Luftverkehr Verkehrspolitik

[Fakt der Woche] Anzahl der Flugreisen nach ökonomischen Status eines Haushalts / einer Person

Foto: Eduardo Velazco Guart (evelazco) @ Unsplash.com - Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch die Unsplash-Lizenz

Im Zuge der Diskussion um mögliche Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr kam im Kontext der Bundestagswahl 2021 die Debatte auf, ob ökonomisch schwächere Haushalte überproportional benachteiligt würden, wenn der Preis für Kurzstreckenflüge durch staatliche Interventionen steigen würde. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet: “In den Urlaub fliegen darf kein Privileg für wenige werden.” Ein Blick in Daten und Statistiken zeigt jedoch, dass Flugreisen bereits heute ein Privileg von einigen wenigen, ökonomisch besser gestellten Menschen sind.

Im Rahmen der Haushaltsbefragung Mobilität in Deutschland (MiD) 2017, in der 155.000 Haushalte detailliert zu ihrem Verkehrs- und auch Reiseverhalten befragt wurden, wurden die Hauptverkehrsmittel der unternommenen Reisen in Abhängigkeit des ökonomischen Status des Haushalts erfasst. Je höher dieser Status ist, desto häufiger ist das Flugzeug das gewählte Hauptverkehrsmittel. Während Haushalte mit einem sehr niedrigen bzw. niedrigen ökonomischen Status nur in 8 bzw. 11 % der Reisen das Flugzeug genutzt haben, waren es bei vermögenderen Haushalten 17 % (hoch) bzw. 26 % (sehr hoch). Im Gegensatz hierzu ist der Anteil der Bahnreisen bei Haushalten mit niedrigerem ökonomischen Status höher als bei ökonomisch stärkeren Haushalten.

Hauptverkehrsmittel der Reise nach ökonomischen Status des Haushalts (reisen von Personen ab 14 Jahren) – Tabelle: Mobilität in Tabellen (MiT 2017)

Die Wahl der Verkehrsmittels hängt von der zurückgelegten Distanz ab. Je niedriger der ökonomische Status eines Haushalts ist, desto kürzer sind die Reisedistanzen. Mit steigendem ökonomischen Status nehmen die Distanzen zu. Reisen in der Entfernungsklasse zwischen 1.000 bis unter 2.000 km, in die beispielsweise ein Urlaub auf Mallorca fällt (minimale Flugdistanz Deutschland – Mallorca ~1.100 km), werden überproportional häufig von Haushalten ab einem mittleren ökonomischen Status und besser unternommen.

Einfache Entfernung von zu Hause zum Reiseziel nach ökonomischen Status des Haushalts – Tabelle: Mobilität in Tabellen (MiT 2017)

Neben der relativen Verteilung der genutzten Verkehrsmittel und der zurückgelegten Distanzen zwischen den einzelnen Statusgruppen, ist auch die absolute Anzahl der unternommenen Reisen (mit Übernachtung) von Belang. Personen mit einem sehr hohen ökonomischen Status unternehmen etwa vier Mal so viele Reisen wie Personen mit sehr niedrigem ökonomischen Status und etwa drei Mal so viele Reisen wie Personen mit niedrigem ökonomischen Status.

Anzahl Reisen mit Übernachtung in den letzten 3 Monaten nach ökonomischen Status des Haushalts – Tabelle: Mobilität in Tabellen (MiT 2017)

Setzt man die durchschnittliche Anzahl von Reisen mit Übernachtung ins Verhältnis zu gewählten Verkehrsmitteln und dem ökonomischen Status der Person, ergibt sich, dass Personen mit sehr niedrigem ökonomischen Status 0,22 Flüge pro Person und Jahr unternehmen, Personen mit einem niedrigen ökonomischen Status 0,4, mit einem mittleren ökonomischen Status 0,73 und Personen mit einem höhen ökonomischen Status 1,36 bzw. mit einem sehr hohen ökonomischen Status 2,91.

