Dies ist ein Gastartikel von Ansgar Hegerfeld. Wenn auch Sie Interesse haben, einen Gastartikel auf Zukunft Mobilität zu veröffentlichen, dann schreiben Sie mir bitte.
Ich sitze tagtäglich im Sattel und fahre pro Jahr etwa 10.000 Kilometer mit dem Fahrrad quer durch Frankfurt am Main (Link zu Twitter). Hierbei erfährt man wortwörtlich viele positive wie negative Erfahrungen, Letztere häufig bedingt durch mangelhafte Infrastruktur und Konfrontationen mit anderen Verkehrsteilnehmern.
Als verkehrspolitisch interessierter Radfahrer stößt man wiederholt auf Informationen und Erfahrungsberichte aus der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Diese vermitteln jedoch nur einen bestimmten Ausschnitt, das Bild bleibt unvollkommen. Manche Dinge sollte man daher vor Ort selbst erfahren, um einen ganzheitlichen Eindruck zu gewinnen. Ich habe mich daher auf dem Weg nach Kopenhagen gemacht und das dort Erlebte zunächst im Kopf und im Anschluss beim Schreiben dieses Artikels mit den tagtäglichen Erfahrungen und Gegebenheiten in Frankfurt am Main verglichen. Hiervon möchte ich euch berichten.
Die Anreise nach Kopenhagen erfolgte per Auto. Unerwartet hierbei: die E20 ist sehr gut ausgebaut, sodass man komfortabel auf 2-4 Spuren je Fahrtrichtung auf der Autobahn bis an die Stadtgrenze herangeführt wird. Von dort ging es in meinem Fall über die Sjællandsbroen auf zwei Spuren je Richtung gen Zentrum. Wieso das hier erwähnt wird? Wer Kopenhagen hört, hat vor allem Bilder von Radwegen im Kopf und denkt, dass Autofahrer mit allen Mitteln aus dem Stadtzentrum herausgehalten werden. Das stimmt allerdings nur bedingt, wie ich zu meiner Überraschung feststellen musste.
Was und wie getestet wurde
Ich habe mich darauf beschränkt, zwei verschiedene Arten der Wegfindung zu testen. Zum einen habe ich mehr oder weniger wahllos Ziele in der Stadt gesucht und mich per Osmand im Fahrradmodus dorthin lotsen lassen. Fahren nach Beschilderung ist in Kopenhagen nahezu unmöglich, weil es überraschend wenig Wegweiser an den Straßen gibt. Man sollte selbst wissen, wie man zu seinem Ziel kommt oder ein Navigationssystem besitzen. Nur vereinzelt gibt es an den Hauptrouten kleine Wegweiser für Radfahrer zu anderen Stadtteilen.
Der zweite Test war das Fahren ohne festes Ziel. Hier habe ich mich oftmals auf den Supercykelstier genannten und besonders gut ausgebauten Radwegen treiben lassen, teilweise aber auch durch kleinere Seitenstraßen, wenn ich am Horizont etwas Interessantes entdeckte.
Aufgrund des leider nur kurzen Aufenthaltes von eineinhalb Tagen wurde hauptsächlich der Bereich westlich des Hafens erkundet, daher können die Ergebnisse für die östlichen Bereiche durchaus abweichen.
Gelebter Minimalismus im Straßenverkehr
Was anfangs nur unterbewusst wahrgenommen wurde, im Laufe des Besuchs aber immer mehr „auffiel“, war der gelebte Minimalismus im Verkehrsraum. Wer in Deutschland am Straßenverkehr teilnimmt, wird mit Schildern und Hinweisen regelrecht erschlagen. Das sieht in Kopenhagen ganz anders aus: es gibt nahezu keine Wegweiser, Verbots-/Gebotsschilder oder sonstige Schilderwände mit den aus Deutschland bekannten unzähligen Zusatzschildern für entsprechend viele Ausnahmen. Hier ergibt sich ein erster Pluspunkt für die Dänen: der deutlich reduzierte Schilderwald sorgt für mehr Übersichtlichkeit und erlaubt die Konzentration auf das Wesentliche – die Umgebung und die anderen Verkehrsteilnehmer.
In Frankfurt werden, wie in vielen anderen deutschen Städten auch, Kreuzungsbereiche teilweise ganz bewusst mit Sichtbehinderungen versehen um in der Theorie das Tempo zu senken. In der Praxis führt dies eher zu noch mehr brenzlichen Situationen, weil gar kein Sichtkontakt zwischen Radfahrern (rot markiert) und Autofahrern (gelb, hinter den Büschen) möglich ist, bevor man direkt voreinander steht.
Zum reduzierten Schilderwald kommt ein anderes und simpleres Ampeldesign als in Deutschland. Extra Schaltungen für Links-/Rechtsabbieger vermisst man in Kopenhagen meist. Stattdessen gibt es, trotz links abbiegender KFZ, üblicherweise nur zwei Schaltungen bei einer „Standard-Kreuzung“ mit zwei kreuzenden Straßen. Das ergibt den zweiten Pluspunkt: jeder Verkehrsteilnehmer weiß genau und ganz intuitiv wie der Verkehr fließen wird. Es gibt nicht für jede Spur eine andere Schaltung und Sonderregelungen, die man kennen müsste. Das alles natürlich ohne Schilder oder, wie in Deutschland üblich, unterschiedlichen Streuscheiben an den Ampeln (ohne Pfeil / mit Pfeil und damit Vorfahrt). Nur rot und grün, bei letzterem muss man beim Abbiegen die Vorfahrt aller Anderen beachten – so einfach ist das in Kopenhagen.
Als sehr angenehm stellten sich auch die zusätzlichen Ampeln auf der gegenüberliegenden Straßenseite bzw. in hängender Form in der Mitte der Kreuzung heraus. Diese zeigen lediglich dieselben Informationen wie die Ampeln an der Haltelinie, sind aber je nach Lichteinfall deutlich besser zu erkennen. Bonus auch für Radfahrer: man muss sich nicht, wie in Deutschland üblich, den Kopf verrenken, um während der Wartezeit die Ampel im Blick zu behalten. Auch gibt es im Normalfall keine Bedarfsschaltung, bei der man als Radfahrer (wie in Frankfurt üblich) einen Taster auf dem Gehweg betätigen muss, um nach „grün“ zu betteln.
Verfügbarer Platz im Innenstadtbereich
Wer durch Kopenhagen radelt wird schnell feststellen, wie breit die Straßen sind. Damit sind nicht nur die Hochbord-Radwege gemeint, sondern die gesamten Straßenschluchten. Kopenhagen hat an vielen Stellen sehr viel Platz, auch im Innenstadtbereich. Da können durchaus fünf Fahrspuren je Richtung und ein üppig breiter Radweg nebeneinander verlaufen (z.B. Gyldenlovesgade). Das unterscheidet Kopenhagen bspw. sehr von Frankfurt mit seinen meist schmalen Straßen und sollte im Hinterkopf behalten werden, wenn man davon spricht, das Kopenhagener Modell auf andere Städte kopieren zu wollen. Allerdings gibt es an den Hauptverkehrsstraßen meist keine Parkplätze, sodass mehr Raum für fließenden Verkehr zur Verfügung steht. In Frankfurt hingegen ist es üblich an Hauptverkehrsstraßen noch einige Meter Raum für Parkplätze zu reservieren.
Als Fußgänger in der Stadt
Gerade bei Kurzstrecken sind Fußgänger nicht nur am schnellsten unterwegs, die eigenen Füße sind hier auch das effizienteste Verkehrsmittel. Gerade wer „nur kurz“ ein oder zwei Straßen weiter oder einfach flanieren gehen möchte, nimmt nicht unbedingt das Fahrrad.
