In der britischen Hauptstadt London leben zurzeit rund 8,4 Millionen Menschen. Diese Zahl soll bis zum Jahr 2030 auf rund zehn Millionen Einwohner anwachsen. Zugleich besitzt London das älteste U-Bahnsystem der Welt, welches die mit der Bevölkerungszunahme verbundene Nachfragesteigerung bewältigen muss. Aus diesem Grund sucht Transport for London bereits seit einigen Jahren nach der “New Tube for London (NTfL)“, welche die älteste U-Bahn der Welt fit für die Zukunft machen und die Kapazität erhöhen soll.
Transport for London hat nun das Design der neuen Kleinprofil-Züge (“tube stock”) für die Röhrenbahn-Linien der Londoner U-Bahn vorgestellt, welches vom britischen Designbüro Priestmanngoode – eines der führenden Designbüros im Verkehrsbereich – entworfen wurde (→ siehe auch das Konzept “Moving Platforms” aus dem Jahr 2011).
Die 250 neuen Züge werden zunächst auf der Piccadilly line (100 Züge) und im Anschluss auf der Bakerloo line (40 Züge), Central line (100 Züge) und Waterloo & City line (10 Züge) eingesetzt. Jährlich werden auf der Piccadilly line zurzeit 210 Millionen Fahrgäste befördert. Diese Zahl soll laut Prognose bis 2020 um etwa 20 % wachsen. Aus diesem Grund wird die Piccadilly line prioritär umgerüstet und die neuen Züge zunächst dort eingesetzt.
Kapazitätserhöhung nach Linien:
- Central line: 25 Prozent / 12.000 Fahrgäste je Stunde
- Bakerloo line: 25 Prozent / 8.000 Fahrgäste je Stunde
- Waterloo & City line: 50 Prozent / 9.000 Fahrgäste je Stunde
- Piccadilly line: 60 Prozent / 19.000 Fahrgäste je Stunde
Die barrierefreien U-Bahn-Züge sind erstmals durchgängig begehbar und verfügen über eine Klimaanlage. Durch die durchgängige Begehbarkeit wird die Fahrgastverteilung in den Zügen entsprechend verbessert und die Kapazität je Zug erhöht.
Im Innenraum kommen weiterhin die altbewährten Stoffsitze zum Einsatz. Ein Beleuchtungskonzept soll die relativ gedrungenen Wagen optisch größer erscheinen lassen. Über Displays über den Fenstern werden dynamische Fahrgastinformation sowie Werbeanzeigen ausgespielt.
Durch breite Türspuren soll die Fahrgastwechselzeit reduziert und somit die Kapazität der Linie durch die verringerten Haltezeiten erhöht werden.
Mit Einführung der neuen Zügen wird die klassische “Mind the Gap”-Warnung schrittweise aus dem Londoner U-Bahnnetz verschwinden. Die Züge bestehen aus kürzeren Wagen. Die Züge sind durch das Mehr an Wagenübergängen variabler, weisen ein geringeres Ausschwenken des Wagenkastens je nach Gleisradius auf und können somit in Kurven näher an (Bahnsteig-) Kanten geführt werden.
Die Ausschreibung zum Bau der Züge soll Anfang 2015 beginnen und 2016 vergeben werden. Alstom, Siemens, Hitachi, CAF und Bombardier haben ihr Interesse im Rahmen einer Aufforderung zur Abgabe einer solchen bekundet und sind in die engere Wahl gekommen. Der Auftragswert für den Bau der 250 Züge wird auf 1,0 – 2,5 Milliarden £ (1,25 – 3,2 Milliarden Euro) beziffert.
Der erste Zug soll im Jahr 2022 auf der Piccadilly line verkehren. Eine Nutzungsdauer von mindestens 40 Jahren wird angestrebt. Die Züge sind für automatischen Fahrbetrieb konzipiert, werden aber zunächst händisch gefahren. Die Umstellung auf Automatikbetrieb soll schrittweise ab Mitte der 2020er Jahre erfolgen, sodass kein Fahrpersonal entlassen werden muss. Dennoch haben die Gewerkschaften Widerstand gegen die Pläne angekündigt.
Mit Einführung der neuen U-Bahn-Züge sollen zudem die Bahnsteige schrittweise mit Bahnsteigtüren ausgestattet werden, wie es bereits bei der Verlängerung der Jubilee line der Fall war. Diese sollen Menschen vor einem Sturz auf die Gleise bewahren und zudem die Luftzirkulation zwischen Tunneln und Bahnsteigen unterbinden. Dies ist insbesondere im Brandfall von großer Bedeutung.
Auf der Webseite des Designmagazins Dezeen ist noch ein interessantes Interview mit Paul Priestman von Priestmangoode zu den Designhintergründen zu finden.
Das Design für London ist wegen der engen Tunnels immer gut: Nicht immer dieselben Klötze, sondern ein anderer Querschnitt.
Den Ansatz des automatischen Fahrens finde ich interessant, weil damit eine langweilige und dennoch ständige Aufmerksamkeit fordernde Aufgabe an eine Maschine übertragen wird, die nicht ermüdet und — nebenbei mit Blick auf Streikfreudige Länder wie Deutschland und Frankreich bemerkt — auch die Arbeit nicht als Druckmittel nieder legt.