Die Entscheidung von Herr Ramsauer mit einer Ausnahmegenehmigung überlange LKW bundesweit auf Autobahnen zu erlauben, hat mich ein wenig sprach- und fassungslos gemacht. Selten hat ein Bundesverkehrsminister so einseitig einen bestimmten Verkehrsträger bevorzugt wie Herr Ramsauer (CSU) die Straße und die darauf fahrenden LKW.
Peter Ramsauer auf dem International Transport Forum 2011 in Leipzig – OECD/ITF, Marco Urban, Marc-Steffen Unger, Simone Neumann – CC BY-NC-ND 2.0
Mit der Ankündigung mit einer Ausnahmegenehmigung Gigaliner bundesweit auf Autobahnen zuzulassen, hat Ramsauer nicht nur eine in unserem föderalen System fragwürdige Entscheidung getroffen sondern auch seiner LKW-freundlichen Politik, die auf andere Verkehrsträger übrigens negative Effekte haben dürfte, voll entsprochen.
Das Aufkommen [des Güterverkehrs] wird gewaltig zunehmen. Und richtig ist auch, dass unser Straßennetz diesen Zuwachs nicht wird verkraften können. Wir müssen ihn deshalb möglichst vollständig auf die Schiene bringen. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Das heißt nämlich, dass wir unser Schienennetz effizienter nutzen und massiv ausbauen müssen. Zudem brauchen wir völlig neue Strecken.
Peter Ramsauer in der Süddeutschen Zeitung vom 24. Dezember 2009
Kurz nach seiner Amtsübernahme im Jahr 2009 sprach Ramsauer noch von einer absoluten Vorfahrt für die Schiene und einen massiven Ausbau des Schienennetzes um die in den nächsten Jahren wachsende Verkehrsmenge in Deutschland bewältigen zu können. Insbesondere im Zu- und Ablauf der Seehäfen oder wichtigen Eisenbahnknoten weist das Schienennetz bereits heute eine Auslastung nahe der Kapazitätsgrenze auf. Unterstellt man die prognostizierten Verkehrszuwächse (etwa 213 Mrd. tkm im Schienengüterverkehr 2025, 2009: 95,8 Mrd. tkm 1), entstehen hier auf Jahre Flaschenhälse, die die Kapazität des gesamten deutschen Schienengüterverkehrs beeinträchtigen.
Entwicklung des gesamten Personenverkehrs nach Verkehrszweigen – Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025 – Intraplan Consult, in Auftrag gegeben durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Entwicklung des gesamten Güterverkehrs nach Verkehrszweigen – Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025 – Intraplan Consult, in Auftrag gegeben durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Nach bald zwei Jahren im Amt muss man allerdings feststellen, dass sich Ramsauer in seinem Handeln vor allem als eines geoutet hat: als Freund der LKW-Lobby.
Wir müssen den Einstieg in einen eigenen Finanzierungskreislauf Straße schaf- fen. Nur: Im Zusammenhang damit muss auch die Frage beantwortet werden, woher ich dann die 30 Prozent bezahle, die aus der Lkw-Maut in die Schiene gehen […] Ich kann nicht einfach ein Loch aufreißen und die Frage nicht beantworten, wie ich das wieder zumache.
Peter Ramsauer in „trans aktuell“ vom 5. Februar 2010
Dies lässt sich anhand einiger Beschlüsse der Bundesregierung und insbesondere des “Aktionsplan Güterverkehr und Logistik – Logistikinitiative für Deutschland” leicht darlegen.
Im September 2010 beschloss das Kabinett die Rücknahme der bereits beschlossenen Mauterhöhung für veraltete LKW (Schadstoffklasse Euro III), die ab 2011 gelten sollte. Geplant war ursprünglich die Mautsätze der Kategorie C, der auch Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro III zugeordnet sind, automatisch um 2 Cent pro Kilometer zu steigern. Des Weiteren sollte die Maut für Lkw mit der Euro-4- und Euro-5-Norm sinken. Dadurch sollten Anreize zur Erneuerung der LKW-Flotte gegeben werden und der LKW-Verkehr ein wenig umweltfreundlicher werden.
Eine weitere Entscheidung pro-LKW war der Beschluss bis 2012 über 8000 neue Parkplätze an Rasthöfen entlang der Bundesautobahnen zu bauen. Dafür stellt der Bund den Ländern jährlich über 130 Millionen Euro zur Verfügung. Natürlich muss man hier einschränkend anmerken, dass die Parkplatzsituation für LKW an deutschen Autobahnen katastrophal und vor allem gefährlich ist. Hier musste dringend Abhilfe geschaffen werden, langfristig werden aber auch neue LKW-Stellplätze die zunehmende Verkehrsmenge im LKW-Verkehr nicht absorbieren können.
