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Netzentwicklung in Amsterdam: Plusnetten und Hoofdnetten

Foto: Rob Dammers @ Flickr - CC BY 2.0
Amsterdam und andere niederländische Städte möchten mit der Entwicklung von Plusnetten (Plusnetzen) und Hoofdnetten (Hauptnetzen) die Infrastrukturqualität verbessern und Konflikte entschärfen. Ein Plusnetz räumt dem jeweiligen Modus - Fußverkehr, Radverkehr, öffentlichen Verkehr und Pkw-Verkehr - auf durchgängigen Routen aktiv Vorrang ein. Die jeweilige Verkehrsart erhält die höchste Priorität bei der Zuweisung von Flächen und der Bevorrechtigung an Kreuzungen. Die entstehende Netzhierarchie aus Plusnetzen, Hauptnetzen und Basisnetzen ermöglicht eine zielgerichtete Netzentwicklung und Prioritätensetzung.

Ein elementarer Bestandteil in der Verkehrsplanung niederländischer Städte ist die Entwicklung von Plusnetzen (plusnetten) und Hauptnetzen (Hoofdnetten) für verschiedene Verkehrsarten. Bei der Planung wird versucht, die Berührungspunkte der sich überlagernden Hauptnetze gering zu halten bzw. möglichst verträglich zu gestalten. Die Routen sollen möglichst direkte Verbindungen mit geringen Umwegen ermöglichen, die Straßenräume werden einheitlich in Hinblick auf die Belange der Hauptverkehrsart ausgestaltet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Infrastrukturqualität abseits des Hauptnetzes qualitativ minderwertig oder nicht vorhanden ist.

Plusnetten und Hoofdnetten in Amsterdam

Die Stadt Amsterdam hat im Verkeerscirculatieplan 1979 die Entwicklung eines Hoofdnet Fiets für den Radverkehr beschlossen. Ziel war die “Schaffung eines möglichst ausgedehnten Wegenetzes, auf dem der Radfahrer von den Wohngebieten aus sicher und schnell die Einrichtungen und Arbeitsplatzschwerpunkte erreichen kann” (eigene Übersetzung). Über mehrere Jahrzehnte wurde kontinuierlich an der Entwicklung des Hoofdnet Fiets gearbeitet. Die Verbindungen haben eine Länge von üblicherweise zwei bis drei Kilometern, die angestrebte Netzmaschenweite liegt bei 400 Metern.

Im Jahr 2005 hat eine Verwaltungsvereinbarung zwischen der Stadt Amsterdam und ihren Bezirken die Grundlage für eine strukturelle Weiterentwicklung der Hauptnetze gelegt (Beleidskader Hoofdnetten). Die Verantwortung hierfür wurde der Stadtverwaltung übertragen. Im Mobilitätskonzept aus dem Jahr 2013 (MobiliteitsAanpak Amsterdam 2013), welches den verkehrspolitischen Rahmen bis 2025 formuliert, wurden die verkehrspolitischen Hauptziele Sicherheit und Erreichbarkeit um das Ziel Attraktivität ergänzt. Zudem wurde die Entwicklung eines Hauptnetzes für den Fußverkehr beschlossen.

Die Entwicklung einer sehr guten Infrastrukturqualität im urbanen Räumen ist eng mit der Zuteilung von (knappem) Platz in (engen) Straßen und bei der Gewährung von Vorrang an Kreuzungen verbunden. In Amsterdam wird für die Unterbringung aller Wohn- und Verkehrsfunktionen einer Straße 36 Meter Platz zwischen den Fassaden benötigt. Dieser Raum steht jedoch häufig nicht zur Verfügung, sodass Kompromisse gemacht werden, die den Wohn- und Verkehrsfunktionen einer Straße nicht gerecht werden. Auf diesen Straßen ereignen sich oft die meisten Unfälle. Um die Schaffung von Netzen mit entsprechender Qualität sicherzustellen, ergänzte Amsterdam die Hoofdnetten mit den sogenannten Plusnetten (Beleidskader Verkeersnetten 2018). Mit den Plusnetzen möchte Amsterdam deutlich machen, welche Verkehrsart wo Vorrang haben soll.

