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Wie Ramsauer Staus bekämpfen will und wie er dabei versagt

Bundesverkehrsminister Ramsauer hat vor kurzem den „Projektplan Straßenverkehrstelematik 2015“ vorgestellt. Dieser soll dabei helfen, Staus auf Autobahnen zu verringern und stark belastete und unfallträchtige Autobahnabschnitte zu entlasten.

Durch eine aktive und passive Streckenbeeinflussung soll der Verkehrsfluss besser gesteuert werden. Gering genutzte Streckenabschnitte sollen stärker ausgelastet werden. Der Plan ist, dass durch eine ganze Reihe von Maßnahmen die Leistungsfähigkeit des deutschen Autobahnnetzes zwischen 10% und bis zu 30 % gesteigert wird.

Dies ist auch dringend notwendig.

Der IST-Zustand und die zukünftige Entwicklung des LKW-Verkehrs in Deutschland

Bis zum Jahr 2025 soll der LKW-Verkehr auf deutschen Straßen weiterhin stark wachsen. Manche Studien gehen von einer Zunahme von 95 Prozent bis zum Jahr 2025 (Basisjahr: 2005) aus. Bereits heute werden über siebzig Prozent des Gesamttransportleistung in Deutschland mit dem LKW abgewickelt. Die Eisenbahn kommt im Vergleich nur leicht über 16%.

Gesamttransportleistung Deutschland LKW Bahn Schiff Flugzeug AuslandAnteile an der Gesamttransportleistung in Deutschland 2009 (in Milliarden Tonnenkilometern) – Quellen: StBA, Wiesbaden; Intraplan, München und Berechnungen des BGL – Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V.

In einem Gemeinschaftsprojekt von Verkehrswissenschaftlern aus Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, mobilitätsbezogenen Unternehmen sowie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, acatech, berechnet, wie stark die Verkehrszunahme bis zum Jahr 2020 ausfallen wird. Der Pkw-Verkehr wird danach um 20 Prozent wachsen. Für den Lkw-Verkehr beträgt die entsprechende Zunahme sogar 34 Prozent. Diese Entwicklung betrifft neben den Autobahnen insbesondere die Wachstumsregionen des so genannten C-Bereichs (Hamburg, Ruhrgebiet, Frankfurt Rhein/Main, Mannheim, Stuttgart/Karlsruhe, München) sowie Berlin mit dem Speckgürtel. Andere Regionen, etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg, weisen hingegen eine stagnierende oder abnehmende Verkehrsbelastung auf, die mit einem geringen Wirtschaftswachstum und dem Rückgang der Bevölkerung einhergeht.

Die Entwicklung der Fahrleistung im Straßengüterverkehr in Deutschland von 1952 bis 2007 (in Milliarden Kilometer) zeichnet auch kein versöhnliches Bild:

Fahrleistung Straßengüterverkehr Deutschland 1952-2007Fahrleistung in Milliarden Kilometer von 1952 bis 2007 – Daten: Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V., Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung – Statista

Die Transportleistung in Milliarden Tonnenkilometern ist in Deutschland auch stets gestiegen. Tonnenkilometer (tkm) ist ein Maß für die Beförderungsleistung von Gütern und Personen, die so genannte Transportleistung. Sie bemisst sich an dem Produkt der transportierten Masse in Tonnen (t) und der dabei zurückgelegten Wegstrecke in Kilometern (km).
Bis 1990 sind die Daten laut Quelle ohne Lkw im Werkfernverkehr bis 4 t Nutzlast und Zugmaschinen bis 40 kW berücksichtgt; ab 1991 ohne deutsche Lkw bis 6 t zGG oder 3,5 t Nutzlast; bis 1990 ohne grenzüberschreitenden Güternahverkehr und ohne freigestellten Nahverkehr; ab 1999 mit bisher nicht erfassten Transporten wie Abfall, Lebende Tiere usw.

