Siemens hat vor kurzem das Modell einer neuen U-Bahn für die Londoner Piccadilly und Bakerloo-Linien vorgestellt.Weitere Bilder: Bild 1 | Bild 2 | Bild 3 (Aufgrund von Urheberrechtsfragen leider nicht direkt einbindbar.)
Das von Siemens vorgestellte Design besticht vor allem durch seine markante und sehr modern wirkende Fahrerkabine. Ein Teil der Londoner U-Bahnlinien sind (Central Line, Victoria Line) oder werden (Metropolitan, District, Circle, Hammersmith & City) für den automatischen Fahrbetrieb ausgerüstet (ATC, automatic train control: Der Zug bremst und beschleunigt selbsttätig unter Rechnerkontrolle). Die Fahrer haben nur noch die Aufgabe, die Züge abfahrbereit zu machen, den Aus- und Einstiegsprozess zu überwachen und bei Unregelmäßigkeiten im Betriebsablauf einzugreifen.
Das Konzept kann im Vergleich zum derzeit im Bau befindlichen 2009 Tube Stock elf Prozent mehr Fahrgäste befördern. Aufgrund der geringen Tunneldurchmesser ist eine solche Kapazitätssteigerung bemerkenswert.Diese ist aber auch dringend notwendig, betrachtet man sich einmal folgende Grafik, die ich einer Präsentation von Mike Brown, Managing Director London Underground & London Rail, entnommen habe. Heute befördert die Londoner U-Bahn eine Milliarde Fahrgäste im Jahr. Bis 2014 soll sich die Zahl der Fahrgäste auf 1,2 Milliarden / Jahr erhöhen, für 2020 wird jeden Tag mit einer zusätzlichen Million Fahrgäste, auf Basis des Jahres 2010, gerechnet. An Werktagen befördert die London Tube bereits heute 3,4 Millionen Fahrgäste. In den letzten sieben Jahren sind die Passagierzahlen bereits um 16% gestiegen, in den letzten 15 Jahren waren es 40%. Und nächstes Jahr steht mit den Olympischen Spielen eine große Belastungsprobe ins Haus.
Bautechnisch lässt sich die Kapazität des ältesten U-Bahnnetzes der Welt kaum oder gar nicht erhöhen. Alte und wartungsintensive Fahrzeugflotten sind ebenfalls ein teures und zeitraubendes Hindernis bei der Verbesserung des Angebots.
Das Londoner U-Bahnnetz wird derzeit von mehreren Zugtypen befahren, von denen einige Züge noch aus dem Jahr 1967 stammen. Aufgrund ihres Alters ist diese Baureihe zur Ausmusterung vorgesehen und soll durch den 2009 Tube Stock ersetzt werden. Diese Baureihe befindet sich derzeit im Bau und wird von Bombardier gefertigt. Der 2009 Tube Stock wird ebenfalls wieder für Automatic Train Operation (automatisierter Fahrbetrieb) ausgestattet sein.
London Underground 2009 Tube Stock – Paul Birpitt @ Flickr – Creative Commons
Durch den von der britischen Regierung und der Stadt London beschlossenen “Tube Upgrade Plan” werden bis 2030 mehr als 16 Milliarden Pfund (~ 18 Milliarden Euro) in die Londoner U-Bahn investiert. Der Plan setzt folgende Prioritäten: Reduzierung der Verspätungen, Einbau neuer Aufzüge und Rolltreppen, mehr Sauberkeit und Sicherheit sowie eine neue Station beim neuen Wembley-Stadion. Die Kapazität einzelner Linien wird erhöht; so werden in Zukunft zum Beispiel auf der Victoria Line 33 statt 28 Züge pro Stunde verkehren.
London Underground 1973 Stock in der Station Ickenham – Oxyman – Creative Commons
Ein Teil der Investmentstrategie sind neues Rollmaterial. Die neuen Züge sollen Doppeltüren für einen schnelleren Ein- und Aussteigeprozess haben. Die Kapazitätssteigerung wird vor allem durch den Wegfall der Wagenübergänge erreicht (d.h. es wird ein durchgängiger Zug sein). Durch den Einsatz von Klappsitzen soll die Kapazität in der Hauptverkehrszeit erhöht werden.
Für einen höheren Fahrgastkomfort werden die neuen U-Bahnen klimatisiert und niederflurig sein .
Passiv gesteuertes Laufdrehgestell (links) und passiv gesteuertes Triebdrehgestell (rechts)
Aufgrund der Leichtbauweise aus Aluminiumteilen wiegt das SIEMENS-Konzept 30 Tonnen weniger als die neuen Bombardier-Züge der 2009er Baureihe. Dadurch reduziert sich der Energieverbrauch je Passagierkilometer auf 0,26 kWh / Pax km (bisher eingesetzte Züge: 0,42 kWh / Pax km). Dies entspricht einer höheren Energieeffizienz von 17 Prozent. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis (englisch: BCR Benefits-Cost-Relation) der neuen Züge soll bei 1,33 liegen. Das bereits in Dienst gestellte Rollmaterial weist ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1,03 auf.
Die Kosten der benötigten Züge würden bei 890 Millionen Pfund (etwa eine Milliarde Euro) liegen. Dieselbe Anzahl Züge des alten Typs würde 1,21 Milliarden Pfund (1,35 Milliarden Euro) kosten. Natürlich ist von Seiten Transport for London noch keine Entscheidung bezüglich neuer Züge getroffen werden. Das Verfahren wird wohl 2012 beginnen.
Nichtsdestotrotz hat Siemens bereits jetzt die Messlatte sehr hoch gelegt. Mal schauen, was potentielle Mitbewerber in petto haben.