Ein weiteres Ärgernis auf deutschen Autobahnen sind die sogenannten Elefantenrennen. Ein generelles Überholverbot für LKW, bzw. ein partielles Überholverbot auf zweispurigen Autobahnabschnitten, könnte hier entgegenwirken und die Zahl der Unfälle verringern. Zur Zeit geschieht jeder vierte Lkw-Unfall beim Überholen. Bei jedem dritten Lkw-Unfall sind Schwerverletzte und Getötete zu beklagen. Zwar drischt Ramsauer von Zeit zu Zeit (insbesondere zur Hauptreisezeit) in bester populistischer Manier auf die LKW-Fahrer und ihr Überholverhalten ein, ohne aber die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
Natürlich muss man auch hier einschränken, dass “Elefantenrennen” rein rechtlich gesehen bereits heute verboten sind, denn auch für Lkws gilt die Vorschrift, dass stets nur “zügig” überholt werden dürfe. Dies ist aber auf der einen Seite nur schwer zu kontrollieren und an manchen Stellen und zu gewissen Zeiten kann ein Überholmanöver durch einen LKW den Verkehr sogar beschleunigen. Denkt man aber auch hier ein wenig vorausschauend, so stellt sich die Frage wie LKW-Überholmanöver bei einer wachsenden Verkehrsmenge in Zukunft rechtlich ausgestaltet werden sollen. Eventuell sollte Herr Ramsauer doch einmal über den heiligen Gral “Begrenzung der maximalen Geschwindigkeit auf deutschen Autobahnen” nachdenken. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Stundenkilometer für PKW könnte den Verkehr insgesamt flüssiger fließen lassen und Staus vermeiden (zum Thema Stauforschung empfehle ich diesen Artikel). Dies würde wegen der geringeren Geschwindigkeitsdifferenz zwischen PKW- und LKW-Verkehr letzteren beschleunigen.
Teilweise muss ich Herrn Ramsauer sogar ein wenig in Schutz nehmen. Die Ablehnung einer allgemeinen Winterreifenpflicht für LKW mag zwar bei manchem Verwirrung auslösen, schließlich gilt für PKW eine Winterreifenpflicht. Allerdings ist die Fahrphysik eines LKW eine vollkommen andere. Für schwere Nutzfahrzeuge (Busse und LKW) der Fahrzeugklassen M2, M3, N2 und N3 müssen nur auf den Antriebsachsen Winterreifen aufgezogen werden. Der Grund ist, dass die Reifen an den übrigen Achsen aufgrund von erhöhten Naturkautschukanteilen bessere Haftungseigenschaften als PKW-Sommerreifen haben und daher grundsätzlich für den Ganzjahreseinsatz geeignet sind. Durch den höheren Rollwiderstand von Winterreifen könnte ein LKW bei vollständiger Winterbereifung sogar schlechtere Beschleunigungswerte auf verschneiten Straßen haben als ohne. Allerdings erfüllen auch nach der Novellierung der entsprechenden Paragraphen auch Ganzjahresreifen beziehungsweise Allwetterreifen weiterhin die Anforderungen an einen Winterreifen. Hier wäre eine Verschärfung eventuell angebracht gewesen. Aber was will man erwarten? Schließlich ist der Begriff “Winterreifen” immer noch nicht eindeutig definiert.
Problematisch an dieser Regelung ist weiterhin, dass im Winter zwar viele LKW an Steigungen hängen bleiben und den Verkehr beeinträchtigen. Das größere Gefahrenpotential besteht allerdings beim Abbremsen. Durch eine vollständige Winterbereifung ließe sich der Bremsweg um bis zu 50 Prozent verkürzen, da die Bremskraft meist über die Vorderräder auf die Straße gebracht wird, so eine Studie des Deutschen Anwaltvereins (leider nicht online zu finden).
Auf der Positivseite ist ebenfalls die Ausweitung der LKW-Maut auf vierstreifige Bundesstraßen zu vermerken. Nach der Einführung der LKW-Maut auf deutschen Autobahnen, sind gewisse Bundesstraßenabschnitte als Ausweichstrecken für eine Mautflucht geworden. Des Weiteren ist ein Unterschied zwischen vierstreifigen Bundesstraßen und Autobahnen oftmals nicht mehr zu erkennen. Allerdings hapert es derzeit noch massiv an der Umsetzung.
