Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wurde folgende Vereinbarung getroffen: “Mit der Umsetzung der EU-Energiesteuerrichtlinie, die u. a. die steuerliche Angleichung von Dieselkraftstoff und Benzin vorsieht, werden wir die steuerliche Behandlung von Dieselfahrzeugen in der Kfz-Steuer überprüfen.” (S. 162) Doch was steckt dahinter?
Seit der letzten Energiesteuerreform im Jahr 2003 ist der Energiesteuersatz auf Diesel (47,04 ct/l) trotz des höheren Energie- und CO2-Gehalts des Kraftstoffs niedriger als der des Benzins (65,45 ct/l; für den Kontext siehe auch diesen Artikel zu CO2-Steuern und ausbleibenden Energiesteueranpassungen). Die Europäische Kommission plant zur Unterstützung der europäischen Klimaziele eine Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie. Sie soll zu dem Ziel beitragen, die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % zu senken. Kraft- und Heizstoffe sowie elektrischer Strom sollen in der EU zukünftig entsprechend ihren Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit besteuert werden.
Der von der EU-Kommission vorgelegte und sich noch in Erarbeitung befindliche Vorschlag sieht im Zeitraum 2023-2033 eine schrittweise Erhöhung des Mindeststeuersatzes für fossile Kraftstoffe auf 10,75 EUR/GJ (Euro / Gigajoule Energiegehalt) vor. Bei einem volumenbezogenen Heizwert von 34,7 MJ/L bei Dieselkraftstoff und 31,2 MJ/L bei Benzin1 entspricht dies einer Mindestbesteuerung von 37,3 Cent je Liter Diesel und 33,5 Cent je Liter Benzin. Bezogen auf das deutsche Energiesteuerniveau läge die Energiesteuer auf Dieselkraftstoff bei gleichbleibender Besteuerung von Benzin zukünftig bei 72,79 Cent je Liter statt wie bisher 47,04 Cent je Liter2 (+54,74 %). Ein Energiesteuersatz bezogen auf den CO2-Gehalt liegt in einer ähnlichen Größenordnung: Aktuell beträgt der Steuersatz für Diesel 179 Euro/tCO2 und der des Benzins 288 Euro/tCO2. Bei einer Anpassung müsste der Steuersatz für Diesel um 61 % auf 75,68 ct/l erhöht werden.
Bei Privatverbraucher:innen erhöht sich die effektive Steuerbelastung durch die Energiesteuer um die Mehrwertsteuer: Benzin aktuell 0,1244 Euro/l, Diesel aktuell 0,0894 Euro/l, Diesel zukünftig 0,1383 Euro/l. Die Gesamtsteuerbelastung eines Liter Dieselkraftstoffs würde für Privatverbraucher folglich um etwa 30,8 Cent/l auf 86,8 Cent/l steigen. Aufgrund der Größenordnung sollte die Steueranpassung schrittweise über mehrere Jahre erfolgen.
Eine weitere – aber aus verschiedenen Gründen eher unwahrscheinliche – Anpassungsmöglichkeit wäre eine auf den Energiegehalt bezogene Herabsetzung des Energiesteuersatzes auf Benzin bei gleichzeitiger Konstanz des Energiesteuersatzes auf Dieselkraftstoff. Er würde von 65,45 Cent/l auf 58,78 Cent/l sinken. Ein derartiges Vorgehen würde jedoch mit Steuerrückgängen in Milliardenhöhe einhergehen: Auf Grundlage der Absatzmenge von 2019 (17.965.914 Tonnen Benzin, umgerechnet 23.954.552.000 Liter) würden die Energiesteuerausfälle rund 1,6 Milliarden Euro zzgl. eines Rückgangs der Umsatzsteuereinnahmen auf Kraftstoffe um 300 Millionen Euro betragen. Der Gesamtrückgang läge somit bei rund 2 Milliarden Euro. Des Weiteren widerspräche eine Senkung der Energiesteuersätze auf fossile Kraftstoffe neben der fiskalischen Komponente diversen weiteren Zielen der Politik.