Hier zeigt sich eine Schattenseite von Kopenhagen: die Gehwege sind nicht selten äußerst schmal, von Wasserrinnen unterbrochen und eher lieblos mit wechselnden Oberflächenbelägen versehen. Gerade in Bereichen mit Außengastronomie liegt die Breite oftmals bei nur noch etwa 1 – 1,5 Metern. Man kann immer wieder Eltern mit Kinderwagen sehen, die versuchen sich ihren Weg durch die restlichen Fußgänger zu bahnen – ausweichen ist an vielen Stellen praktisch unmöglich. Gibt es dann noch Gegenverkehr wird es richtig unangenehm. Auch Rollstuhlfahrer haben es aufgrund der schmalen und unebenen Gehwege alles andere als leicht. Ausweichen auf die Radwege sollte man in Kopenhagen nur, wenn man sich vorher versichert hat, dass keine Radfahrer kommen. Andernfalls ist Chaos vorprogrammiert.
Diese Geringschätzung einer so wichtigen Fortbewegungsart ist für eine so „grün“ eingestellte Stadt nicht nachvollziehbar.
Im Gegensatz zu den deutschen Vorgaben haben Fußgänger in Kopenhagen allerdings einen Luxus, den es hier gewollt nicht gibt: sie können auch etwas größere Kreuzungen immer während einer Grünphase in einem Zug überqueren und müssen keine Zwangspause auf der Mittelinsel einlegen. Das war anfangs etwas ungewohnt, ist aber eigentlich nur logisch. In Deutschland ist so etwas leider die absolute Ausnahme.
Als Radfahrer in der Stadt
Was in Kopenhagen sofort auffällt, sind die im Vergleich zu deutschen Großstädten verwendeten Fahrräder. Mountainbikes sieht man nur vereinzelt, der Großteil fährt mit einfachen „Hollandrädern“ oder Lastenrädern aller Art. Aufgrund der meist sehr guten Oberflächen sieht man allerdings auch immer wieder Rennräder auf Radwegen, teilweise auch mehrere (nebeneinander) in einer Gruppe. Das stört dort kaum, weil die Wege oftmals so breit sind, dass sich langsame und schnelle Radfahrer nicht in die Quere kommen.
Wer langsam ist, fährt weiter rechts, die Schnelleren links. Überholt wird in der Regel ohne Handzeichen, ein Schulterblick genügt. Die schnelleren Radfahrer haben Routine darin, bei Ausweichmanövern zunächst ein wenig nach links auszuweichen. Auf den sehr breiten Wegen kann es so durchaus zu mehreren Überholmanövern gleichzeitig kommen. Mein persönlich beobachteter Rekord waren, leicht versetzt, sechs Radfahrer nebeneinander. Ganz ohne verbale Kommunikation, Konflikte oder Ähnlichem. Gegenseitige Rücksichtnahme wird in Kopenhagen großgeschrieben.
In Kopenhagen gibt es einige Grundregeln, die man als Radfahrer beachten sollte. Abbiegevorgänge werden per Handzeichen eindeutig angekündigt. Wer anhalten oder indirekt links abbiegen möchte, hält seine flache Hand neben seinen Kopf. Die allermeisten Radfahrer halten sich übrigens an diese Vereinbarungen.
Insgesamt kann man die Fortbewegung, auch per Fahrrad, als deutlich zivilisierter beschreiben als in Deutschland üblich. Auch in Kopenhagen gibt es vereinzelt Rotlichtsünder, diese haben aber durch den noch fließenden (Kraft-)Verkehr meist keinen nennenswerten zeitlichen Vorteil und werden eher skeptisch beobachtet.
Obwohl es in Kopenhagen sowohl auf der Straße als auch in den Fahrradläden überraschend wenig Pedelecs zu sehen gibt, fahren sehr viele Radler durch die kaum vorhandenen Steigungen und die guten Beläge entspannt Geschwindigkeiten von über 20 km/h – mit einfachsten Stadträdern wohlbemerkt! Hier spielt der Stadt die für Radfahrer sehr gut geeignete Topografie in die Hände, wobei auch Frankfurt bis auf einige Bereiche im Norden sehr flach ist. Auf vielen deutschen Radwegen ist der Belag allerdings in einem Zustand, der so eine Geschwindigkeit kaum zulässt.
Was positiv auffällt: In Kopenhagen fahren wirklich alle Fahrrad. Unabhängig von Alter, Geschlecht, Beruf oder sonstigen Merkmalen. Man wird, sofern man die wenigen Grundregeln beherrscht, sofort als Teil der Masse akzeptiert, kann dem Strom folgen und sein Ziel sicher und entspannt erreichen.
Auch macht es durchaus Spaß sich in ein Café oder auf eine der Bänke zu setzen und die Karawanen von Radfahrern zu beobachten. Schließlich ist es auch oftmals leiser als in Frankfurt, da Fahrräder bekanntermaßen weniger Lärm als Autos produzieren. Das wissen auch die Anwohner und nutzen diese Möglichkeit ebenfalls gerne für Pausen. Außerdem erleichtert der geringere Geräuschpegel Gespräche zwischen Radfahrern, wenn man nebeneinander fährt.
Wenn auch die meisten Fahrradfahrer in Kopenhagen ohne Helm fahren, sieht man mehr und mehr Leute, nahezu ausnahmslos Frauen, die die noch relativ neuen Fahrrad-Kopf-Airbags tragen. Das Sicherheitsgefühl scheint also auch in Kopenhagen etwas zu leiden, auch wenn ich hierzu keine Zahlen vorliegen habe. Die hohe Verbreitung dieser Airbags fiel allerdings auf, die Gründe für diese Entwicklung konnten in der kurzen Zeit vor Ort nicht ergründet werden.
Radwegbreiten und Durchgängigkeit
Auch Kopenhagen bietet verschiedene Typen von Radinfrastruktur. Dazu zählen vornehmlich die baulich getrennten Hochbord-Radwege, es gibt allerdings auch Strecken mit Radfahrstreifen oder ganz ohne Infrastruktur. Die Breite variiert auch in Kopenhagen von Strecke zu Strecke sehr stark, auf Nebenstrecken kann sie durchaus auf etwas über 2,00 Meter sinken. Das reicht gerade noch so, dass sich zwei sicherere Radfahrer, ggf. mit Ankündigung, überholen können. Auf den Frankfurter Radwegen mit seinen typischerweise 0,90 Metern bis 1,50 Metern sind Überholmanöver generell kaum möglich und werden daher meist verbotenerweise über den Gehweg ausgeführt.
Ein riesiger Unterschied im Vergleich zu deutschen Hochbordradwegen ist der Umgang mit Ein- und Ausfahrten. Während in Deutschland Radwege bei jeder kreuzenden Einfahrt komplett abgesenkt werden, verlaufen sie in Kopenhagen auf derselben Höhe weiter. Für Autos gibt es entsprechende Asphaltkeile, die die Querung des Radweges ermöglichen. Lediglich im Bereich zur Fahrbahn hin wird der Radweg teilweise leicht abgesenkt und mit einem Asphaltkeil unterstützt. Hier rollt es sich auch bei höherem Tempo durch die nur leichte und weniger steile Absenkung als Radfahrer sehr gut. Man muss nicht, wie in Frankfurt (z.B. auf der Friedberger Landstraße stadteinwärts ab der Friedberger Warte), durch die steile und starke Absenkung Angst haben abzuheben oder seinen Einkauf zu verlieren.
Es ist allerdings auch in Kopenhagen nicht alles perfekt. Es gibt auch Radwege, die eher der deutschen Breite entsprechen und damit kein Überholen oder das Fahren nebeneinander ermöglichen. Gelegentlich enden Radwege oder Radfahrstreifen auch dort im Nichts, allerdings ist die Quote deutlich geringer als hierzulande.
Sehr im Rampenlicht stand die Eröffnung der Cykelslangen genannten Brücke für Fahrräder. Die Brücke bietet eine neue und direktere Verbindung im Sydhavnen. Der Belag ist wie üblich sehr gut, der Anstieg dafür ungewohnt steil. Viele nicht elektrifizierte Lastenradler tun sich hier sichtbar schwer. Umso erstaunlicher ist die relativ schmale Bauweise von gerade einmal vier Metern – für einen der ohnehin seltenen Zweirichtungsradwege ist das in Kopenhagen sehr wenig. So kommt es auf dieser gut angenommenen Strecke durch die sehr verschiedenen Geschwindigkeiten durchaus zu „stockendem Verkehr“, weil ein Überholen nur eingeschränkt möglich ist. Wieso man trotz des anscheinend vorhandenen Platzes diese schmale Variante wählte, bleibt leider offen.