Viel gravierender für die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes ist allerdings, dass Ramsauer an wenigen Prestigeprojekten wie den Bahnhofsneubau Stuttgart 21 mit der neuen ICE-Trasse von Wendlingen nach Ulm oder an der Hochgeschwindigkeitsstrecke Berlin-Nürnberg festhält. Natürlich hat Herr Ramsauer einen nur geringen Spielraum, was diese Projekte angeht. Dennoch macht er dieselben Fehler wie seine Vorgänger, einen Großteil der zu vergebenden Bundeszuschüsse in einige wenige Prestigeprojekte wie die Y-Trasse, eine Neubaustrecke zur Aufnahme des Schnellverkehrs von Hannover über Walsrode nach Hamburg und Bremen (deren Nutzen übrigens stark umstritten ist) oder den Ausbau der Strecke Ludwigshafen (Mannheim) – Saarbrücken zu stecken, anstatt wichtige Lücken im deutschen Schienennetz zu schließen. Kapazitätsengpässe für den deutschen Schienengüterverkehr werden vor allem in folgenden Korridoren befürchtet:
- Rheinschiene: Abschnitt Köln – Mannheim, heute 300 Güterzüge; Abschnitt Karlsruhe – Basel, heute 200 Güterzüge.
- Nord-Süd-Achse Hamburg/Bremen – Hannover – Würzburg mit bis zu 250 Zügen
- Ost-West-Route Hamm – Hannover – Polen/Tschechien
- Gemünden – Regensburg – Passau Richtung Südosteuropa
- München – Kufstein
Der Bundesrechnungshof stellte im März 2007 fest, dass die Bundesschienenwege unter einem erheblichen Sanierungsstau litten. Insbesondere die Instandhaltung, die bei der DB AG als ergebnisrelevanter Aufwand zu Buche schlägt, würde massiv vernachlässigt. Dies betrifft vor allem die Nebenstrecken, die von den mangelhaften Instandhaltungsanstrengungen in ihrer Kapazität beeinträchtigt sind (Langsamfahrstellen).
Die Studie “Schienennetz 2025/2030 Ausbaukonzeption für einen leistungsfähigen Schienengüterverkehr in Deutschland” (PDF, 180 Seiten, 43 MB) der KCW GmbH für das Umweltbundesamt hat das notwendige Investitionsvolumen für einen wettbewerbsfähigen Schienengüterverkehr in den Jahren 2025 / 2030 untersucht.
Das Hauptaugenmerk wurde hierbei nicht auf den Neu- oder Ausbau von Strecken, sondern auf die Möglichkeiten zur Erhöhung der bestehenden Trassenkapazität gelegt. Die größte Hebelwirkung sehen die Autoren in der konsequenten Optimierung der Leit- und Sicherungstechnik (dichtere Blockteilung, konsequente Migration von LZB, Ermöglichung des Parallelbetriebs einer zweigleisigen Strecke und Ermöglichung von “fliegenden Überholungen”), Rechnerunterstützung bei Netzplanung, Trassenplanung, Trassenvergabe und Zugdisposition im Fern- und Ballungsnetz, ein verbessertes Baustellenmanagement und der stärkeren Angleichung der Geschwindigkeiten (geschätzter Kapazitätszuwachs insgesamt: 20 Mrd. tkm). Dagegen sehen sie das Potenzial von viel diskutierten Maßnahmen wie der Erhöhung der zulässigen Zuglänge (“1.000-m-Züge”) oder der Umstellung auf Doppelstockcontainer aufgrund der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen (Erhöhung des Lichtraumprofils, Verlängerung der Überholungsgleise, Signalabstände, etc,) als gering an (vgl. S.16). Wichtig ist des Weiteren die Elektrifizierung von Bypass-Strecken die Vorhaltung bzw. Wiedererrichtung von Nebengleisen/ Überleitstellen, Kreuzungsbahnhöfen und Weichen sowie das Herstellen niveaufreier Ein- und Ausfädelungen in den Knoten (geschätzter Kapazitätszuwachs: 30 Mrd. tkm). Als umsetzbar angesehen wird in der verbleibenden Zeit jedoch nur eine Kapazitätssteigerung von 35 Mrd. tkm. Die restlichen 48 Mrd. tkm Kapazität, die bis zum Jahr 2025 im deutschen Schienennetz zur Verfügung stehen müssten, können nur durch gezielte Ausbaumaßnahmen hergestellt werden. Um Engpassstellen zu beseitigen, schläft KCW die Bündelung des Verkehrs und die Schaffung von sechs Hochleistungskorridoren vor. Dies sind im Einzelnen:
- Der Korridor A folgt im Groben dem Verlauf der Elbe von Hamburg bis Dresden fürVerkehre nach Tschechien und teilweise Südosteuropa mit Ästen nach Polen über Berlin — Frankfurt (Oder) bzw. Hoyerswerda— Horka. Er trägt einen wichtigen Teil des Seehafenhinterlandverkehrs des Hamburger Hafens.
