrückgang in ländlichen Gebieten zurückzuführen, der in den kommenden Jahren und Jahrzehnten anhalten dürfte. Der Fortbestand vieler Eisenbahnverkehre in ländlichen Regionen Japans ist somit ungewiss. Der Staat versucht dieser Entwicklung entgegenzuwirken, indem es seit 2007 die Möglichkeit gibt, lokale Verkehrsnetze zu unterstützen und unternehmensübergreifende Fahrscheinangebote einzuführen.

Railways Explained erläutern und bebildern in ihrem Video Teile der vielfältigen Geschichte des Schienenverkehrs, die Bahnreform 1987 mit der daraus entstandenen heutigen Struktur, die unterschiedlichen Eisenbahnverkehrsunternehmen im Personenverkehr, den Zustand des Güterverkehrs sowie einen Ausblick auf die Zukunft des japanischen Bahnverkehrs.

In einem weiteren Video geht Railways Explained auf die Geschichte und die verschiedenen Generationen des Shinkansen-Hochgeschwindigkeitsverkehrs ein, der das japanische Bahnsystem stark geprägt hat.

Verweise

  1. Schramm, H.-J. und Eberl, K. (2001): Privatisierung und Going Public von staatlichen Eisenbahnunternehmen. Versuch eines adaptiven Vergleichs zwischen Japan und Deutschland. Diskussionsbeiträge aus dem Institut für Wirtschaft und Verkehr 2/2001. Dresden: Institut für Wirtschaft und Verkehr, S. 30
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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