Rücksichtnahme an Konfliktstellen
Was für mich persönlich sehr ungewohnt war, ist die Rücksichtnahme der Autofahrer. Im parallelen Verkehr muss man sich hier dank baulicher Trennung wenig Gedanken machen. Sobald es in den Kreuzungsbereich geht, wird es allerdings spannend, da sich hier die deutschen und Kopenhagener Radwege kaum unterscheiden. Die rechtsabbiegenden KFZ bekommen 1-2 Sekunden nach den Radfahrern grün, fahren etwas vor und halten dann parallel zum Radweg. Es ergibt sich also dasselbe Problem der sehr spitzen Winkel wie in Deutschland, die ohne Kontrolle der Spiegel und einem sehr umfangreichen Schulterblick schnell zu den bekannten Abbiegeunfällen führen. Das funktioniert in Kopenhagen allerdings sehr gut. Ob es daran liegt, dass die Dänen einfach mehr Rücksicht nehmen oder man in Kopenhagen tatsächlich immer damit rechnen muss, dass mehrere (oft sehr flotte) Radler geradeaus möchten, kann ich nicht beurteilen.
Beachtlich ist auch die Konsequenz der Rücksichtnahme. Wenn die KFZ etwas in die Kreuzung hinein gerollt sind, halten sie an und bleiben dann auch komplett stehen. Ich konnte einen Hamburger Reisebus beobachten, der, wie in Deutschland üblich, weiter langsam vorwärts rollte und nicht komplett stoppte. Das führte bei den eher entspannten und ruhigen Kopenhagenern zu einem überraschenden Tumult, hatte der Busfahrer damit doch signalisiert, nicht 100% aufmerksam auf den Verkehr zu achten und ggf. den Radfahrern beim Rechtsabbiegen die Vorfahrt zu nehmen.
Linksabbiegen für Radfahrer
Links abbiegen ist in Kopenhagen als Radfahrer nur indirekt möglich. Ob das schlimm ist? Um das zu beantworten zu können, muss man sich das als langsam verschriene System im Kontext der allgemeinen Ampelschaltung angucken.
In Kopenhagen gibt es wie eingangs erwähnt meist nur zwei Schaltungen. Man hat also im Normalfall beim nächsten Zyklus die Kreuzung überquert, da man sich nach der Fahrt geradeaus (rot im Bild) auf der imaginären Stellfläche des kreuzenden Radwegs einordnet. Durch die ohnehin doppelt vorhandene Ampelanlage kann man auch von dort ohne Probleme die Signale sehen. Ein wichtiger Unterschied zu Deutschland, wo nur an bestimmten Kreuzungen das Linksabbiegen ermöglicht bzw. durch die Sichtbarkeit von Ampeln überhaupt sinnvoll umsetzbar ist.
Durch die meist sehr kurzen Zyklen der Ampelschaltung (~20-40 Sekunden) geht es dann sofort weiter nach links (gelb im Bild). Der Unterschied zu Deutschland zeigt sich vor allem in der Wartezeit auf der Stellfläche. Hier steht man in Deutschland durch die komplexen Schaltungen und den Vorrang des Kraftverkehrs in der Regel tatsächlich deutlich länger.
Würde man direkt links abbiegen, das geht an den meisten Stellen für KFZ tatsächlich, wäre man nur unwesentlich schneller. Die Linksabbieger müssen immer erst den geradeaus fahrenden Verkehr aus der Gegenrichtung abwarten und können erst dann, also kurz bevor der indirekte Linksabbieger an seiner Zwischenstation starten kann, selbst abbiegen.
Das indirekte Abbiegen sorgt insgesamt für deutlich kürzere Ampelphasen weil praktisch zwei Verkehrsstränge „parallel“ fahren können. Würden sich die Radfahrer gemeinsam mit den linksabbiegenden KFZ einordnen, dann müssten die Ampelphasen deutlich länger sein damit alle Verkehrsteilnehmer auf die andere Seite kommen.
Anfangs war diese Form des Abbiegens etwas ungewohnt, weil man nicht genau wusste, wo sich die korrekte Aufstellfläche befindet. In Deutschland sind hierfür meist extra aufgemalte „Wartetaschen“ vorhanden, durch die oft seltsamen Winkel sind diese aber nur selten effektiv nutzbar. Nach den ersten zwei Vorgängen war es aber eigentlich klar und selbsterklärend. Unterm Strich ist das Kopenhagener Linksabbiegen deutlich komfortabler und auch schneller als die deutsche Variante.
Die Supercykelstier
Aushängeschild der Kopenhagener Radinfrastruktur sind die Supercykelstier, also sehr gut ausbaute Radwege für längere Distanzen. Sie sind vor allem deutlich breiter als die normalen Radwege in Kopenhagen, führen mit diversen Routen quer durch die Stadt und ermöglichen dank wenig Kreuzungspunkten schnelle und komfortable Fahrten von A nach B. Das Netz soll in den kommenden Jahren noch deutlich weiter ausgebaut werden, um noch mehr Leute auf das Rad zu bekommen.
Tatsächlich fährt es sich auf diesen Wegen extrem gut. Sie sind durchgängig glatt asphaltiert, in einem überwiegend sehr guten Zustand und ermöglichen es auch längere Strecken ermüdungsfrei zurückzulegen. Es gibt wenig Ampeln und die Konfliktpunkte mit Fußgängern sind meist per Zebrastreifen gelöst.
Fahrt auf der C99/C94:
Von den für Radfahrer optimierten Ampelschaltungen („grüne Welle“) konnte ich leider keine finden. Lediglich eine Anzeige für die eigene Geschwindigkeit konnte ich auf der Albertslundruten (C99) entdecken. Dort gab es auch Anzeigen etwa 100 Meter vor einer neuen Ampelanlage, die die Restdauer der Rotphase anzeigte. Das hilft enorm, da man selbst gut einschätzen kann, welches Tempo man bis zur Ampel halten sollte und braucht gar nicht erst anhalten. Der Ausbau dieser Technik wäre mit relativ wenig Aufwand möglich und zählt zu den wohl besten Annehmlichkeiten. Dieser Punkt fällt aber weniger ins Gewicht, weil es ohnehin relativ wenig Ampeln auf diesen Strecken gibt.
Kopenhagener Bonbons für Radfahrer
Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einem signalisieren: „Du bist hier willkommen!“. Das merkt man in Kopenhagen als Radfahrer an Kleinigkeiten, wie passend zur Fahrtrichtung ausgerichteten Mülleimern, Fußabstellflächen an Ampeln (auch an Supercykelstier nur gelegentlich vorhanden) oder Kreisverkehren mit zwei verschiedenen Bodenbelägen für KFZ und Radfahrer.
Besonders hervorheben muss man die Detailplanung für Asphaltkeile. Wer von einem baulich getrennten Radweg schon einmal versucht hat direkt links in eine Seitenstraße abzubiegen, kennt die Problematik, dass man absteigen und das Rad die Bordsteinkante runterschieben müsste. Nicht so in Kopenhagen: eigentlich überall, wo man es benötigen könnte, sind passende Asphaltkeile installiert, die einen komfortabel auf die Fahrbahn leiten. So kann man trotz Hochbord-Radweg schnell links abbiegen. Die Umstellung von Deutschland, wo solche Keile sehr spärlich, ungern und oft auch noch völlig unpassend angelegt werden, hat etwas Zeit beansprucht. In Kopenhagen kann man davon ausgehen, dass überall wo es nötig ist, passende Keile vorhanden sind.
Auch bei der Wegeplanung achtet man darauf, Verbindungen zu schaffen. So gibt es sogar auf der Supercykelstier C94 ein Stück Zweirichtungsradweg. Nachdem die Verwunderung nachgelassen hatte, ist ein Asphaltkeil kurz vor dem Ende des Zweirichtungsabschnittes aufgefallen. Damit konnte man den Grund für diese für Kopenhagen untypische Maßnahme erkennen: es kam eine etwas versteckte Unterführung für Radfahrer von rechts, hier wollte man eine schnelle und direkte Verbindung schaffen. Durch die wie üblich klare Verkehrsführung und ausreichend Platz gab es auch hier keine Verwirrung.
