Infrastruktur urbane Mobilität

[Video zum Wochenende] Beirut in Bewegung

Libanon Beirut Skyline
Foto: marviikad @ Flickr - CC BY-SA 2.0
Durch das Urban Transport Development Project (UTDP) sollten mit Finanzmitteln der Weltbank die Verkehrsprobleme in der libanesischen Hauptstadt Beirut gemildert werden. Der reine Fokus auf den Kfz-Verkehr und das Fehlen eines leistungsfähigen ÖPNV-Angebots lässt am langfristigen Erfolg jedoch Zweifel aufkommen. Die Dokumentation bietet dennoch einen guten Einblick in den Beiruter Verkehr.

Mit dem Urban Transport Development Project (UTDP) sind in den vergangenen Jahren Mittel der Weltbank in den Versuch geflossen, die Verkehrssituation in der libanesischen Hauptstadt Beirut und dem umliegenden Region Beirut (geschätzt 2,2 Milionen Einwohner Ende 2016) zu verbessern. Insgesamt wurden 115,17 Millionen US-Dollar investiert, hiervon kamen 65 Millionen US-Dollar von der Weltbank, 17,91 Millionen USD von anderen Kreditgebern (Arab Fund, Kuwait Fund) und 32,26 Millionen US-Dollar direkt von der libanesischen Regierung (Kreditunterlagen der Weltbank).

Seit dem Libanesischen Bürgerkrieg (1975–1990) ist die infrastrukturelle Situation im Libanon mangelhaft. Das bis dahin existente Schienennetz wurde bisher nicht wieder aufgebaut, der öffentliche landesweite wie innerstädtische Verkehr basiert rein auf Bussen.

Straßenbahn Beirut Libanon 1960
Straßensituation mit Straßenbahn im Martyrs Square in Beirut, 1960 – Foto: Fotograf unbekannt, gemeinfrei nach libanesischem Urheberrecht | Download via Wikimedia Commons

Der Betrieb auf dem 1908 eröffneten Straßenbahnnetz wurde bereits vor dem Krieg im September 1968 übereinstimmend mit Gedanken der autogerechten Stadt eingestellt. Heute wird die Straßenbahn wieder als mögliche Option zur Lösung der Verkehrsprobleme gesehen. Zudem gibt es seit 2017 ein öffentliches Fahrradverleihangebot in einzelnen Stadtteilen.

Das 1998 von der libanesischen Regierung initiierte UTDP fokussierte sich ausschließlich auf den Straßenverkehr. Primäre Ziele waren die Erhöhung der Verkehrssicherheit und die Verbesserung des Verkehrsflusses.

Dies sollte durch die Einführung eines Verkehrsmanagementprogramms, eines Parkraummanagementprogramms und den Umbau großer Verkehrsknoten erreicht werden. Im Rahmen des Verkehrsmanagements wurden zum einen Basiselemente der Verkehrssicherheit wie Fußgängerampeln und Überwege geschaffen. Insgesamt wurden 199 Lichtsignalanlagen installiert. Die Einhaltung der Verkehrsregeln wird durch die neu geschaffene Verkehrspolizei und zehn Rotlichtblitzer sichergestellt.

Die Beschleunigung des Verkehrsflusses erfolgte durch den Aus- und Neubau von 117 km Straßen, neun Brücken, 19 umgebauten Kreisverkehren und Kreuzungen sowie neun Unterführungen. Die getroffenen Maßnahmen haben eine Erhöhung der Durchschnittsgeschwindigkeit und ein weiteres Verkehrsmengenwachstum zum Ergebnis: So ist das Verkehrsaufkommen bspw. an einer Haupteinfallstraße in die Stadt von 160.000 Pkw / 24 Stunden im Jahr 1994 auf 280.000 Pkw / 24 Std. im Jahr 2011 gewachsen.

Beirut Straßenverkehr bei Nacht
Straßenverkehr in Beirut bei Nacht – Foto: “Light trails” von Philip (philipsaleh) @ FlickrCC BY-SA 2.0

Seit 2008 werden zudem Parkgebühren in Beirut erhoben. Über 7.500 Parkplätze werden nun bewirtschaftet, hierfür wurden 937 Parkscheinautomaten aufgestellt. Eine Lenkungswirkung sollte aber auch hier nicht erzielt werden. So wurde bspw. der Zeitraum, in der die Parkgebühr erhoben wird, pendlerfreundlich von 08:00 Uhr auf 09:00 Uhr und von 17:00 Uhr auf 16:00 Uhr verkürzt.

Es stellt sich die Frage, ob die getroffenen Maßnahmen ausreichen, um die Verkehrsprobleme in Beirut nachhaltig zu lösen. Ohne Aufbau eines landesweiten öffentlichen Verkehrsnetzes, welches auch die Verkehre in und aus die Stadt abdecken kann, dürften die Stauprobleme weiter wachsen. Der Ausbau von Straßen und die Beschleunigung des Verkehrsflusses sind nicht die richtigen Mittel, um Verkehrsprobleme lösen zu können – dieser Versuch ist bereits in Nordamerika und Europa gescheitert. Es bleibt zu hoffen, dass die Notwendigkeit eines leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsangebots im Libanon rasch erkannt wird.

Anonymous

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Michael Stoß
26. Februar 2018 12:55

Beeindruckend, wie unbeleckt von jeglichen Erfahrungen in anderen Großstädten hier einfach überholte Konzepte nachgebaut wurden und man darauf sichtlich stolz ist. Wenn jetzt – wie am Ende des Films (ab Min. 20:00) angedeutet – der nächste Schritt die Implementierung von Öffentlichem Nahverkehr auf der Wunschliste steht, darf man sich fragen, wie das wohl gehen soll. Viele Räume sind vergeben, die Bewohner auf Autoverkehr eingestimmt.

Vor dem Hintergrund des Bürgerkrieges kann ich die Entwicklung teilweise trotzdem verstehen. In einer kaputten Stadt ein paar Jahre lang an Tramgleisen zu arbeiten, während jeden Tag dringende Transportbedürfnisse mit dem Auto erledigt werden können, ist wohl nicht praktikabel oder auch nur vermittelbar.

Tröstlich: Es gibt in Beirut sogar eine aktive Fahrrad-Community: https://www.thechaineffect.me/

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Verfasst von:

Michael Stoß

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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