Kombinierte Darstellung der Plusnetze für den Radverkehr, Fußverkehr, öffentlichen Verkehr und Pkw-Verkehr in Amsterdam – Grafik: Gemeente Amsterdam (2018): Beleidskader Verkeersnetten, S. 48

Ein Plusnetz räumt dem jeweiligen Modus – Fußverkehr, Radverkehr, öffentlichen Verkehr und Pkw-Verkehr – auf durchgängigen Routen aktiv Vorrang ein. Die jeweilige Verkehrsart hat die höchste Priorität bei der Zuweisung von Flächen und der Bevorrechtigung an Kreuzungen. Das Plusnetz dient zudem der Priorisierung von Umbaumaßnahmen und Investitionsmitteln. Innerhalb des Plusnetzes müssen auf das jeweilige Umfeld abgestimmte Prüfwerte für den Verkehrsfluss (Geschwindigkeiten auf Abschnittsebene, Überprüfung aller zwei Jahre) mindestens eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, wird in die Vorrangsituation, das Geschwindigkeitsregime oder die Infrastruktur eingegriffen. Hierbei wird jedoch nicht auf standardisierte Infrastrukturelemente mit festgelegten Mindestbreiten zurückgegriffen, sondern situationsangepasst unter Rückgriff auf die Richtlinien der Zentralen Verkehrskommission (Centrale Verkeerscommissie) geplant. So wird bspw. auf den historischen Charakter einer Straße, das Vorhandensein von Bäumen und die unterschiedlichen Straßenraumbreiten mit Einzelfallplanungen reagiert. Die Umsetzung der Plusnetze wurde 2015 durch den Beschluss der Umsetzungsagenda Mobilität (UitvoeringsAgenda Mobiliteit) strukturiert angegangen.

Zielqualitäten für die Plusnetze des Fußverkehrs, Radverkehrs, öffentlichen Verkehrs und Pkw-Verkehrs in verschiedenen Bereichen der Stadt:

FußverkehrRadverkehrÖffentlicher VerkehrPkw
Plusnetz RadHauptnetz RadMetroPlusnetz Tram/BusKomfortnetz Tram/BusPluskorridorePlusnetz
ZweckKomfort und Sicherheit verbessernSchnelle und sichere RoutenZuverlässige und sichere RoutenGeschwindigkeit und hohe Frequenz für große VerkehrsströmeVerlässlichkeit und RegelmäßigkeitDurchfluss für große Verkehrsströme
ZentrumAttraktive Gestaltung, wenig Hindernisse und Umwege15 km/h,
Hohe Priorität an Ampeln,
Breiter Radweg oder Fahrradstraße,
Roter Asphalt
Begrenzte Wartezeit an Ampeln,
Fahrradstraße
Frequenzen in der Hauptverkehrszeit >12x pro Stunde,
30-40 km/h,
unabhängig von anderen Verkehrsarten
Frequenzen in der Hauptverkehrszeit >8x pro Stunde,
15 km/h,
Keine Beeinträchtigung durch gemeinsame Nutzung
Frequenzen in der Hauptverkehrszeit 4x pro Stunde,
Regelmäßigkeit,
Keine Beeinträchtigung durch gemeinsame Nutzung
20 km/h,
Keine Beeinträchtigungen durch Parken
Zuverlässig,
Platz zum Be- und Entladen
Innerhalb des Rings (ohne Noord)Breiter Gehweg und sichere Übergänge15 km/h,
Hohe Priorität an Ampeln,
Breiter Radweg oder Fahrradstraße,
Roter Asphalt
Begrenzte Wartezeit an Ampeln,
Radweg / -spur oder Fahrradstraße,
Roter Asphalt
Frequenzen in der Hauptverkehrszeit >8x pro Stunde,
20 km/h,
Keine Beeinträchtigung durch gemeinsame Nutzung
Frequenzen in der Hauptverkehrszeit 4x pro Stunde,
Regelmäßigkeit,
Keine Beeinträchtigung durch gemeinsame Nutzung
30 km/h,
Parken verboten
15 km/h,
Keine Beeinträchtigungen durch Parken
Außerhalb des Rings (inkl. Noord)18 km/h,
>2 m pro Richtung,
Roter Asphalt
15-18 km/h,
Radweg / -spur oder Fahrradstraße,
Roter Asphalt
Frequenzen in der Hauptverkehrszeit >8x pro Stunde,
25 km/h,
Keine Beeinträchtigung durch gemeinsame Nutzung
Frequenzen in der Hauptverkehrszeit 4x pro Stunde,
Regelmäßigkeit,
Keine Beeinträchtigung durch gemeinsame Nutzung
40 km/h,
Parken verboten,
Niveaufreie Kreuzungen
25 km/h,
Keine Beeinträchtigungen durch Parken
Überall
Sicher, komplett und sauber