Parkplatzsituation
Man liest viel von der bewusst angespannten Parkplatzsituation für KFZ in Kopenhagen. Ganz nachvollziehen konnte ich das vor Ort allerdings nicht. Auch im zentrumsnahen Bereich gibt es überall öffentliche Stellflächen, die meist für zwei Stunden kostenfrei genutzt werden können. Nur wer länger parken möchte, muss bezahlen.
Überraschend war auch, wie viele freie Parkplätze es an nahezu jeder Ecke gab. Kein Vergleich zu Frankfurt, wo jeder freie Parkplatz hart umkämpft und im Innenstadtbereich oft nach wenigen Sekunden neu vergeben ist. Ob das an den vielen Leuten liegt, die kein Auto in Kopenhagen besitzen oder an zu vielen Parkplätzen?
Die Parkplatzsituation für Fahrräder ist dagegen deutlich angespannter. Die Stadt Frankfurt stellt, wo es irgendwie geht, möglichst viele brauchbare Fahrradbügel auf. Das ist in Kopenhagen anders. Die allermeisten Räder stehen auf den (ohnehin schmalen) Gehwegen und sind nicht an festen Gegenständen angeschlossen. Lediglich an einigen Stellen gibt es stationäre Fahrradständer, hier werden allerdings vorzugsweise die inzwischen in Deutschland in Verruf geratenen „Felgenbrecher“ eingesetzt.
Die Häuserwände sind nicht selten von abgestellten Fahrrädern aller Art gesäumt. Das ist weder diebstahlsicher noch schön oder aufgrund des verbleibenden Platzes gar für Fußgänger akzeptabel. Hier könnte Kopenhagen, wie Frankfurt, mit wenig Aufwand viel erreichen. Auch stünden mehr als genug KFZ-Stellplätze zur Verfügung, die umgewidmet werden könnten.
Etwas besser sieht es an Knotenpunkten wie Bahnhöfen aus. Dort findet man die auch aus Frankfurt bekannten doppelstöckigen Parkanlagen für Fahrräder.
Falschparker
In Deutschland gehören auf Rad- und Gehwegen geparkte Autos und Lieferfahrzeuge fest zum Straßenbild. In Frankfurt erkennt man hieran die besseren Radwege: stehen mehr Autos auf einem Radweg kann man davon ausgehen, dass dieser mehr Platz bietet und daher zu den Besseren zählt.
In Kopenhagen spürt man auch bei diesem Problem die Rücksichtnahme (oder Angst?) der Kraftfahrer. In der Regel sind die Radwege autofrei und bleiben auch von sonstigen Hindernissen verschont. Selbst bei Großveranstaltungen mit entsprechend hohem KFZ-Aufkommen parkt niemand einfach auf dem Rad- oder Gehweg, nicht einmal teilweise.
Lediglich einige Lieferanten und Handwerker scheinen diese Rücksichtnahme vergessen zu haben und nutzen wie in Deutschland auch mal die Rad- und Gehwege als Parkplatz. Poller oder sonstige bauliche Maßnahmen gegen Falschparker sucht man in Kopenhagen vergeblich. Anscheinend haben die Dänen ein wirksameres Mittel gegen Falschparker. Ob es die höheren Bußgelder sind?
Dass es durch Poller und sonstige Barrieren auch zu vielen Unfällen kommt, wird gerne vergessen, gerade weil die allermeisten Poller in deutschen Städten nicht den gesetzlichen Anforderungen im Hinblick auf Farbe und reflektierende Eigenschaften entsprechen.
Führung des Radverkehrs in Baustellenbereichen
Auch in Kopenhagen wird selbstverständlich gebaut, hierbei lassen sich Verkehrsbehinderungen nie komplett vermeiden. Im Unterschied zu Frankfurt fällt allerdings die Berücksichtigung des Radverkehrs auf. Baustellen wie in Frankfurt, bei denen ohne Vorankündigung mittels Absperrungen und der beliebten Schilder „Durchfahrt für Radfahrer verboten“ jegliche Fortbewegung auf zwei Rädern verhindert wird, muss man in Kopenhagen lange suchen. An einigen wenigen Baustellen merkt man aber auch in Kopenhagen die Autozentrierung, dort wird es ähnlich ungemütlich wie in Deutschland. Im Normalfall machen sich die Bauarbeiter aber offensichtlich Gedanken um ihre Installationen.
Das Fahrgefühl in Kopenhagen
Abseits der Theorie und Technik wird das Gefühl des Radfahrens oft vernachlässigt. Gefühle sind immer sehr subjektiv und spiegeln daher lediglich meine persönliche Meinung wider.
Insgesamt fand ich das Radfahren in Kopenhagen deutlicher entspannter im Vergleich zu Frankfurt. Man kommt grundsätzlich zügig und unkompliziert von A nach B. Die simpel gehaltene Infrastruktur macht es allen Verkehrsteilnehmern leicht sich zu orientieren, auch das in Deutschland bekannte „wo soll ich nun plötzlich hin“-Gefühl stellte sich nur äußerst selten ein. Die Rücksichtnahme der Autofahrer wie auch der Radfahrer und Fußgänger sorgte für ein sehr sicheres Gefühl und ließ den Adrenalinspiegel während Fahrten quer durch die Stadt ungewohnt niedrig bleiben.
Auch das Verhalten der Radfahrer untereinander war vorbildlich, selbst leicht brenzlige Situationen aufgrund vereinzelter Unachtsamkeit wurden ruhig und souverän gemeistert. Man spürt einen großen gegenseitigen Respekt bei allen Verkehrsteilnehmern, die Frankfurter „Jeder gegen Jeden“-Mentalität sucht man vergeblich.
Dieser Respekt spiegelt sich auch in einem Gefühl der persönlichen Sicherheit während der Fahrt wider. In Frankfurt kann Radfahren an/auf einigen Hauptverkehrsstraßen extrem anstrengend sein, weil man permanent damit rechnen muss „übersehen“ zu werden oder von einem Geisterradler bedrängt zu werden. Diese Angst fehlt in Kopenhagen, man kann sich auf den Genuss des entspannten Radelns konzentrieren. Die Frage an dieser Stelle ist, ob wir in Deutschland diesen Respekt einfach verlernt haben? Und wenn ja, was sind die Gründe dafür? Auch Kopenhagen wirkt durch den nach wie vor oftmals starken Kraftverkehr auch alles andere als eine reine Fahrradstadt, dies kann also nicht der Grund für die Entspannung sein.
Etwas ungewohnt waren die zum Glück nicht allzu weit verbreiteten Motorroller. Diese fahren dort ebenfalls auf den Radwegen – und nehmen selbstverständlich ebenfalls Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer. Durch die teilweise hohen Geschwindigkeitsunterschiede ist es nicht unbedingt sehr angenehm plötzlich überholt zu werden. Die Problematik wird sich mit den in Frankfurt bereits häufiger anzutreffenden Elektrorollern noch verschärfen.
Persönliches Fazit, verkehrspolitische Meinung & Ausblick
Kopenhagen macht ganz klar Vieles richtig und ist auf einem guten Weg. Allerdings sind die Voraussetzungen durch den verfügbaren Platz auch ideal, dazu dürfte die Infrastruktur durch den Minimalismus unschlagbar günstig sein. In Deutschland kosten Radwege zwar mehr als in Kopenhagen, aber immer noch deutlich weniger als eine vergleichbare Infrastruktur für dieselbe Anzahl an in KFZ beförderbaren Personen. Wichtig hierbei: es sollte vielmehr die Anzahl der beförderten Personen, nicht die Anzahl der Fahrzeuge pro Stunde berücksichtigt werden. Hiervon sind wir in Deutschland aber noch weit entfernt.
