“Wenn eine Stadt keine Struktur hat, gibt es Ungleichheit.”, so Joan Clos, ehemaliger Bürgermeister Barcelonas, ehemaliger Industrieminister Spaniens und heutiger Geschäftsführer des United Nations Human Settlements Programme (UN-Habitat) in seiner Rede beim World Urban Forum 7 in Medellín, Kolumbien.
In den Entwicklungsländern und den entwickelten Staaten gab es ein “metastatisches Wachstum”, ähnlich eines Tumors, der sich langsam durch gesundes Gewebe frisst. Ursache dieser Entwicklung ist, dass “urbane Entwicklung von Bauunternehmern getrieben war. Büro- und Wohntürme sowie Einkaufszentren wurden willkürlich platziert, was Disaggregation und im Anschluss Segregation erzeugt hat.” Diese Trennwirkung entsteht, weil “Menschen mit niedrigen Einkommen von den Planern und Bauunternehmen nicht beachtet werden. Mit ihnen ist kein Geld zu verdienen.”
Um Aufstände und soziale Spaltung in diesen zunehmend ungerechten Städten zu vermeiden, muss der öffentliche Raum laut Clos neu geplant werden. Bauunternehmen müssen lernen, mit den Regularien und Grenzen, welche ihnen von Planern gesetzt werden, auszukommen. Hübsche Masterpläne haben nichts mit richtiger Stadtplanung gemeinsam. “Wenn man von Bauunternehmern als Erstes hübsche Renderings von Stadtvierteln, vollgebaut mit schicken Häusern, gezeigt bekommt, dann weiß man, dass es keine Beteiligung der Öffentlichkeit gab.”
Vor dem Hintergrund der weltweiten Urbanisierung – bis 2050 soll 80 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben – ist Clos “entgeistert.” Ohne faire und sozial ausgleichende Planung sieht er eine zukünftige Welt voll von sozialer Zersplitterung und Zerrissenheit.
Dieses Video für den Bau der “FUTURE SMART CITY” Dholera in Indien illustriert als Negativbeispiel die Kritik von Joan Clos recht gut.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt die südafrikanische Stadt Johannesburg. Mit einer anderen Nutzungsdurchmischung und Raumaufteilung soll die soziale Trennung, welche durch die Apartheid entstanden ist, schrittweise aufgehoben werden.
…during the apartheid the model was using infrastructure to seperate people.
Wirtschaftliche Entwicklung und der Aufstieg aus der Armut sollen vor allem durch eine bessere Durchmischung der Stadtviertel, kürzeren Wegen zwischen Wohnen, Arbeit, Einkaufen, Erholung und Bildung sowie die Reduktion der Ausgaben für Verkehr – insbesondere für arme Bevölkerungsschichten – erreicht werden. Der Zusammenhang zwischen durchschnittlicher Weglänge, Erreichbarkeit, Kosten für Wohnraum und für Verkehr soll dabei stets im Blick bleiben:
Nur durch die Betrachtung der Gesamtkosten kann eine Aussage über die Lebenshaltungskosten an einem gewissen Ort oder einem gewissen Stadtteil getroffen werden. Vor dem Hintergrund der sozialen Frage und des sozialen Zusammenhalts ist es daher notwendig, die Entwicklung von Wohnraum und des Verkehrsangebots gemeinsam zu betrachten.
mobility is not a privilege. mobility is a right!
Yolisa Mashilwane, Ekurhuleni Metropolitan Municipality / Direktorin Transport Planning and Public Transport Operations in Johannesburg 2002-2011
Johannesburg setzt zur Erreichung der selbst gesteckten Ziele sehr stark auf die Entwicklung dicht bebauter und gut durchmischter Stadtviertel entlang der Bus Rapid Transit-Korridore. Durch kurze Wege sollen möglichst viele Ziele zu Fuß, mit dem Fahrrad oder schnell, sicher, komfortabel und günstig mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden können. Neben einer guten Verkehrsinfrastruktur und möglichst vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten soll ebenfalls darauf geachtet werden, dass der Wohnraum auch für alle Schichten erschwinglich bleibt und es nicht zu Gentrifizierungserscheinungen und Verdrängung kommt.
Johannesburg und das South African Cites Network haben sich sehr viele Gedanken über den Status quo, bestehende Strukturen und die möglichst optimale und sozial ausgleichende Entwicklung derselben gemacht. Ein Weg, der als Modell für andere Städte mit einer rasch wachsenden Bevölkerung Schule machen sollte!
Kurzversion (13:06 Minuten)
Langversion der Dokumentation (22:10 Minuten)
Hallo Martin,
danke für diesen interessanten Artikel bzw. die Info über den Ansatz der dahinter steckt. Hast Du Dir mal überlegt für solche Artikel die Möglichkeit des micropayments einzuführen! Ich würde hin und wieder mal für die z. T. sehr aufwändigen Artikel auch nen Euro zahlen…
Gruß Dirk
Hallo Dirk,
Ich habe mir ehrlich gesagt in den vergangenen Wochen relativ viele Gedanken gemacht, wie man Zukunft Mobilität langfristig auf sichere Füße stellen kann und das beinhaltet natürlich auch die Finanzierung. Ich habe mittlerweile auch schon eine Skizze im Kopf, die funktionieren könnte. Werde ich die kommenden Wochen auch mal zur Diskussion stellen. Soviel vorab: Die Idee beinhaltet kein Micropayment, kein Abomodell und keine Bezahlschranke.. ;-)
Viele Grüße,
Martin
Ist dieses Dholera-Video ernst gemeint? Und wo genau ist diese Planung jetzt “smart”? Man sieht im wesentlichen viel Autoverkehr und Parkplätze, auch wenn diese unter Solarzellen versteckt sind. Ich kenne ja die Gegend nicht, aber ich vermute, dass es aufgrund des dortigen Klimas ganz andere Ansätze bräuchte als riesige versiegelte Flächen, vermutlich fußgängerfreundliche enge Gassen, die Schatten spenden oder eventuell während der Regenzeit überdacht werden können und trotzdem keine Angsträume sind.
Ansonsten vielen Dank für Ihren Artikel! Der südafrikanische Ansatz gefällt mir besser, auch wenn man die allgegenwärtige Kriminalität mit guter Planung alleine vermutlich nicht los wird.
Ja, dieses Video ist ernst gemeint. Wenn ich mir diesen Artikel (http://www.dnaindia.com/ahmedabad/report-dholera-to-soon-host-one-of-countrys-four-smart-cities-1916195) durchlese, kommt man zu dem Schluss, dass Dholera ausschließlich auf Ebene der Kommunikations- und Informationstechnologie mehr oder minder “smart” sein möchte. Man darf jedoch zu Recht bezweifeln, ob die gesamte Stadt als dynamisches Gebilde mit vielen Interdependenzen wirklich “smart” wird. Oder ob man dort eine hohe Lebensqualität hat.
Johannesburg hat natürlich eine Vielzahl von Problemen. Man wird diese nicht mit einer einzigen Maßnahme lösen können, aber im Zusammenspiel mit flankierenden Änderungen kann diese Reorganisation des Raums durchaus einen wichtigen Beitrag leisten. Ein Allheilmittel gibt es ja in den seltensten Fällen…
Viele Grüße,
Martin Randelhoff