Die Trennung der Verkehrsarten ist kein Ziel der Plusnetze an sich. Die Sicherstellung einer entsprechend hohen Qualität für die priorisierte Verkehrsart bei gleichzeitiger Flächenrestriktion bedeutet in vielen Fällen, dass andere Verkehrsarten ausweichen müssen. Sie erhalten auf einer parallelen Strecke mehr Priorität und Qualität, welche wiederum mehr Sicherheit, Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit und/oder Komfort mit sich bringen kann. Bei ausreichend Fläche werden Plus-Netze kombiniert. Dies kann bspw. in den Außenbezirken auch aus Sicht der sozialen Sicherheit wünschenswert sein. Im restlichen Straßennetz – dem Basisnetz – wird Mischverkehr mit geringen Geschwindigkeiten präferiert. Ziel ist die Sicherstellung von Erreichbarkeit und Sicherheit sowie Lebensqualität.

Plusnetz und Hauptnetz für den Fußverkehr

Das Plusnetz für den Fußverkehr besteht aus Straßen und Plätzen, die sowohl eine Durchgangsfunktion als auch eine Wohnfunktion haben. Im Plusnetz ist die Erdgeschosszone den ganzen Tag über durch verschiedene Nutzungen wie bspw. Einzelhandel, Gastronomie, Freizeit und Soziales belebt, bzw. es gibt zu bestimmten Tageszeiten deutliche Spitzen im Fußgänger:innenaufkommen. Da Fußgänger:innen im Vergleich zu anderen Verkehrsarten nicht immer die kürzeste Route wählen, sondern Aufenthaltsqualität und Attraktivität bei der Routenwahl ebenfalls eine Rolle spielen, erfordert das Plusnetz für den Fußverkehr relativ mehr Platz, Komfort und Qualität. Da die Unterschiede im Fußgängeraufkommen recht groß sein können, gibt es eine große Bandbreite an Anforderungen, die das Plusnetz erfüllen muss.

Plusnetz und Hauptnetz Fußverkehr in Amsterdam – Grafik: Gemeente Amsterdam (2018): Beleidskader Verkeersnetten, S. 16

Das Hauptnetz für den Fußverkehr soll hauptsächlich durchgehende Wege zu und von verkehrsreichen Knotenpunkten ermöglichen. Dazu gehören z. B. Fußwege zwischen wichtigen Bildungseinrichtungen, Museen, Parks, Krankenhäusern, Knotenpunkten des öffentlichen Nahverkehrs, Schulkomplexen, Universitätsgeländen, Einkaufsstraßen und Veranstaltungsorten.

Ziele des Plusnet und Hoofdnet voetganger sind:

  • Gewährleistung von ausreichendem und attraktivem Geh- und Aufenthaltsraum in den belebtesten Teilen der Stadt;
  • bessere Erreichbarkeit von:
    • permanent großen Publikumsmagneten wie Museen, Parks, Krankenhäusern, zentrale Einkaufsbereichen und Knotenpunkten des öffentlichen Nahverkehrs;
    • Veranstaltungsorten;

durch Bereitstellung:

  • effektiver Fußgängerbereiche;
  • von Fußgängerzonen, in denen Fußgänger:innen höchste Priorität eingeräumt wird;
  • eines logisch aufgebauten Fußgänger:innennetzes,

das die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

  • zugänglich ohne Hindernisse oder schwer zu überbrückende Höhenunterschiede;
  • überfahrbar, ohne das ein Verkehrssicherheitsrisiko durch Geschwindigkeitsunterschiede zum anderem Verkehr entsteht;
  • logisch verknüpft, mit Anschluss an andere fußläufige Verbindungen;
  • sowohl subjektiv als auch objektiv sozial sicher;
  • schön, sauber und gut in Schuss;
  • mit guten Sichtlinien, was die Orientierung erleichtert.