Die Stadt ist aber in vielen Bereichen auch (noch?) sehr autofreundlich, sodass ich ungern von einer reinen „Fahrradstadt“ sprechen würde, dafür gibt es schlichtweg noch deutlich zu viele Fahrspuren und KFZ-Parkplätze, gerade im Hinblick auf die eher spärlichen Gehwege und kaum vorhandene Fahrrad-Parkplätze.
Um Menschen, die bislang wenig oder kein Rad fahren, zu überzeugen sich auf zwei Rädern fortzubewegen ist es meiner Meinung nach unabdingbar, gute und baulich getrennte Radwege auf den Hauptrouten anzubieten. Der typische Frankfurter Radweg mit seinen nicht einmal zwei Metern Breite, der oftmals miserablen Oberfläche und dem oft mangelhaften Winterdienst zählt nicht zu der Kategorie „gut“. Eine zum Überholen ausreichende Breite ist das absolute Minimum, um großflächige Akzeptanz für Radwege zu erhalten. Bei Radfahrern gibt es schließlich, anders als bei KFZ, sehr große Geschwindigkeitsdifferenzen. Das hat Kopenhagen erfolgreich getan, die Radfahrer folgten bekanntermaßen.
Video: Der noch recht neue Radweg auf der Friedberger Landstraße in Frankfurt zeigt wie Radinfrastruktur nicht aussehen sollte. Dank tiefen Absenkungen alle paar Meter, der nicht ausreichenden Breite und selbstverständlichen Falschparkern fährt man hier besser auf der Fahrbahn. Außerdem wechseln sich alle in Frankfurt vorhandenen Infrastruktur-Typen auf wenigen Kilometern ab.
Weitere Maßnahmen wie Sperrungen von Straßen für den individuellen Kraftverkehr können und sollten als Druckmittel genutzt werden, um das Autofahren schlicht unbequem zu machen. Die meisten Menschen möchten lediglich mobil sein, aber nicht zwingend mit dem Auto mobil sein. Wenn es bequemere, günstigere und zuverlässigere Angebote gibt, werden diese von ganz alleine beliebter werden, auch wenn die Umgewöhnung im Kopf meist seine Zeit benötigt.
Allerdings sorgt die in Kopenhagen verwendete Art der Radwege alleine nicht für mehr reale Sicherheit insbesondere im Kreuzungsbereich, dafür müssen auch die Kraftfahrer sensibilisiert werden und entsprechend Rücksicht auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer nehmen. Daran hapert es in Deutschland oftmals. Ob es daran liegt, dass Autofahrer im Falle von (tödlichen) Unfällen bis auf die psychische Belastung in Deutschland wenig zu befürchten haben? Oder dass von Radfahrern gestellte Strafanzeigen oftmals im Nichts verlaufen und auch die Polizei bei der Behinderung und Gefährdung von „nur“ schwächeren Verkehrsteilnehmern gerne ein Auge zudrückt? In Frankfurt ist es durchaus normal, dass man als Autofahrer per Dauerhupen anderer Kraftfahrer dazu genötigt wird, schwächeren Verkehrsteilnehmern die Vorfahrt zu nehmen oder Kreuzungsbereiche zu blockieren. Solange selbst diese Form von Rücksicht nicht vorhanden ist, ist die Vision von null Verkehrstoten in unerreichbarer Ferne. Selbstverständlich müssen sich auch Radfahrer an die Regeln halten, gerade im Hinblick auf Geisterradler oder Spurwechsel ohne Schulterblick gibt es hier noch Potential nach oben.
Nur mit der Kombination aus guten und baulich getrennten Wegen (für die gefühlte Sicherheit, die gerade bei unsicheren Radfahrern gerne vernachlässigt wird) und der Durchsetzung der StVO für die reale Sicherheit im Hinblick auf die gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer lassen sich lebenswerte und sichere Städte erreichen. Kopenhagen legt bei dieser Kombination die Messlatte sehr hoch und darf sich daher zurecht eine sehr fahrradfreundliche Stadt nennen, wenn auch mit Abzügen in der B-Note.
Hätte man das Ziel „Radfahren für alle“, trotz der rücksichtsvollen Autofahrer, auch mit reinem Mischverkehr ohne getrennte Radwege erreicht? Oder sind die Autofahrer in Kopenhagen erst so rücksichtsvoll geworden, nachdem sich immer mehr Radfahrer durch die angelegten Radwege auf das Fahrrad trauten? Und wieso halten sich in Kopenhagen auch die Radfahrer mehr an die StVO als in Frankfurt? Haben die Dänen einfach mehr Respekt voreinander im Straßenverkehr als die Deutschen? Wenn diese Fragen geklärt sind, kann man auch Schlüsse auf die Weiterentwicklung der deutschen Infrastruktur schließen.
Sehr geehrter Herr Ansgar Hegerfeld,
ich bin eine Schülerin der HLW Schrödinger in Graz und schreibe meine Diplomarbeit über Kopenhagen und darüber, wie Graz sich verbessern könnte, um das Fahrrad attraktiver für die Bewohner zu machen. Hiermit möchte ich fragen, ob es mir gestattet wäre, Ihre Bilder und Informationen in meine Arbeit mit einzubauen?
Mit freundlichen Grüßen
Lorena Bressan
Hallo,
natürlich, sehr gerne! Der Artikel selbst steht unter der “CC BY-SA 3.0 de”-Lizenz und meine eigenen Bilder können auch gerne mit Namensnennung für die Diplomarbeit genutzt werden. Falls eine höhere Auflösung o.ä. benötigt wird bitte einfach kurz eine E-Mail schicken: ansgar.hegerfeld \at\ adfc-frankfurt.de
Und natürlich freue ich mich über eine digitale Kopie der fertigen Arbeit, das Thema klingt sehr interessant.
Viele Erfolg und viele Grüße!
Ich bin auch alle paar Jahre mal in Kopenhagen und war letztes Jahr etwas bestürzt, dass viele dieser technischen Innovationen wie die grüne Welle oder diverse Anzeigen entlang des C99 ziemlich, naja, heruntergekommen waren. Das Leihradsystem mit den elektrischen Rädern und dem iPad-ähnlichen Display wurde erst vor ein paar Jahren mit einem großen Hype eingeführt nd war letztes Jahr quasi komplett defekt; ich fand nur noch ein paar einzelne Räder in der Gegend herumstehen, bei denen der Bildschirm gegen eine Kunststofffolie mit Bedienungsanleitung ausgetauscht wurde. Stattdessen standen und lagen überall die blöden E-Roller herum — Hurra!
Da dachte ich mir glatt: Das läuft ja teilweise so gut wie bei uns in Deutschland, wo grundsätzlich für den Radverkehr nur medienwirksame Leuchtturmprojekte realisiert werden und man ansonsten sehen kann, wo man mit dem Rad abbleibt.
Allerdings bin ich bei Aufenthalten in Dänemark immer wieder erstaunt, wie wenig Platz entlang der Straßen für Fußgänger bleibt. Da gibt es dann mitunter zwei Fahrstreifen für den Kraftverkehr pro Richtung, jeweils einen sehr breiten und angenehm fahrbahren Radweg pro Richtung, aber der Gehweg ist mit Mühe gerade mal anderthalb Meter breit und mit Außengastronomie, parkenden Fahrrädern und Laternenpfählen eingeengt.
Danke für den Bericht. Das beschreibt doch genau das, was ich erwarte, wenn Dt. sich fahrradfreundlicher geben will, um Radentscheider zu beruhigen.
Danke für den Artikel, ich habe ein paar Perspektiven gewonnen, die ich vorher noch nicht auf dem Schirm hatte.