- Jade-Weser-Port – Bremen – Uelzen (hier zusätzliche Aufnahme von Verkehren aus Richtung Hamburg) – Stendal – Magdeburg – Leipzig – Reichenbach – Hof – Regensburg – Mühldorf – weiter Richtung Salzburg und München. Ziel ist es, die traditionelle Hauptschlagader des Güterverkehrs Hannover — Würzburg in Nord-Süd-Richtung (Korridor C) zu entlasten.
- Der Korridor C bildet die Nord-Süd-Transversale zwischen den norddeutschen Seehäfen und Österreich/Norditalien. Der Hauptlauf zwischen Hannover und Fulda bzw. Würzburg zählt neben der Rheinschiene zu den beiden Hauptschlagadern des deutschen Schienengüterverkehrs,weil bis zum Abzweig in Fulda die Verkehre Richtung Rhein-Neckar — Schweiz (siehe G) und bis Gemünden die südosteuropäischen Transporte über Regensburg — Passau (siehe E) zusätzlich die Kapazität belasten.
- Die aufkommensstärksten Streckenabschnitte im deutschen Schienengüterverkehr werden im Korridor D gebündelt. Dieser verläuft von der deutsch-niederländischen Grenze zu einem Großteil am Rhein entlang bis Basel und ist damit Teil der europäischen Verkehrs- und Industrieachse England — Rotterdam — Rhein-Ruhr — Rhein-Main — Rhein-Neckar —Schweiz mit künftiger Weiterführung über die Schweizer NEAT nach Norditalien (Mailand). Korridor D trägt die schienenseitige Hauptlast der ARA-Seehäfen (Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen), bindet aber auch die wichtigsten Quell- und Zielräume der Transporte inländischer Industrieunternehmen mit ein.
- Korridor E ist mit Korridor D im nördlichen Abschnitt entlang des unteren Rheintals identisch, ehe er im Ballungsraum Rhein-Main abzweigt und über Aschaffenburg— Gemünden — Nürnberg — Regensburg— Passau Richtung Südosteuropa verläuft. Er verbindet die ARA-Häfen und das Ballungszentrum Rhein-Ruhr mit den Industriestandorten in Franken, mit Tschechien und dem Balkan.
- Während die vorgenannten Korridore alle eine Nord-Süd-»Schlagseite« aufweisen (A noch am schwächsten, aber Tschechien liegt von Hamburg auch südöstlich), ist Korridor F der einzige, der wie am Lineal horizontal von West nach Ost gezogen wirkt. Über ihn läuft die Hauptlast des Güterverkehrs zwischen Benelux/Frankreich und Osteuropa. Im Binnenland bindet erdie Industrieregionen Rhein-Ruhr und Mitteldeutschland an sowie die niedersächsischen Aufkommensschwerpunkte der Automobilindustrie im Raum Hannover/Wolfsburg/Braunschweig.
- Des Weiteren ist ein Ausbau der folgenden Einzelstrecken sinnvoll: Elmshorn — Pinneberg, Hamburg — Lübeck (abhängig vom Bau der festen Fehmarnbeltquerung), Bad Oldesloe — Neumünster, Fulda — Hanau — Babenhausen und Köln-Hürth — Gerolstein —Bitburg — Ehrang (— Trier).
Die Kosten für den Ausbau dieser Güterverkehrskorridore wird auf etwa 11 Milliarden Euro geschätzt. Damit diese Mittel zur Verfügung stehen, soll der Ausbau weiterer Hochgeschwindigkeitsstrecken bis 2030 zurückgestellt werden. Jedes Investitionsprojekt, das derzeit im Bundesverkehrswegeplan aufgeführt ist. soll auf positive Effekte für den Schienengüterverkehr überprüft werden. Haben die geplanten Projekte keinen oder gar einen negativen Effekt auf den Güterverkehr, sollen diese ebenfalls zurückgestellt werden.