Die Pieter Cornelisz Hooftstraat ist des des Plusnetzes Fußverkehr:

Die Damstraat ist Teil des Plusnetzes Fußverkehr und des Hauptnetzes Radverkehr:

Die Haarlemmermeerstraat ist Teil des Plusnetzes Fußverkehr und des Plusnetzes Bus:

Die Minervalaan ist Teil des Hauptnetzes Fußverkehr und Teil des Plusnetzes Radverkehr:

Plusnetz und Hauptnetz für den Radverkehr

Das Plusnetz Radverkehr besteht aus den wichtigsten durchgehenden Radverbindungen, die intensiv genutzt werden. Sie sind die wichtigsten Verbindungen zwischen den Stadtteilen, zu den Grün- und Erholungsgebieten rund um die Stadt und knüpfen an die regionalen Radrouten zu den Nachbargemeinden an. Radfahrer:innen sollen schnell, sicher und bequem von A nach B kommen. Voraussetzung dafür ist, dass Radfahrer:innen durch den übrigen Verkehr wenig gestört werden, an Kreuzungen schnell durchfahren können und genügend Platz für Radfahrer:innen zum Überholen vorhanden ist.

Plusnetz und Hauptnetz Radverkehr in Amsterdam – Grafik: Gemeente Amsterdam (2018): Beleidskader Verkeersnetten, S. 22

Das Hoofdnet Fiets ist ein feinmaschiges Hauptnetz aus Radverkehrsinfrastruktur, die intensiv genutzt wird. Sie verbindet die Wohn- und Arbeitsgebiete und Einrichtungen in Amsterdam. Das Netz besteht abhängig von der Verkehrsmenge aus separaten Radwegen und, wo dies nicht möglich ist, aus Radfahrstreifen in ausreichender Breite in Kombination mit seitlichen Schutzräumen, autoarmen Fahrradstraßen oder verkehrsberuhigten Straßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.

Ziele des Plusnet und Hoofdnet fiets sind:

  • Stimulierung der täglichen Fahrradnutzung;
  • die Gewährleistung der Erreichbarkeit der Stadt, der Stadtteile und angrenzender Gemeinden;
  • Gewährleistung der Zugänglichkeit von städtischen Zielen und der Hauptbahnhöfe;
  • Nutzung der Plusnetz-Routen als erholsame und touristische Verbindungen zu Grünflächen;
  • Nutzung der Plusnetz-Routen als erholsame und touristische Verbindung in die Grünanlagen;

durch Bereitstellung:

  • schneller und komfortabler Radwege;
  • eines logisch aufgebauten, erkennbaren und zusammenhängenden Netzes,

das die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

  • verkehrssicher (insbesondere für Radfahrer:innen);
  • es ist sozialverträglich;
  • es ist einfach zu verwalten und instandzuhalten.

Der niveaufreie Radweg entlang des Adelaarsweg ist Teil des Plusnetzes Radverkehr:

Die Kerkstraat ist Teil des Plusnetzes Radverkehr und des Plusnetzes Fußverkehr:

Der Vondelpark ist Teil des Plusnetzes Radverkehr:

Die Robert Fruinlaan ist Teil des Plusnetzes Radverkehr und Teil des Haupnetzes Bus sowie des Hauptnetzes Fußverkehr:

Die Comeniusstraat ist Teil des Hauptnetzes Radverkehr:

Einen weiteren Einblick in das Plusnetz und Hauptnetz Radverkehr bietet dieses Video von Not Just Bikes:

Plusnetz und Hauptnetz für den öffentlichen Verkehr

Das Plusnetz des öffentlichen Verkehrs besteht aus den wichtigsten Straßenbahn- und Buslinien, die ergänzend zum Bahn- und U-Bahn-Netz die Hauptströme zwischen den verschiedenen Stadtteilen abwickeln und die Anbindung an das Bahn- und U-Bahn-Netz sicherstellen. Der Fokus liegt auf einer hohen Kapazität, einem dichten Takt und einem hohen Grad an Zuverlässigkeit. Das ÖPNV-Hauptnetz besteht aus allen anderen Straßenbahn- und Buslinien, die in der Hauptverkehrszeit mindestens sechsmal pro Richtung verkehren. Das Hauptziel liegt in der Sicherung bzw. Verbesserung der Zuverlässigkeit und stabilen Fahrzeiten.