Ich muss allerdings einwenden, dass er Kopenhagen schon äußerst kritisch betrachtet. Vielleicht ein erforderlicher, nüchterner Gegenansatz zu den unkritischen Lobhudeleien eines Colville-Andersen, aber an einigen Stellen schon etwas überzogen – so etwa, wenn du hauptsächlich Bilder aus Kopenhagen präsentierst, wo der Radweg im nichts endet oder Baustellen eng verläuft. Ich fahre sehr oft Rad in Kopenhagen, und solche Stellen gibt es fast nie bzw. sie faktisch nie negativ auf. Als jemand, der 7 Jahre in Hamburg gelebt hat und 6 Jahre in Kopenhagen, finde ich, man sollte schon deutlicher herausstellen, dass Kopenhagen in einer völlig anderen Liga spielt als deutsche Städte. Das eine ist mit dem anderen nicht ansatzweise vergleichbar, und der wesentliche Unterschied ist die subjektive Sicherheit durch durchgängige, breite Hochbordradwege. Solange wir diese dämlichen Schutzstreifen und Radfahrstreifen ohne bauliche Trennung bauen, werden nicht viel mehr Leute aufs Rad umsteigen. Das sollten wir mE von Dänemark lernen. Auch in den Niederlanden ist zudem nicht alles Gold, was glänzt. Die Separierung zum Autoverkehr erfolgt dort an nicht wenigen Stellen auch nicht optimal. nämlich nur per Schutzstreifen.
Hervorzuheben ist, dass in Kopenhagen die große Radwegbreite gerade bei den Videos z.T. wesenlich dadurch entsteht, dass kein Sicherheitsstreifen zu den parkenden Autos oder auch zur Fahrbahn markiert oder gebaut ist. Wenn hier die deutschen Vogaben berücksichtigt würden (mind. 0,50 m, besser 0,75 m), bleibt zumindest bei den Radwegen im Video nicht mehr so viel Breite mehr über als im Frankfurter Beispiel. Und gerade die im linken Teil des Radwegs fahrenden, also überholenden Radfahrer sind besonders schnell, Unfälle also folgenschwer.
Zu Unfallzahlen dazu in Kopenhagen ist mir zwar nichts bekannt, in D sind Dooring-Unfälle mit Beifahrertüren jedenfalls nicht unerheblich. Aber Klaus Bondam, früher Verkehrsdezernent von Kopenhagen, hatte es in früheren Vorträgen als bewusste Entscheidung dargestellt, Radwege rechts vom Parken zu führen, weil Beifahrer ja seltener seien als Fahrer. Beifahrer gucken aber vielleicht noch seltener nach hinten beim Aussteigen…
Grobfazit: Parken raus und schon kann man sehr viel mehr mit einer Straße anfangen, schon rein platzmäßig…
Hallo,
„Parken raus“ aus der Innenstadt bringt tatsächlich enorm viel – bin gerade ein paar Tage in Utrecht und genieße es sehr, hier Rad zu fahren.
Im Innenstadtbereich – soweit ich ihn bisher erfahren habe – gibt es de facto so gut wie keine Parkplätze für Kfz; und sicher auch deshalb so gut wie keine privaten Kfz (drei Minuten an einer großen Hauptverkehrsstraße unweit des Bahnhofs an einem Mittwochvormittag vier oder fünf (!) Privat-Kfz gezählt, ansonsten Busse, Lieferfahrzeuge und Taxen.
Von den Parkhäusern für Fahrräder gar nicht zu reden. In Berlin wird gerade über ein erstes „vollautomatisches“ in B-Zehlendorf für etwa 120 (!) Räder gesprochen – hier in Utrecht ist nichts vollautomatisch, dafür groß (mehr als 13.000 Stellplätze!) und vor allem funktioniert es – wäre schön, wenn wir in D auch einfach mal gut funktionierende Lösungen übernehmen könnten statt das Rad neu (und teurer und komplexer) zu erfinden.
Fazit: Utrechts Innenstadt ist erkennbar für Menschen und nicht für Autos konzipiert – wie schön.
Das ist so nicht richtig.
Bei Scheuklappenbetrachtung mag sich dieser Eindruck einstellen, aber in der Gesamtschau wäre doch zu erwähnen, dass gerade auch Utrecht sehr viel Wert auf perfektionierte Autoerreichbarkeit legt und dies neben dem excessiven Autobahnausbau auch zB durch P&R Konzepte, die quasi aus der CO2-Hölle kommen vorantreibt.
Es wird auch gern mal vergessen, dass die meist liberal-Rechts regierten NL zu den ökologischen Schlusslichtern der EU gehören.
Stetiges MIV Wachstum wie in der Metropolregion Kopenhagen oder in der NL Randstad sind definitiv nicht kompatibel mit der Lösung der Probleme des 21. Jhd.
Stattdessen bräuchten wir endlich Konzepte zur Reduktion des MIV.
Da sind zur Zeit eher Städte wie Paris in den Fokus zu nehmen.
Woran machst du das mit dem ökologischen Schlusslicht fest?
Interessanter Bericht. Danke.
Trotzdem ist festzuhalten:
Kopenhagen (CPH) entwickelt und etabliert ständig neue Maßnahmen, um den Fahrradverkehr im öffentlichen Raum zu priviligieren bzw. zu priorisieren; man installiert Ampelsensensoren, baut extra Highways und Brücken, Geländer zum Abstützen, sogar spezielle Mülleimer usw.). Und auch wenn das vielleicht (für Touristen) nicht sofort und überall klar erkennbar ist: Man hat dem Kraftfahrzeugverkehr in den letzten Jahrzehnten massiv eingeschränkt.
“”Wenn Sie bei einer fixen Fläche den Fahrradanteil erhöhen wollen, gibt es nur eines: Sie müssen dem Autoverkehr Raum wegnehmen” … “Oberste Priorität hat der Ausbau der Infrastruktur. Wandeln Sie Parkplätze in Radwege um”, rät Tørsløv. Dann steigen mehr Autofahrer auf das Fahrrad um, weil sie damit bis an ihr Ziel kommen – als Autofahrer müssten sie noch einen langen Fußweg vom Parkplatz in Kauf nehmen. In Dänemark weiß man das schon lange. Die meisten der Kopenhagener Radfahrer nennen als Grund für ihre Verkehrsmittelwahl, dass man mit dem Rad eben am schnellsten von A nach B komme. Die Fahrzeit ist ausschlaggebend – nicht der Umweltschutz oder der Wunsch, seinem Körper etwas Gutes zu tun” http://www.zeit.de/auto/2012-02/kopenhagen-fahrrad.
Ohne die künstliche Verknappung von Verkehrsflächen für den Kraftfahrzeugverkehr hätte das Copenhagenize-Modell in der Stadt nicht funktioniert. Gleichzeitig hat man kräftig in den Fahrradverkehr investiert und tut es immer noch (siehe auch oben). Laut Greenpeace sogar 35,60 Euro pro Einwohner und Jahr. In Amsterdam sind es 11 Euro und in Berlin 4,70 Euro. Aber was kommt dabei unter dem Strich heraus?
Viel hilft nicht viel … das steht fest. Denn schaut man beispielsweise auf den Modal Split ist der Pkw-Anteil in CPH trotz der hohen Investitionen in den Fahrradverkehr seit 2010 von 29% wieder auf 34% (2016) gestiegen. Und das, obwohl Autos in Dänemark aufgrund des hohen Verkaufspreises (doppelt so teuer wie bei uns) eigentlich echte Luxusgüter sind. Der Radverkehr (CPH-weit) ist im gleichen Zeitraumm von 31% auf 29% gesunken. Auch der Anteil des Fahrradverkehrs an den Wegen zur Arbeit und Ausbildung ist rückläufig: von 45 Prozent im Jahr 2014 auf 41 Prozent im Jahr 2016. https://nationaler-radverkehrsplan.de/de/aktuell/nachrichten/zufriedenheit-mit-kopenhagen-als-fahrradstadt. Die Zielsetzung lag hier für das Jahr 2015 übrigens bei 50%.
Die simple Formel mehr und bessere (bzw. sicherere) Radverkehrsinfrastruktur gleich automatisch mehr Fahrradfahrer scheint zumindest in CPH nicht unbedingt zu stimmen, auch wenn uns die Verantwortlichen gerne etwas anderes einreden wollen. Insofern sollte man sich aus deutscher Sicht auch nicht allzu sehr am Beispiel CPH orientieren.
