Alles Wissenswerte zum Thema Ridesharing, Rideselling, Uber und den Konflikt mit deutschen Behörden und der Taxibranche finden Sie in unserem Dossier.
Das starke Wachstum von bedarfsgesteuerten Fahrtanbietern, auch Rideselling-Services genannt, hat zu einer starke Debatte zwischen der Politik und den jeweiligen Interessensgruppen geführt (→ Unterschied Rideselling / Ridesharing). Zurzeit kann jedoch nur mit bestimmten Limitationen zielgerichtet diskutiert werden, da weder die Nutzung noch die Auswirkungen dieser Angebote ausreichend untersucht und mit Daten hinterlegt sind. Welche Nutzer fahren mit Uber, Lyft, Wundercar und Co. und welche soziodemografischen Merkmale weisen diese auf? Für welche Fahrten besteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen Taxis und Rideselling-Angeboten? Wo befinden sich entsprechende Nachfrage-Häufungen im Stadtgebiet? Welche Wirkung haben diese Angebote auf den ÖPNV? Wirken sie als Komplementär oder Substitut zum öffentlichen Personennahverkehr?
Eines jedoch scheint klar zu sein: Rideselling-Angebote können eine starke Wirkung auf den Taxiverkehr haben. Zwischen März 2012 und Juli 2014 ist die Zahl der durchschnittlichen Fahrten je Taxi in San Francisco von 1424 / Monat (2012) auf 504 / Monat (2014) gesunken, so eine Präsentation der San Francisco Municipal Transportation Agency (SFMTA). Jedoch fehlen derzeit noch entsprechende Daten von Transportation Network Companies / Rideselling-Anbietern, um abschließende Aussagen treffen zu können.
Eine Untersuchung des University of California Transportation Center (UCTC)1 hat sich erstmals eingehender mit dem Rideselling-Markt in San Francisco auseinandergesetzt. Im Rahmen einer nicht repräsentativen Umfrage mit 380 Befragten wurden Schlüsselindikatoren hinsichtlich der Nutzung und Bewertung von Rideselling-Angeboten erhoben und analysiert.
Die Stichprobe setzt sich aus Personen zusammen, welche kurz vor der Befragung eine Fahrt mit Uber und dessen Mitbewerbern durchgeführt hatten (316 Personen / 83 % der Stichprobe) oder eine Fahrt in den zwei Wochen vor dem Befragungszeitpunkt unternommen hatten (64 Personen / 17 % der Stichprobe). Die Erhebung wurde in drei Stadtvierteln San Franciscos durchgeführt, die vor allem abends wegen der hohen Bar- und Entertainment-Dichte frequentiert werden. Daher sind Fahrten im Berufsverkehr, u.a. unterrepräsentiert. Des Weiteren ist die Stichprobengröße zu gering, um eine Aussage für den gesamten Ridesharing-Markt in San Francisco treffen zu können. Dennoch können über die Befragung erste Rückschlüsse auf den Rideselling-Markt getroffen werden.
In der Befragung wurden 18 Fragen hinsichtlich Quelle und Senke der Fahrt, Wegezweck, vorherige und aktuelle Verkehrsmittelwahl, Pkw-Besitz bzw. Zugang und Demografie gestellt. Die Erhebungsdaten wurden drei Erhebungen zum Taxiverkehr gegenübergestellt: Die American Community Survey (ACS) 2012, eine Befragung von Taxinutzern für die San Francisco Municipal Transportation Agency (SFMTA) aus dem Frühjahr 2013 und Fahrtenprotokolle eines mittelgroßen Taxiunternehmens in San Francisco aus Oktober 2013 (~150.000 Fahrten)
Ergebnisse
Alter und Einkommen
Die Nutzer von Rideselling-Angeboten, ebenso wie intensive Taxi-Nutzer, sind im Allgemeinen jünger und besser gebildet als die allgemeine Bevölkerung in San Francisco. Im Vergleich mit Taxi-Vielnutzern sind Nutzer von Rideselling-Angeboten nochmals jünger. Jedoch kann dies auch den Schwächen der Befragung geschuldet sein. Die Befragten waren zu 60 % männlich und zu 40 % weiblich.
84 % der befragten Rideselling-Nutzer besaßen mindestens einen Bachelor-Abschluss (Vergleichsgröße: 54 % der Einwohner San Franciscos unter 25 Jahre haben eine äquivalente Ausbildung). Die Einkommensverteilung war nahezu identisch mit der allgemeinen Bevölkerung San Franciscos, die Rideselling-Nutzung jedoch unter 30.000 US-Dollar Jahreseinkommen deutlich unterrepräsentiert. 12 Prozent der Befragten wiesen eine Beantwortung dieser Frage zurück.
