Die befestigten Wege auf dem Campus der University of Oregon (Eugene) haben es zu einiger Bekanntheit gebracht. In den siebziger Jahren optimierte der Wiener Architekt Christopher Alexander die dortige Wegeführung, indem er die Flächen zwischen den Universitätsgebäuden planieren und mit Rasen besäen ließ. Die nach Monaten entstandenen Trampelpfade wurde dann zu befestigten Wegen umgestaltet (sogenannte “Desire Lines”) und somit ein nahezu optimales Wegenetz, bestehend aus kürzesten Routen zwischen den jeweiligen Quellen und Senken, angelegt. In Finnland analysieren Stadt- und Verkehrsplaner sowie Landschaftsarchitekten schon länger die Spuren, welche die Menschen in verschneiten Parks und auf schneebedeckten Plätzen hinterlassen, um die Wegeführung besser zu verstehen und planen zu können.
In den USA, und vor allem in den sozialen Medien (Hashtag #sneckdown bei Twitter), wird zurzeit sehr stark über sogenannte “sneckdowns” – ein Kunstwort aus “snow” und “neckdowns” (dt.: Schrägstrichgatter, auch Sperrfläche) diskutiert. Das Prinzip: Die Flächen einer verschneiten Straße, die vom motorisierten Individualverkehr nicht befahren werden, braucht dieser eigentlich nicht.
Die Umgestaltung von Straßenabschnitten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, zum Zweck der Verkehrsberuhigung und zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität wird oft sehr kontrovers diskutiert. Vor allem, weil die Veränderungen meistens zu Lasten des motorisierten Indivualverkehrs gehen. Die Fahrspuren zeigen jedoch, dass einige Flächen der Straße gar nicht befahren werden und ohne Probleme in breitere Rad- und Fußwege, Verkehrsinseln und Fahrbahnteiler umgewandelt werden könnten (Beispiele aus Philadelphia / New York).
- Durch Schneepflüge oder durch den Verkehr selbst “geräumte” Straßen weisen einen verkleinerten Straßenquerschnitt auf und zeigen somit potenzielle Flächen für den ruhenden Verkehr, breitere Fußwege oder Radwege.
- Verschneite Flächen in Kurven und Kreuzungen zeigen, welche Flächen der abbiegende Verkehr wirklich benötigt und weisen auf potenzielle Flächen für breitere Fußwege hin.
- Verschneite Flächen zeigen jene Stellen, an denen Fußgänger in Realität die Straßen überqueren (nicht immer da, wo der jeweilige Planer es gerne hätte).
Verschneite Straßen können Verkehrsplanern als gute Blaupause dienen. Es dürfte keine gerechtere Aufteilung von Raum geben, als jene welche, die von der jeweiligen Nutzergruppe wirklich genutzt und damit in Anspruch genommen wird. In den USA haben sich daher bereits einige innovativ denkende Stadtverwaltungen die Spuren verschneiter Straßen als Planungsgrundlage genommen.
In Philadelphia wurde beispielsweise der Straßenabschnitt der Baltimore und 48th Street entsprechend umgestaltet. Im Winter 2011 zeigte sich im Kreuzungsbereich folgendes Bild:
Die Verkehrsplanungsbehörde schloss aus der Aufnahme, dass dem fließenden Verkehr zu viel und dem nicht-motorisierten Verkehr zu wenig Fläche zu Verfügung stand und daher eine Anpassung sinnvoll und aufgrund der Nutzung unproblematisch wäre. Aus diesem Grund entschloss man sich zur Umgestaltung des Kreuzungsbereichs:
Im Sommer 2013 wurde der Kreuzungsbereich entsprechend umgestaltet:
Die Verkehrsplanungsbehörde Philadelphias hat angekündigt, diesen Weg weiter zu bestreiten und Sneckdowns als Mittel zur Identifikation von Flächen, die umgestaltet werden können, zu nutzen. Die starke Diskussion für Sneckdowns, insbesondere in den sozialen Medien, dürfte weitere Städte und Kommunen dazu bringen, sich die verschneiten Straßen in ihrem Wirkungsbereich zukünftig genauer anzusehen.
Hallo!
Wirklich interessant!
Gäbe es nicht auch die Möglichkeit Videos auszuwerten, damit man auch ohne Schnee Erkenntnisse gewinnen kann?
Als Schneehaufen lassen sich auch mobile Absperrungen einsetzen, um den Einfluß auf die Verkehrsströme zu simulieren.
Vielleicht findet sich ja ein Tüftler, der das ganze programmiert und wissenschaftlich untermauert?
Schönes Wochenende!
Sehr interessanter Beitrag, Sneckdowns als spätere Nutzfläche ist echt eine Super Sache.