So long
Alex
Die Frage ist, ob die Maßnahmen auch wirken und wenn ja, ob die Wirkung wie erhofft ist. Besser ist mir nicht bekannt, dass Koppenhagen da ergebnisoffen evaluiert. Und wofür braucht es um alles in der Welt Mülleimer für Radfahrer? Wenn ich fahre, fällt bei mir schlicht kein Müll an. Ampelsensoren braucht es nur, wenn es Ampeln gibt und die braucht es vor allem, wenn es viel Autoverkehr gibt.
Das man Verlagerungen nur erreicht, wenn man den Autoverkehr unanttraktiver macht, weiß man auch in Deutschland – nur verweigert sich die universitäre Verkehrswissenschaft bisher der offensiven Teilnahme am öffentlichen Diskurs.
Wo hast du das mit dem Anstieg des MIV_-Anteils gefunden? Auf Seite 5 habe ich das mit dem zurückgehenden Radverkehrsanteil gefunden. Interessant ist auch Seite 20: Radverkehr wächst in der City, auf den längeren Strecken wächst die Bedeutung des Autos deutlich.
Wenn auf den Radwegen dort lärmende und stinkende Drecks-Motorroller unsanktioniert fahren, wäre das nichts für mich. Diese Asozialenroller bringen noch einmal die 1000fache Schadstoffbelastung gegenüber schon abgasbetrügerischer PKW. Tief einatmen beim Fahrradfahren vermeiden! Da wären mir Elektroroller schon viel lieber.
Durch die vielen anscheinend aus einer deutschen Stadt stammenden Bilder finde ich den Artikel ziemlich unübersichtlich. Bitte markieren.
Da es ein Vergleich zwischen einer deutschen Großstadt (hier Frankfurt) und Kopenhagen sein soll, sind diese natürlich im Artikel eingebunden. Wenn ein Bild aus Frankfurt stammt, steht dies eindeutig in der Bildunterschrift. Ich habe noch einmal deutlich hervorgehoben, welche Stadt auf einem Foto zu sehen ist.
Was ich auch an Deutschlands Radwegen hasse, was auch schön im Video Frankfurter Radweg zu sehen ist, ist dass sämtliche Kanaldeckel und Kanalzugänge unbedingt auf dem Radweg gebaut werden müssen. Warum nicht Kanaldeckel auf dem Fußweg bauen? Fußgänger steigen problemlos auf oder über diese Deckel, Radfahrer bleiben spürbar hängen beim drüberrollen, vor allem wenn die Deckel nicht exakt plan im Weg liegen.
Habe hier in meiner Stadt auch Radwege, wo Kanalzugänge bzw. Absperrhähne auf dem Radweg von Kopfsteinpflaster umgeben sind (eine kleine Reihe von Kstpfl.). Was soll der Mist? Das merkt man alle paar Meter dass man dort rüberfährt, was sehr unangenehm ist beim Fahren.
Ich denke dass in Deutschland gar nicht gewünscht ist, dass Radfahrer schnell und bequem vorankommen. Radfahrer stören nur sowohl die Fußgänger als auch die Autofahrer.
Kanaldeckel auf Gehwegen sind Stolperkanten, man kann mit dem Stock hängen bleiben, mit dem Rollator Schwierigkeiten haben.
P. s. @Randelhoff Martin: Bei mir kommen keine E-Mails zu neuen Kommentaren an, trotz Abonnement dieser.
@Norbert Ich schaue es mir mal an…
/Update: Ich habe es gerade getestet und auch die Benachrichtigung für diesen Kommentar erhalten. Hast du den Empfang von Benachrichtigungen in der ersten E-Mail bestätigt?
/Update 2: Ich habe gerade in der Datenbank nachgesehen. Du hast die Antworten auf drei deiner Kommentare abonniert, aber nur einmal das Benachrichtigungsabonnement bestätigt. Wenn du die anderen beiden Abos bestätigst, sollte es funktionieren. Alternativ könntest du im Kommentarbereich “alle neuen Kommentare” abonnieren. Dann reicht eine Bestätigung aus.
Ich klicke immer brav auf “bestätigen”. *schulter zuck*
Das mit den ausgefeilten Abonniermöglichkeiten muss man erst einmal checken und dass die an verschiedenen Stellen sind. Ist natürlich chick, da variieren zu können, aber auf Anhieb eingängig ist es nicht.
Diese Deckel sind lediglich die Zugänge der Versorgungsleitungen wie Telefon/Internet usw. und nur die Einfassung des Rahmens ist aus Metall und der Rest besteht aus Beton. Diese Schächte muss man nun einmal dort hinsetzen, wo auch die Leitungen liegen – dafür gibt es Bauvorschriften, an die sich Städte und Gemeinden nun einmal halten müssen.
Wenn man die überfährt, ist das nicht im geringsten Tragisch, in dem Fall hat @ David Stefan schon etwas überzogen.
Auf den Fotos aus Frankfurt befinden sich weder auf den Radwegen noch auf den Gehwegen Gullydeckel; es sind lediglich Schächte für die Versorgungsleitungen wie Gas, Wasser, Strom und Telekommunikation (Telefon/Internet). Diese Schächte müssen dort platziert sein, weil es sich danach richtet, wo die Leitungen liegen.
Dass sie dort leicht spürbar »hängen bleiben« würden, bezweifle ich; man muss sich auch nicht wirklich so pingelig anstellen.
Und wenn es dann um Absperrhähne für Gas und Wasser geht, sind die auch wieder dort platziert, wo die Leitungen liegen. Soll man wegen ihrer »Feinfühligkeit« etwas die Leitungen der Hausanschlüsse verlegen, um die Absperrhähne dort zu platzieren, wo sie es gerne hätten?
Übrigens sehen sie auf dem vorletzten Bild aus Kopenhagen, dass auf dem Radstreifen auch ein Deckel eingebaut ist, der ganz aus Metall ist. Ist es nass, können sie auf diesem Deckel tatsächlich wegrutschen und sich verletzen; auf einem Deckel, der zu 99,5 % aus Beton besteht und dessen Oberfläche rau ist, passiert das jedenfalls nicht.
Und mal ganz ehrlich: Was ist daran so tragisch, wenn es mal eine Unebenheit gibt und es ein wenig rüttelt und schüttelt? Wenn sie in Wohngebieten fahren und dort eine 30er-Zone eingerichtet ist, fahren sie grundsätzlich auf der Fahrbahn, weil es in den 30er-Zonen keine Radwege gibt. Doch auch die Fahrbahnen haben Unebenheiten und sogar teilweise Schlaglöcher und sie dort auch schon mal auf Holperstrecken fahren.
Wenn sie mal wirklich Holperstrecken fahren, kommen sie hier zu mir in die Stadt, denn hier gibt es noch alte Geh- und Radwege aus alten Klinkern, die mehr oder minder unter einer Art Denkmalschutz stehen. Diese Klinker sind nicht zu 100 % plan und man fährt dort einfach mal etwas langsamer. Und da die meisten Fahrräder viele Stahlfedern haben und Stöße und Schläge deutlich abgefedert werden ist das ohnehin kaum ein Problem.
Beschaffen Sie sich einfach eine Sattelstange die Gefedert ist und das Problem ist Geschichte.
Man(m) muss sich nicht wirklich so pingelig anstellen, weil es hier und dort mal eine Unebenheit gibt, die lächerlich gering ist.
Ich fahre im Sommer gern Ratouren quer durch Europa, und habe Städte wie Amsterdam, Prag, Warschau, Berlin, München oder Verona bereits “beritten”. Ich bin vor Jahren den Berlin – Kopenhagen Radweg gefahren. Kopenhagen ist für Radfahrer natürlich der Traum. Gegen die Niederländer können sie aber nicht mithalten. Man muss aber schon fairerweise anmerken, dass deutsche Städte sich auch positiv entwickeln. Das merkt man, wenn man mal in Städten wie Prag ist, wo man als Radfahrer auf extrem verlorenen Posten ist. Aber Kopenhagen spielt natürlich schon in der ersten Liga.
Danke. Damit sind meine kritischen Anfragen an die euphorischen Berichte, die klingen, ob sie aus einem Kopenhagener Planungsbüro kommen, dass sein Geld mit Radwegebau verdienen, als berechtigte Korrekturen am einseitigen Bild wohl richtig.