Wegezweck und Fahrtweite
Rideselling-Fahrten wurden vornehmlich zu Freizeitzwecken nachgefragt (67 % der Befragten). 16 % der Befragten fuhren wegen des Wegezwecks Arbeit, 4 % vom / zum Flughafen und 10 % hatten den Wegezweck Einkauf / Sonstiges. Ein großer Teil der Fahrten (47 %) begann außerhalb der Wohnung oder des Arbeitsplatzes (Restaurant, Bar, Fitnessstudio, usw.). 40 % der Fahrten hatten das Fahrtziel Wohnort. Vier Prozent der Befragten gaben als Start / Ziel eine Verkehrsstation des ÖPNV an. Dies lässt den Schluss zu, dass Rideselling teilweise zum Zu- oder Abgang zum öffentlichen Personennahverkehr genutzt wird. Der großer Teil der Fahrten (48 %) wurde an einem Freitag oder Samstag und hauptsächlich abends durchgeführt.
Die durchschnittlich zurückgelegte Länge einer Fahrt betrug 4,9 km und ist somit etwas geringer als die durchschnittliche Taxifahrt mit 6,0 km. Die Fahrzeuge waren mit 1,8 Fahrgästen im Durchschnitt höher besetzt und glichen sich für den Wegzweck Arbeit (1,14) an den Berufsverkehr (1,15) an. Im Vergleich dazu waren Taxis im Berufsverkehr im Schnitt mit 1,1 Personen besetzt.
In Kombination der Fahrtstrecke mit dem Besetzungsgrad boten Rideselling-Angebote eine höhere Mobilität bei weniger Fahrzeugkilometern. Im Durchschnitt wurden 8,3 Personenkilometer bei 5,0 Fahrzeugkilometern zurückgelegt. Im Taxiverkehr wurden durchschnittlich 6,5 Personenkilometer bei 6,0 Fahrzeugkilometer erzielt.
Wartezeit
Die Wartezeiten im Rideselling-Bereich waren deutlich geringer als im Taxiverkehr. 90 % der Befragten gaben an, weniger als zehn Minuten auf ein Rideselling-Fahrzeug gewartet zu haben, 67 Prozent warteten sogar fünf Minuten oder weniger. Bei einer Taxibestellung an den Wohnort mussten 35 % der in San Francisco befragten Personen weniger als zehn Minuten an Wochentagen auf ein Taxi warten. Am Wochenende sank diese Zahl auf 16 Prozent. Rideselling-Angebote scheinen dahingegen die Wartezeit über die ganze Zeit hinweg stabil auf niedrigem Niveau halten zu können.
Pkw-Verfügbarkeit, Alternativen und induzierter Verkehr
Rideselling-Angebote werden überdurchschnittlich von Menschen ohne eigenen Pkw genutzt. 43 Prozent der Befragten gaben an, keinen eigenen Pkw zu besitzen. In San Francisco haben 31 Prozent der Haushalte keinen eigenen Pkw, in der Gruppe der häufigen Taxinutzer 35 Prozent. Jedoch scheinen weitere Aussagen zu belegen, dass die Entscheidung kein Pkw zu besitzen, nicht aufgrund des Rideselling-Angebots getroffen wurde.
92 Prozent der Wege wären auch ohne das genutzte Rideselling-Angebot durchgeführt worden. Im Umkehrschluss kann festgehalten werden, dass etwa acht Prozent der Nachfrage induzierter Verkehr ist. Dies bedeutet, dass Fahrten durchgeführt wurden, die ansonsten nicht unternommen worden wären. San Francisco besitzt mehrere Stadtviertel, welche schlecht vom ÖPNV oder Taxiverkehr erschlossen sind und / oder sehr wenige Parkplätze aufweisen. Diese Stadtviertel könnten bislang aus der Zielwahl ausgeschieden sein, erscheinen jedoch durch Rideselling-Angebote, welche diese spezifischen Probleme lösen, wieder als Ziel attraktiv. Ohne Rideselling-Angebote wäre das spezifische Ziel nicht angefahren oder die Fahrt an sich nicht durchgeführt worden. Das Ergebnis bezüglich des induzierten Verkehrs sollte als untere Schranke interpretiert werden und liegt real womöglich höher.
Von den Befragten, welche die Fahrt auch mit anderen Verkehrsmitteln durchgeführt hätten, wären 39 % statt Rideselling mit dem Taxi gefahren, 33 % mit Bus oder Bahn und 6 % mit dem Pkw.
Gründe für die Nutzung von Rideselling-Angeboten
Die Gründe für die Nutzung von Rideselling-Angeboten liegen bei den verkehrlichen Wahlparametern vor allem im Bereich der Reisegeschwindigkeit und des Komforts. 20 Prozent wollten sich nicht alkoholisiert ans Steuer setzen. Nur zwei Prozent der Befragten konnten zur gewünschten Zeit kein Taxi als Alternative bekommen, für vier Prozent war der ÖPNV auf der gewünschten Strecke zur gewünschten Zeit nicht verfügbar.
Im Vergleich zum Busverkehr erschien Rideselling für 24 Prozent der Ridesharing-Nutzer, welche die Fahrt ansonsten mit dem Bus durchgeführt hätten, schneller und die Wartezeit kürzer (12 %).