Plusnetz und Hauptnetz ÖPNV in Amsterdam – Grafik: Gemeente Amsterdam (2018): Beleidskader Verkeersnetten, S. 28

Ziele des Plusnet und Hoofdnet openbaar vervoer sind:

  • Erschließung und Verbindung der wichtigsten Ausgangs- und Zielorte, einschließlich der Bahn- und U-Bahnhöfe,

durch:

  • ein Straßenbahn- und Busnetz, das einen häufigen, schnellen und zuverlässigen öffentlichen Verkehrsdienst bietet, der den Bedürfnissen verschiedener Fahrgasttypen entspricht,

das die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

  • nachhaltig verkehrssicher;
  • sozial sicher und zugänglich;
  • gut zu managen und instandzuhalten;
  • nachhaltiger Betrieb.

Der Amstelveenseweg ist Teil der Plusnetze Tram, Bus, Auto, Fahrrad und Fußgänger:

Der Hoofdweg ist Teil der Plusnetze Tram und Bus sowie Teil des Hauptnetzes Fußverkehr:

Die Kruislaan ist Teil des Plusnetzes Bus sowie des Plusnetzes Radverkehr:

Plusnetz und Hauptnetz für den Pkw-Verkehr

Das Plusnetz für den Pkw-Verkehr besteht aus stark befahrenen Straßen mit viel Durchgangsverkehr und hat Anschluss an das nationale Autobahnnetz und die umliegenden Gemeinden. Der Schwerpunkt im Plusnet Auto liegt auf einem guten Verkehrsfluss, um das restliche Straßennetz von Pkw-Verkehr zu entlasten. Es enthält die wichtigsten Strecken für den Güterverkehr, besteht zur Trennung von Verkehr und Wohnen aus Straßen mit wenigen anderen Funktionen und bildet ein umfassendes Netz. Innerhalb des Plusnetz Auto haben die Korridore eine besonders wichtige Sammel- und Verteilfunktion. Die Anforderungen an den Verkehrsfluss sind daher besonders hoch.

Plusnetz und Hauptnetz für den Pkw-Verkehr in Amsterdam – Grafik: Gemeente Amsterdam (2018): Beleidskader Verkeersnetten, S. 34

Straßen mit einem hohen Verkehrsaufkommen und einem hohen Anteil an Durchgangsverkehr, der jedoch etwas geringer ist als bei den Straßen im Plus-Netz Auto, werden im Hauptnetz Auto zusammengefasst. Dieses ist auf die Aufrechterhaltung der Kapazität und des Verkehrsflusses ausgerichtet. Im Falle einer Überlastung des Plusnetzes soll das Hauptnetz Kapazität bereitstellen.

Ziele des Plusnet und Hoofdnet Auto sind:

  • die Erreichbarkeit in der Stadt und von der Stadt zu gewährleisten;
  • den Durchgangsverkehr auf die dafür am besten geeigneten Straßen zu konzentrieren;

indem sie:

  • ein logisch aufgebautes Netz von Kfz-Straßen anbieten;
  • mit einem guten Durchfluss und zuverlässigen Fahrzeiten;

das folgende Voraussetzungen erfüllt:

  • nachhaltig verkehrssicher;
  • einfach zu verwalten und zu warten.

Die vierstreifige Wibautstraat ist ein Plusnetz Auto-Korridor und dient der Anbindung des Zentrums aus südlicher Richtung. Sie ist zudem Teil des Hauptnetzes Radverkehr und des Hauptnetzes Fußverkehr:

Die zweistreifige Hobbemakade ist Teil des Plusnetzes Auto:

Der zweistreifige Insulindeweg ist Teil des Hauptnetzes Auto sowie Teil der Plusnetze Fahrrad, Tram und Bus:

Abwägungsprinzipien

Bei der Entwicklung der Plus- und Hauptnetze kommt es punktuell zu Überschneidungen. Dies trifft insbesondere auf Kreuzungsbereiche zu. Hinzu kommt, dass eine Umsetzung im Bestand häufig mit verschiedenen Restriktionen verbunden ist. Dies betrifft bspw. den Denkmalwert einer Straße, aber auch das Vorhandensein von Bäumen oder Flächenrestriktionen.

