Ich genieße es, an Ostern ein wenig zur Ruhe zu kommen. Man kann seinen Gedanken freien Lauf lassen und sich Zeit für Familie und Freunde nehmen. Und an jene Menschen denken, die kein so angenehmes Leben führen wie wir es kennen.
Auf Grundlage unseres Wohlstands hat sich eine Kultur des Jammers auf hohem Niveau entwickelt. Im Verkehrs- und Infrastruktursektor merkt man dies sehr deutlich. Wir regen uns über 10 Minuten Verspätung bei der Bahn auf, Radfahrer im Straßenverkehr oder die hohen Benzinpreise. Alles in allem keine existenzbedrohenden Ereignisse.
Ich glaube, Ostern ist der richtige Zeitpunkt um dieses Video vorzustellen:
Professorin Geetam Tiwari, die den Lehrstuhl für Bauingenieurwesen / Verkehrswissenschaften und Unfallverhütung am Indian Institute of Technology Delhi (IITD) innehat, hat einen Vortrag über die Entwicklung nachhaltiger Verkehrssysteme für die ärmere Bevölkerung in Indien gehalten. Sie lässt uns einen Schritt nach hinten treten von der oftmals dominanten technologischen/infrastrukturellen Blickweise hin zu einer gesellschaftlich-sozialen Perspektive.
Der Fokus ihres Vortrags richtet sich auf das Mobilitätsbedürfnis der Landbevölkerung. Zwar existieren in Indien einige Megacities, das weitaus größere Wachstum erleben jedoch kleinere Städte auf dem Land. Wir vernachlässigen oftmals die Mobilitätsbedürfnisse der ländlichen Bevölkerung und deren Probleme. In Indien kommt das Armutsproblem hinzu. Diese Menschen sind auf günstige und zuverlässige Verkehrsmittel angewiesen. Dominant sind der nicht-motorisierte Verkehr und der öffentliche Personennahverkehr. Oftmals bleibt der Bevölkerung keine andere Wahl…
Die Herausforderung besteht darin, Verkehrsträger mit geringem CO2-Ausstoß zu fördern; der Bevölkerung allerdings weiterhin eine Wahl zu lassen bzw. zunächst einmal Wahlmöglichkeiten zu eröffnen und gleichzeitig den Teil der Bevölkerung, der sich ein eigenes Auto leisten kann, von den Vorteilen des ÖPNV und anderer Niedrig-Emissions-Verkehrsmitteln zu überzeugen. In ihrem Vortrag präsentiert Professor Tiwari Fallstudien aus Delhi, Pune und Patna. Wie verändert sich der Modal Split bei einer einseitigen Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs, des nicht-motorisierten Verkehrs und bei einer kombinierten Förderung beider Verkehrsmittel?
In einem kurzen Überblick gibt sie Informationen über die indische Verkehrspolitik, den städtischen Nahverkehr und die Verstädterung in den vergangenen sechs Jahrzehnten. Sie schlägt dabei eine Brücke zwischen Wohnungs(bau)politik, die Aufwertung von Slums und den jeweiligen Verkehrsnetzen. Sie endet mit den Worten, dass Investitionen in die städtische Verkehrsinfrastruktur in den letzten zehn Jahren weder nachhaltig noch zugunsten der armen Bevölkerung waren.
Es ist Zeit dies zu ändern.
Und bevor ich es vergesse: Frohe Ostern!