“REV – The Global Auto and Mobility Show” der Deutschen Welle berichtet in ihrem halbstündigen Beitrag “Cities For People: How Paris & Barcelona Learned Urban Planning From Groningen” über die Transformation verkehrsfunktional ausgestalteter Räume hin zu Bewegungs- und Interaktionsflächen für Menschen. Ausgehend von den zivilgesellschaftlichen Forderungen in den Niederlanden der 1970er Jahre, die Verkehrssicherheit zu steigern und Straßen nicht ausschließlich nach den Maßgaben des Kfz-Verkehrs zu planen, beginnt eine Reise durch mehrere europäische Städte.
Die in den 1930er Jahren aufkommende Profession des Verkehrsingenieurwesen fand ihre primäre Aufgabe in der Optimierung des Verkehrsflusses, sprich der Beschleunigung. Über mehrere Jahrzehnte ist ein Umfeld aus technischen Richtlinien, Regelungen und Rechtsakten entstanden, welches die Dominanz des motorisierten Verkehrs manifestiert und Straßenraum primär verkehrlichen Belangen widmet. Straßen wurden wenig nachhaltig, unsicher, wenig lebenswert und damit auch ungerecht. Über die Zeit hat sich eine verkehrsorientierte Vorstellung von Straße in den Köpfen der Menschen verfestigt, welche bis heute unser Denken bestimmt. Um eine andere Vorstellung von Straße und deren möglichen Nutzung zu schaffen, hilft es, mit Visualisierungen und Animationen Lust auf städtisches Leben und attraktive Stadträume zu machen. Voraussetzung hierfür ist ein Verständnis von Straßenräumen als Möglichkeitsraum, der nicht nur verkehrliche Bedürfnisse erfüllen soll. Vielmehr ist die Dominanz des Automobils zugunsten von Entfaltungsräumen für Menschen zurückzudrängen.
Groningen hat als Gegenentwurf zur rein ingenieurwissenschaftlich-technischen Planung bereits in den 1970er Jahren das Prinzip der menschenzentrierten Planung in den Mittelpunkt gestellt. Ein wichtiger Bestandteil für die Umgestaltung des Zentrums war der Verkeerscirculatieplan aus dem Jahr 1977, der die Innenstadt in mehrere Sektoren einteilte, die mit einem Pkw nur über eine Ringstraße erreicht werden können. Der Durchgangsverkehr wurde so aus dem Innenstadtbereich herausgenommen, Flächen für eine umfassende Umgestaltung der öffentlichen Räume freigemacht.
Nach einem ähnlichen Prinzip befreit Barcelona aktuell große Teile des Stadtgebiets vom Pkw-Verkehr. Die Zusammenfassung mehrerer Wohnblöcke zu Superblocks, die Herausnahme des Durchgangsverkehrs und Umgestaltung der Straßenräume und entstehenden Plätze wertet den öffentlichen Straßenraum nachhaltig auf. Es entstehen Straßen, in denen die Menschen die Protagonisten sind und Autos die Gäste.
Eine andere Stadt, die in den vergangenen Jahren das Narrativ verändert und dadurch die Grundlage für eine schrittweise Umgestaltung der öffentlichen Räume gelegt hat, ist Paris. Einzelne Projekte mit einer hohen Symbolkraft – wie bspw. die Sperrung des Seine-Ufers für den Kfz-Verkehr oder die ab 2024 geplante Umgestaltung der Champs Élysées werden durch eine Vielzahl kleinerer Projekte ergänzt, die das alltägliche Leben der Pariserinnen und Pariser besser machen.