Transportleistung Straßengüterverkehr Deutschland 1952 2008 LKWTransportleistung in Milliarden Tonnenkilometer von 1952 bis 2008 – Daten: Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V., Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, ifo Institut für Wirtschaftsforschung Statista

Nach groben Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums entstehen durch Staus jährlich ein volkswirtschaftlicher Verlust von rund 100 Milliarden Euro. Dies zeigt also, dass dringender Handlungsbedarf gegeben ist.

Ramsauers Plan

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer möchte dieser Entwicklung vorgreifen. Bereits heute herrscht an vielen Autobahnabschnitten in akuter Mangel an LKW-Stellplätzen. Diese sind notwendig, damit die LKW-Fahrer ihre gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten einhalten können. Des Weiteren müssen genügend Abstellflächen für die Einhaltung des Sonntag-Fahrverbots vorhanden sind.

An hochbelasteten Autobahnabschnitten in Deutschland wird bereits Verkehrstelematik eingesetzt. So sind bereits 1.225 Kilometer Autobahn mit Streckenbeeinflussungsanlagen ausgerüstet. Diese warnen Auto- und LKW-Fahrer mit wechselnden, leuchtenden Anzeigen über den Fahrspuren vor Staus, Unfällen, Baustellen oder Gefährdungen wegen schlechten Wetters und zeigen, abhängig von der aktuellen Verkehrssituation, Geschwindigkeitsbeschränkungen und LKW-Überholverbote an.

Bis 2015 sollen weitere 1.000 Kilometer Autobahn mit solchen Streckenbeeinflussungsanlagen ausgerüstet werden.

Etwa 200 Wechselwegweisungsanlagen existieren in Deutschland vor Autobahnkreuzen, -dreiecken und -anschlussstellen.Diese dynamischen Verkehrszeichen können je nach Bedarf unterschiedliche Zeichenkombinationen oder Richtungsangaben anzeigen. Anbei ein Bild des Verkehrsleitsystems Nürnberg, welches das größte in Europa ist.

Wechselwegweisungsanlage Bundesautobahn 6 (BAB A 6), Autobahnkreuz Nürnberg-Süd (A 6/A 73) in Fahrtrichtung OstenWechselwegweisungsanlage auf der Bundesautobahn 6 (BAB A 6), Autobahnkreuz Nürnberg-Süd (A 6/A 73) in Fahrtrichtung Osten

Bis 2015 sollen 90 weitere Standorte solche Anlagen bekommen.

Um kurzfristig die Kapazität gewisser Autobahnabschnitte erhöhen zu können, sollen temporär die Seitenstreifen freigegeben werden. Derzeit ist dies auf 210 Kilometern möglich. Bis 2015 sollen weitere 350 Kilometer mit Anlagen zur temporären Seitenstreifenfreigabe ausgestattet werden.

Als vierte Maßnahme soll der Zufluss an Autobahnauffahrten geregelt werden (auch Ramp Metering genannt). Bisher existieren etwa 100 Anlagen, die meisten davon in Nordrhein-Westfalen. Bis 2015 sollen rund 30 weitere Anschlussstellen mit Anlagen zur Zuflussregelung ausgestattet werden.

Eine solche Anlage funktioniert folgendermaßen: Eine Lichtsignalanlage (LSA) auf der Zufahrtsrampe wird aktiviert, wenn aufgrund hohen Verkehrsaufkommens eine sichere und leistungsfähige Verkehrsabwicklung sowohl auf der Hauptfahrbahn der BAB als auch im Verflechtungsbereich mit dem zufließenden Verkehr aus dem nachgeordneten Netz nicht mehr gewährleistet ist. Die LSA schaltet dann für jedes einzelne Fahrzeug die Einfahrt, d.h. die Auffahrt auf die Autobahn, frei. Der Zeitabstand zwischen zwei Fahrzeugen ist davon abhängig, wie viel Zufluss der Verkehr auf der Hauptfahrbahn zulässt. Dadurch können Unfälle effizient verhindert werden, die Rückstauungen vermindert und die Geschwindigkeitseinbrüche relativ gering gehalten werden.