Anzahl von Reisen mit Übernachtung, den gewählten Verkehrsmitteln und dem ökonomischen Status der Person

Fazit

In Deutschland wie auch im globalen Kontext unternehmen Haushalte und Personen mit höherem ökonomischen Status überproportional viele Flugreisen. Während die reichsten 20 % der Deutschen 4 % ihres Einkommens für Flüge ausgeben, beträgt dieser Wert bei den ärmsten 20 % der Deutschen gerundet 0 %.1 Im globalen Maßstab wird geschätzt, dass weniger als 20 % der Weltbevölkerung jemals einen Fuß in ein Flugzeug gesetzt haben und nur 5 – 10 % der Weltbevölkerung jährlich mindestens eine Flugreise unternehmen. Gössling und Humpe (2020) gehen davon aus, dass im Jahr 2018 nur 2 – 4 % der Weltbevölkerung einen internationalen Flug bestiegen haben.2 Gleichzeitig verursacht 1 % der Weltbevölkerung in Person von Vielfliegern über 50 % der CO2-Emissionen der kommerziellen Luftfahrt. Auch wenn in den vergangenen Jahren das Wachstum des Flugverkehrs in gewissem Umfang eine stärkere Beteiligung der unteren Einkommensgruppen am Flugverkehr ermöglicht hat, stammt der größte Teil des Wachstums des Flugverkehrs weiterhin aus den oberen Einkommensgruppen.

Ökonomisch stärkere Haushalte und Personen nehmen überproportional häufig die THG-intensive Aktivität Fliegen in Anspruch, die mindestens auf mittlere Sicht relativ schwierig zu dekarbonisieren ist. Im Kontext einer (globalen) Gerechtigkeitsdiskussion sind dieses sozial ungleiche Verhalten und die damit verbunden Folgen negativ zu bewerten. Da ökonomisch schwächere Haushalte stark unterproportional am Luftverkehr partizipieren, sprich nahezu keine Flugreisen unternehmen, ist das Argument einer sozialen Ungleichheit durch steigende Preise für Flugreisen wenig stichhaltig. Die soziale Ungerechtigkeit liegt vielmehr darin, dass ökonomisch starke Haushalte durch ihr Verhalten überproportional Treibhausgase emittieren. Das Sozialargument mit Verweis auf ökonomisch schwächere Haushalte ist nur vorgeschoben, um an der bereits bestehenden Ungleichheit nichts ändern zu müssen.

Verweise

  1. Hopkinson, L. und Cairns, S. (2020): Elite Status: global inequalities in flying. Report for Possible, März 2021, S. 37
  2. Gössling, S. und Humpe, A. (2020): The global scale, distribution and growth of aviation: implications for climate change, Global Environmental Change, 65, https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2020.102194
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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Anonym
Anonym
21. Juni 2021 17:30

Man könnte nun natürlich einwenden, dass höhere Flugpreise die bestehende Ungleichheit noch verstärken könnten, sprich: Flugreisen für Haushalte mit niedrigen Einkommen werden noch seltener. Daher könnte man deine Argumentation auch herumdrehen und sagen, dass Flugreisen noch viel günstiger werden müssten. Aber solange die THG-Emissionen nicht eingepreist werden, ist die Diskussion ohnehin sinnlos.

Da die Preisdiskussion also ins Leere läuft: Verbot von Kurzstreckenflügen als beste Maßnahme, solange sich antriebstechnisch nichts tut?

Anonym
Anonym
Reply to  Anonym
7. Juli 2021 13:57

Vielleicht auch einfach eine Art Umweltsteuer für jeden Flug der 1x im Monat übersteigt.
So ändert sich für die sozial schwachen nichts und die sozial starken, die das Geld haben und öfter fliegen, zahlen für ihre verursachten Treibhausgase

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PUNKT Preisträger 2012

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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