Des Weiteren sollte endlich Schluß sein mit der Schönrechnerei von Infrastrukturprojekten, indem entweder die Preise für Baumaterialien oder die Bauzeit zu niedrig angesetzt werden, Mittel Dritter herausgerechnet werden (z.B. Lärmschutzmaßnahmen), Alternativen nicht überprüft oder künstlich schlecht gerechnet werden oder überhöhte Reisezeitgewinne und Zugzahlen herangezogen werden.
Vergleich der kalkulierte Kosten und der wirklichen Kosten bei Infrastrukturprojekten. Festzustellen sind massive Budgetüberschreitungen, die den geplanten Kosten-Nutzen-Faktor nachträglich erheblich sinken lassen – Schienennetz 2025/2030 Ausbaukonzeption für einen leistungsfähigen Schienengüterverkehr in Deutschland, Seite 129
Man kann nicht einerseits Verlagerungen insbesondere des Güterverkehrs auf die Schiene fordern, aber der Bahn nicht die Mittel zur Verfügung stellen, die für den Erhalt, den Um- und Ausbau sowie den Neubau von Schienenstrecken erforderlich sind. Man kann die Planungen für wichtige Infrastrukturprojekte in Zukunft auch nicht mehr so “schlampig” durchführen – mit oder ohne Absicht. Man kann auch in Zukunft nicht mehr mit der Gießkanne hier und da eine Million oder Milliarde verbauen ohne ein schlüssiges und ganzheitliches Konzept zu entwickeln. Die Folgen einer solchen Verkehrspolitik sind offensichtlich: wichtige Güterprojekte wie die Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel bummeln vor sich hin während an anderer Stelle Milliarden Euro sinnlos verpulvert werden.
Herr Ramsauer hat aus der Vergangenheit nicht gelernt. Es existiert bis heute noch keine verbindliche Planung wie das deutsche Schienennetz verbessert werden soll. Von einer Strategie mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern ganz zu schweigen.
Eventuell sollte Herr Ramsauer einmal neue Wege bestreiten, Prioritäten setzen, diese kommunizieren, seine Politik danach ausrichten und ein gewisses Risiko eingehen. Eine leistungsfähige Infrastruktur ist für eine wachsende Volkswirtschaft von essentieller Bedeutung. Gute Planung und eine gute Bauausführung sichern die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und sollten in der Politik eine wichtigere Rolle spielen. Und nicht die Interessen einiger weniger Verbände und Unternehmen.
Zu befürchten ist jedoch, dass es auf unseren Straßen bald so aussieht:
Foto von Liquid Oh @ Flickr – CC BY-NC-SA 2.0
- Statistisches Bundesamt Deutschland (2010): Schienengüterverkehr 2009: Transportrückgang um 15,9 %, Pressemitteilung vom 5. März 2010 ↩
Danke für die gute Zusammenfassung über Herrn Ramsauers Politik, auch wenn sie schon was älter ist. Man liest ja von Zeit zu Zeit immer wieder in den Kommentarspalten von den öffentlichkeitswirksamen Luftblasen des Punkte-Pioniers, aber an belastbarem Hintergrund mangelt es oft auf die Schnelle in der Diskussion am Büffet.
Was mir hier missfällt, ist der fehlende Blick auf das Wachstumsdilemma – du schreibst:
“Eine leistungsfähige Infrastruktur ist für eine wachsende Volkswirtschaft von essentieller Bedeutung. Gute Planung und eine gute Bauausführung sichern die Zukunftsfähigkeit unseres Landes[…].”
Der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit ist nicht allein der Ausbau der Infrastruktur, sei er auch noch so gut geplant. Viel essentieller ist ein Wandel unseres Lebensstils und ein Hinterfragen des vermeintlichen Sachzwanges der “wachsenden Volkswirtschaft”.
Nicht die Frage “wie kriegen wir die Autobahn angesichts wachsender Lkw-Mengen ausgebaut?”, sondern die Fragen “Warum fahren so viele Lkw auf unseren Autobahnen? Ist das wirklich nötig, welche Lebens- und Konsumparadigmen tragen dazu bei? Und ist es zukunftsfähig, in Zeiten von Peak Oil immer noch auf fossile Kraftstoffe zu setzen?”
Zu dem Thema habe ich zwei Buchempfehlungen für dich (Welzer&Rammler mit Schwerpunkt Mobilität):
Welzer, H., & Rammler, S. (Eds.). (2013). Der FUTURZWEI-Zukunftsalmanach 2013: Geschichten vom guten Umgang mit der Welt (2nd ed.). Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.
Paech, N. (2012). Befreiung vom Überfluss: auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie. München: Oekom-Verlag.
Beste Grüße,
Christoph