Übersichtskarte mit allen geplanten, in Bau befindlichen oder bereits existierenden Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf deutschen Bundesautobahnen:

Karte Projektplan Straßenverkehrstelematik 2015 Autobahnen Freigabe Standsreifen Einsatz von Telematik Verkehrsbeeinflussung Anlagen RamsauerIm Rahmen des Projektplans werden rund 75 Millionen Euro für 30 Projekte bereitgestellt, die derzeit bereits realisiert werden. Rund 133 Millionen Euro werden für 32 Projekte zur Verfügung gestellt, die sich noch im Stadium des Vorentwurfs befinden. Im Programmzeitraum stehen weitere 92 Millionen Euro für Projekte im Stadium der Voruntersuchung zur Verfügung.

Fazit

Ich bin niemand der Pauschalkritik übt. Ich bin auch niemand, der einfach nur meckert ohne konstruktive Vorschläge zu bringen. Ich möchte auch die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen nicht in Frage stellen. Dazu kenne ich die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und Umstände zu wenig und außerdem ist jede dieser Einzelmaßnahmen sicherlich sinnvoll und gerechtfertigt.

Nur: es ist mir zu wenig.

Ich finde es von unserem Bundesverkehrsminister sehr löblich, dass er die Probleme zu lösen versucht, bevor sie anfangen. Ich fürchte aber, dass die Menge an Verkehr, die in den nächsten Jahrzehnten auf uns zurollt, unterschätzt wird. Diese Maßnahmen werden das zunehmende Transportvolumen nicht alleine auffangen können. Eine Steigerung der Kapazität zwischen 10% und bis zu 30 % ist eindeutig zu wenig.

Ich bin auch keineswegs für den Neu- und Ausbau von Autobahnen. Ich bin für eine Trendwende in der deutschen und europäischen Verkehrspolitik. Ich würde gerne eine dynamische LKW- und PKW-Maut sehen, die auf Autobahnen und Teilen von Bundesstraßen anfällt. Das kilometerabhängige Nutzungsentgelt sollte von der Streckenauslastung, der Tageszeit, den Emissionswerten des Fahrzeuges sowie des Autotyps (Kleinwagen bezahlen weniger als SUVs) abhängen.

Des Weiteren benötigen wir eine verstärkte Verlagerung von Gütertransporten auf die Schiene und die Wasserwege. Möglichkeiten und Wege zur schnellen LKW-Verladung bestehen bereits oder sind schon seit längerem einsatzfähig. Durch steuerliche Anreize, einer Förderung von KV-Anlagen und -Verkehren sowie der Schlechterstellung des herkömmlichen LKW-Verkehrs müsste sich eine Verkehrsverlagerung durchführen lassen. Notfalls muss die Möglichkeit von LKW-Verkehren auf gewissen Autobahnabschnitten zu gewissen Tageszeiten eben eingeschränkt werden.

Diese ganzen Maßnahmen müssen allerdings in Kooperation mit der Europäischen Union durchgeführt werden, um Probleme mit den EU-Prinzipien eines freien, nicht diskriminierenden Warenverkehrs zu vermeiden.

Ich schlage dies jetzt nicht vor, weil ich LKW-Verkehre nicht mag, sondern weil diese Maßnahmen notwendig sind. Um einem Verkehrskollaps vorzubeugen.

Anonymous

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Zukunft Mobilität hat den Grimme Online Award 2012 in der Kategorie Information erhalten. Ich möchte mich bei all meinen Lesern für die Unterstützung bedanken!

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Zukunft Mobilität hat den PUNKT 2012 der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in der Kategorie "Multimedia" gewonnen.

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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