Gründe für die Nutzung eines Rideselling-Angebots statt eines Taxis waren der höhere Komfort: 25 % lobten den einfacheren Bezahlprozess, 17 % die kürzere Wartezeit und 11 % den einfachen Bestellprozess. Nur drei Prozent zogen Rideselling dem Taxi aufgrund der Kosten oder der Verlässlichkeit (7 %) vor.
Rideselling-Fahrten ersetzten den Pkw vor allem aufgrund der nicht vorhandenen Notwendigkeit einen Parkplatz suchen zu müssen (25 %) oder abends Alkohol trinken zu können (19 %).
Wirkung auf den ÖPNV
Um herauszufinden, ob Rideselling-Angebote eine Ergänzung oder ein Wettbewerber für den klassischen ÖPNV sind, wurde der Zugang zum ÖPNV an Start- und Zielpunkten einer Taxi- oder Rideselling-Fahrt überprüft. Hierzu wurde ein Einzugsgebiet von 400 Metern um Haltestellen schienengebundener Verkehrsmittel und 200 Meter um Bushaltestellen während der ÖPNV-Betriebszeiten betrachtet.
Von allen Fahrten begannen und endeten 28 Prozent im Einzugsgebiet einer Bahnstation und 85 Prozent im Einzugsgebiet einer Bushaltestelle. Rideselling-Angebote haben für etwa ein Viertel der Fahrten mit schienengebundenen Verkehrsmitteln einen Substitutionscharakter. Bei Busfahrten dürfte die reale Zahl aufgrund von Umsteigebeziehungen kleiner als die ausgewiesenen 85 % sein.
32 Prozent der Taxifahrten waren theoretisch sowohl am Start und Ziel per schienengebundenen Verkehrsmitteln erreichbar und 76 Prozent per Bus. Im Allgemeinen nutzen Pkw-Besitzer Rideselling-Angeboten häufiger als andere Gruppen, obwohl der ÖPNV eine Möglichkeit gewesen wäre.
Rideselling-Angebote scheinen für längere Fahrten ein Wettbewerber zum ÖPNV zu sein, ergänzen ihn jedoch bei kürzeren Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Insbesondere bei der Notwendigkeit von Umsteigevorgängen mit entsprechendem Komfort- und Reisezeitverlust erscheinen Rideselling-Angebote als attraktive Alternative.
Fazit
Rideselling-Angebote in San Francisco scheinen insbesondere Reisezeitgewinne realisieren zu können. So ist insbesondere die Wartezeit bis Ankunft des Fahrzeugs über den gesamten Tag und die gesamte Woche hinweg vergleichsweise gering. Die geringe Wartezeit war auch der Hauptgrund für die Wahl eines Rideselling-Angebots. Hinzu kommen Echtzeitinformationen über die Ankunftszeit und den Standort des Fahrzeugs, welche die gefühlte Wartezeit geringer erscheinen lassen als die reale.
Der Rideselling-Markt in San Francisco sollte jedoch nicht als allgemeingültig angesehen werden. Uber, Lyft und SideCar waren sehr früh in San Francisco aktiv bzw. wurden dort gegründet. Die Marktdurchdringung ist daher höher als in vergleichbaren Städten, die Zahl von Anbietern und Nachfragen größer. Hinzu kommt, dass die Menge an Taxis und Parkraum in San Francisco stark reglementiert, das ÖPNV-Angebot unterentwickelt und die Stadtstruktur entweder Fußgänger- oder Pkw-orientiert ist. Zudem lebt ein überproportional großer Anteil an jungen, gut bezahlten und technikaffinen Menschen in der Stadt.
Rideselling-Angebote haben einen positive Wirkung auf die Verkehrssicherheit, wenn Alkoholfahrten vermieden werden. Jedoch ist unklar, ob diese Fahrten nicht auch mit dem Taxi substituiert werden könnten. Aufgrund des noch jungen Marktes hat Rideselling zurzeit keinen messbaren Effekt auf den Pkw-Besitz.
Obwohl die Untersuchung keinesfalls allumfassend ist, zeigt sie jedoch, dass Rideselling einen positiven Beitrag für mehr Mobilität bringen kann. Insbesondere in größeren und dicht besiedelten Städten mit einem Mangel an Parkraum und einem schlecht ausgebauten ÖPNV-Angebot wird ein entsprechender Nutzen generiert. Die genaue Wirkung von Rideselling-Angeboten auf die Verkehrsmittelwahl, andere Verkehrsarten und damit relevante Strukturen sollte in Zukunft jedoch eingehender untersucht werden.
- University of California Transportation Center: App-Based, On-Demand Ride Services: Comparing Taxi and Ridesourcing Trips and User Characteristics in San Francisco (working paper); August 2014; Berkeley – http://www.uctc.net/research/papers/UCTC-FR-2014-08.pdf ↩