Verkehrliche Wirkung einer Erhöhung des Steuersatzes auf Dieselkraftstoff
Die äquivalente Besteuerung von Dieselkraftstoffen führt “zu einer Verteuerung des Diesels und somit zu einer Änderung der Wettbewerbsposition gegenüber alternativen Antrieben und Mobilitätsangeboten. Im Personenverkehr profitieren [..] direkte Wettbewerber von Diesel-Pkw (z. B. E-Pkw), aber auch alternative Verkehrsmittel (z. B. der öffentliche Verkehr). Ebenso profitieren Halter:innen von Diesel-Pkw mit geringer Fahrleistung, da die Reform der Kfz-Steuer die steigenden Kraftstoffkosten überkompensiert […]. Im Güterverkehr profitiert grundsätzlich die Schiene im Vergleich zur Straße. Außerdem werden klare Anreize für Hersteller geschaffen, den Umstieg auf alternative Antriebsarten und effizientere Fahrzeuge voranzutreiben. Halter:innen von Diesel-Pkw (insbesondere Vielfahrer:innen) und Spediteure mit Diesel-Lkw zahlen nach Abbau der Subvention höhere Energiesteuern.”3
Verteilungswirkung und Betroffenheit
Bezogen auf den Kraftstoffverbrauch der Einkommensdezile steigt der durchschnittliche Jahresverbrauch von Benzin und Diesel (in Kilowattstunden) im motorisierten Individualverkehr (MIV) je Person und Jahr mit dem Einkommen an: Das einkommensstärkste zehnte Dezil verbraucht rund 2,8 Mal so viel Benzin wie das erste und rund 7,5 Mal so viel Diesel. Vor allem in den beiden letzten Dezilen steigt der Verbrauch von Diesel sprunghaft an.
Der prozentuale Anteil der reichsten 10 % am Dieselverbrauch der Haushalte liegt bei über 20 %, der Anteil der ärmsten 10 % liegt bei 2,7 %. Reiche Haushalte profitieren somit überproportional von den aktuell geltenden Energiesteuersätzen für Benzin und Diesel.
Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. hat im Rahmen einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie die hypothetischen Energiesteuerausgaben pro Person und Jahr nach der Reform der Dieselbesteuerung sowie die Differenz zum Status Quo berechnet.4
Durch die Reform steigen die Ausgaben des ersten Einkommensdezils um 13 Euro pro Person und Jahr. Im zehnten sind es 96 Euro. Ein Abbau der Subvention würde zu mehr Steuergerechtigkeit zwischen den Kraftstoffen führen und hätte eine progressive Verteilungswirkung.
Energiesteuer und Kfz-Steuer
Die Energiebesteuerung von Kraftstoffen ist steuersystematisch eng mit der Kraftfahrzeugsteuer verknüpft: Die Hubraum-Komponente der Kfz-Steuer ist für Diesel-Pkw aktuell höher als für Benziner (9,50 ggü. 2,00 Euro je 100 cm³ Hubraum) und soll den niedrigeren Energiesteuersatz ausgleichen.5 Mit der geplanten Angleichung der Energiesteuersätze ist dieser Unterschied hinfällig, er sollte aus logischen wie auch aus Akzeptanzgründen abgeschafft werden.
Die Kfz-Steuer hat darüber hinaus in ihrer Lenkungswirkung und im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip systematische Defizite und sollte daher umfassend reformiert werden (dazu später mehr).
Verweise
- Hoinkis, J. (2015): Chemie für Ingenieure. Wiley-VCH: Weinheim. ↩
- § 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 EnergieStG ↩
- Beermann, A.-C.; Fiedler, S.; Runkel, M; Schrems, I.; Zerzawy, F. und Meyer, M. (2021): Zehn klimaschädliche Subventionen sozial gerecht abbauen – ein Zeitplan. Eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS): Berlin, S. 25 ↩
- Beermann, A.-C.; Fiedler, S.; Runkel, M; Schrems, I.; Zerzawy, F. und Meyer, M. (2021): Zehn klimaschädliche Subventionen sozial gerecht abbauen – ein Zeitplan. Eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS): Berlin, S. 26 ↩
- Beermann, A.-C.; Fiedler, S.; Runkel, M; Schrems, I.; Zerzawy, F. und Meyer, M. (2021): Zehn klimaschädliche Subventionen sozial gerecht abbauen – ein Zeitplan. Eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS): Berlin, S. 27 ↩
Sehr gute Zusammenfassung!
Ich arbeite in der Fachgruppe Verkehr bei German Zero und würde in einem Dokument zum Dieselprivileg gerne auf diese Quelle verweisen.
Joern@schaefertoens.de
Einfach machen…das braucht keine Genehmigung.
Viele Grüße
Martin Randelhoff