Die Herausforderungen können zu einem Großteil in drei Hauptkategorien eingeteilt werden:

  1. Begrenzter Platz, um alle Qualitätsanforderungen zu erfüllen.
  2. Begrenzte Zeit, um alle Personen innerhalb einer akzeptablen Zeit über eine belebte Kreuzung zu bringen.
  3. Begrenzte Mittel, um in Verbesserungen zu investieren, wenn die Sollwerte und Anforderungen nicht erfüllt werden.

Zur Adressierung dieser drei Formen der Einschränkung wurden folgende Grundsätze entwickelt:

Das erste Hauptprinzip ist, dass das Plusnetz Vorrang vor dem Hauptnetz und das Hauptnetz Vorrang vor dem Basisnetz hat. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht absolut. Beispielsweise ist der Gehweg, der das grundlegende Maß für die Zugänglichkeit eines Gebäudes ist, Teil des Basisnetzes. Diese grundlegende Funktion wird aber nicht zugunsten eines Haupt- oder Plusnetzes beschnitten. Auch an Kreuzungen mit Lichtsignalanlagen gilt dieses Prinzip nur im Rahmen maximal akzeptabler Wartezeiten, der damit verbundenen Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die Sicherheit (Vermeidung von Rotlichtverstößen) und die Vermeidung von Behinderungen.

Das zweite Hauptprinzip hilft bei der Priorisierung von zwei gleichwertigen Netzelementen: Das Plus- oder Hauptnetz, das die Prüfwerte auf Streckenebene am wenigsten einhält, wird bei der Zuteilung von Raum und Zeit bevorzugt. Dabei handelt es sich ausdrücklich um eine Bewertung auf Streckenebene und nicht auf der Ebene eines Straßenabschnitts oder einer einzelnen Kreuzung. Wenn ein kleiner Teil der Strecke den Sollwert für den Verkehrsfluss nicht erfüllt, kann dies durch einen besseren Verkehrsfluss im weiteren Verlauf der Strecke kompensiert werden.

Das dritte Hauptprinzip bei der Abwägung zwischen gleichwertigen Netzebenen ist, dass größere Verkehrsströme bei der Verteilung von (Rest-)Raum und Zeit mehr Priorität verdienen als kleinere Verkehrsströme. Hierbei kommt es auf die Anzahl der Personen und nicht auf die Anzahl der Fahrzeuge an. Hierbei sind Anpassungen im übrigen Netz mit in die Bewertung aufzunehmen. Beispielsweise zieht der Ausbau der U-Bahn nach Fertigstellung veränderte Fahrgastströme mit sich, die im Zuge der Netzentwicklung des Plus- und Hauptnetzes des ÖPNVs frühzeitig miteinzubeziehen sind. An Kreuzungsbereichen kann daher eine Priorisierung des öffentlichen Verkehrs vorgenommen werden, obwohl die Zahl der Fahrgäste erst in einigen Jahren über denen des motorisierten Individualverkehrs liegt.

Literatur

Gemeente Amsterdam (1979): Verkeerscirculatieplan Amsterdam 1979. Kaarten van de hoofdnetten behorende bij het Verkeerscirculatieplan Amsterdam.

Gemeente Amsterdam (2005): Beleidskader Hoofdnetten.

Gemeente Amsterdam (2013): Amsterdam Aantrekkelihk Bereikbaar. MobiliteitsAanpak Amsterdam 2030.

Gemeente Amsterdam (2018): Beleidskader Verkeersnetten

Gemeente Amsterdam (2020): Leidraad Centrale Verkeerscommissie

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Daphnis
23. August 2021 15:45

Besten Dank für diesen äusserst fundierten und ausführlichen Bericht. Für mich unvergesslich, die Amsterdamer Strassenbahnen. Mit ihr ist man – im wahrsten Sinne des Wortes – zügig unterwegs, auch auf verhältnismässig langen Strecken.

Anonym
Anonym
3. Mai 2021 21:44

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Randelhoff Martin

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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