Ich empfehle, auch mal im Basler Dreiländereck mit dem Rad zu fahren. Die Stadt liegt de facto in drei Staaten und mein Eindruck ist, dass es einen Unterschied macht, auf welchem Staatsgebiet man unterwegs ist. Der Basler im formellen Sinne ist viel entspannter als der Weiler oder Lörracher.
Ein Aspekt hast du nicht bedacht: Es macht ein Unterschied, ob ich als Tourist erstmalig in einer Stadt unterwegs bin oder langjähriger Bewohner. Der Bewohner sammelt über die Jahre z. B. negative Erlebnisse, die hängen bleiben.
Eine Frage zum Bild mit dem unterbundenen Durchgangsverkehr: Wie wenden da die Kfz?
btw: Ausnahmen widerlegen eine Regel und bestätigen sie nicht. Das Sprichwort ist so plausibel wie die Verkehrspolitik der Bundesregierung.
Hallo,
Danke für den Tipp, werde ich nach Möglichkeit mal angehen.
Meiner Meinung nach muss sich gerade ein Tourist sofort “wohl” fühlen und wissen wie der Verkehr funktioniert. Wenn er das nicht kann ist das System nicht intuitiv und damit mangelhaft. Natürlich dauert es eine Weile bis man kleinere Fehler bemerkt (oder man weiß worauf man achten muss), wenn es allerdings bereits reihenweise gröbere Schnitzer wie auf Frankfurter Radwegen gibt (Radwege in Türzone geführt, unklare Verkehrsführung, Radwege enden regelmäßig ohne Ankündigung im Nichts) fällt das allen gleichermaßen auf. Noch eher den Touristen, die sich nicht schon dran gewöhnt haben.
Zum Bild: die KFZ haben die Möglichkeit auf einer Art kleinem Platz vor den Pollern zu wenden, dort gibt es auch noch keinen Radweg. Dieser “Radweg” beginnt erst im Bereich der Kreuzung, was allerdings aufgrund des praktisch nicht vorhandenen Kraftverkehrs nicht stört, dort wird der Platz dann entsprechend schmaler.
Natürlich soll Infrastruktur intuitiv sein. Man sollte nur nicht Städte vergleichen, die man als Tourist kennt oder als Einwohner.
Damit haben sie vollkommen recht.
Als Beispiele werden aber immer nur Städte wie Kopenhagen, Amsterdam und auch mal Groningen genannt. Schaut man jedoch in die Seitenstraßen abseits der Hauptverkehrswege, wird man ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Am Ende zeigt das nur, wie erfolgreich Branding sein kann, wenn auch unverdächtige Akteure außerhalb des Stadtmarketings mitmischen.
Danke für den in vielerlei Hinsicht aufschlussreichen Artikel.
“Hätte man das Ziel „Radfahren für alle“ …”
Ich bin inzwischen der Meinung, dass gerade in dieser Formulierung ein großes Missverständnis steckt.
Klaus Bondam, als ehemaliger Technischer Bürgermeister Kopenhagens einer der Väter der dortigen Verkehrswende, sagte bei einer Veranstaltung in Hamburg Folgendes: “Zuerst haben wir damit begonnen, die Schulen mit geschützten Radwegen zu verbinden.”
Man muss sich bewusst sein, dass jede Radverkehrsführung eben nicht die Interessen “Aller” begünstigt, sondern jeweils eine bestimmte Untergruppe. Die wird zwangsläufig ausgewählt, nämlich durch die Art der Radverkehrsführung.
Ich halte es für keinen Zufall, dass in Dänemark und in den Niederlanden (“Stop den Kindermoord”) zunächst Radinfrastruktur an den Bedürfnissen der kindlichen Radfahrer orientiert wurde. Denn in der Kindheit sozialisierte Mobiltätsmodi behalten die späteren Erwachsenen oft bei und geben sie wiederum an ihre Kinder weiter. Man kann sagen, dass die jetzige Radverkehrskultur in diesen beiden Ländern zu einem Gutteil “durchgewachsen” ist.
Auch übrigens die Cykkelsuperstier wenden sich nicht an “alle”, sondern wurden besonders auf die Bedürfnisse der Pendler abgestimmt.
Noch zu den Asphaltkeilen bei den Ein- und Ausfahrten. Die sind mir auch aufgefallen, zunächst beim Fehlen des abrupten Auf und Ab, wie ich es aus Deutschland gewohnt bin. Ich hatte jedoch das Gefühl, dass ich durch die Nicht-Absenkungen auch sicherer war und habe über dieses Gefühl nachgedacht:
Die Fuß- und Radwege sind in Dänemark wie auch in den Niederlanden bei Ein- und Ausfahrten (fast) durchgängig nicht abgesenkt sondern halten ihr Niveau. Der begrenzende Kantstein ist zur Fahrbahn hin per Asfaltfüllung angeschrägt, um die Reifen der querenden Kfz zu schonen.
Bei uns: Der Fuß- und (falls vorhanden) der Radweg werden bei den doch recht häufigen Ein- und Ausfahrten mit richtig viel Aufwand abgesenkt, um den Kfz-Führer möglichst schnell in den Fahrbahnverkehr einfädeln zu lassen (Prinzip Beschleunigungsspur). Dies verteuert den Strassenbau vor allem in Städten.
Im direkten Gegensatz zur dänischen Bauweise ergeben sich bei uns, soweit ich sehe, drei sich gegenseitig verstärkende unfallbegünstigende oder sogar unfallprovozierende Faktoren.
1. und vielleicht am schwerwiegendsten:
Durch die bauliche Anlage als Quasi-Beschleunigungsstreifen wird die Aufmerksamkeit des Kfz-Führers schon vor dem Queren des Fuß- bzw des Radweges auf die Fahrbahn bzw auf den dortigen Kfz-Verkehr gelenkt, um eine geeignete Lücke zum Einfädeln zu erspähen. Einfädeln ist bekanntlich unfallträchtig, für den Kfz-Führer selbst gefährlich und beansprucht deshalb die Aufmerksamkeit des Kfz-Führers aufs Höchste.
Kann der Kfz-Führende dagegen, wie in Dänemark, wegen des erhalten gebliebenen ’natürlichen‘ Niveauunterschieds erst nach dem Passieren von Geh-/Radweg beschleunigen, so ist es folgerichtig auch erst dann sinnvoll, die Aufmerksamkeit auf den querenden Kfz-Verkehr zu richten.
Die Aufmerksamkeitsressourcen des Kfz-Führers werden also nicht schon vom Fuß- und Radverkehr abgezogen, bevor der Kfz-Führende diese überhaupt erst gequert hat.
Ähnlich beim Einfahren, wo es für den Kfz-Führer gilt, die Einfahrt zu treffen. Auch hier braucht es die Temporeduzierung durch den Kantstein, damit Aufmerksamkeitsressourcen für den querenden Fuß- und Radverkehr frei werden.
Das wäre der Punkt Aufmerksamkeitssteuerung.
2. Das erhalten gebliebene, als Verkehrsberuhigung wirkende Niveaugefälle (dänische Lösung) setzt die Geschwindigkeit des ein- oder ausfahrenden Kfz herab. Neben der erheblichen Verminderung der kinetischen Energie im Falle eines Unfalls ergibt sich schon vor dem Eintritt des Worst Case ein weiter geöffnetes Zeitfenster für unfallvermeidende Reaktionen beider Seiten.
3. gibt es auch einen psychologischen Effekt. Das durchgehende Niveau und das durchgehende Baumaterial des Fuß- bzw Radwegs machen deutlich, dass sie – und mit ihm der Vorrang des Fuß- bzw Radverkehrs – auch an Ein- und Ausfahrten keineswegs unterbrochen sind. Je mehr die Ein- und Ausfahrten für die Bedürfnisse des sowieso nur sporadisch querenden Kfz-Verkehrs zugerichtet sind, desto höher ist der – dem Verkehrsrecht widersprechende – Vorfahrtsanspruch und mit ihm die Unfallgefahr.
Wer fährt (nur/hauptsächlich) von Schule zu Schule? Glaub das bin ich kein einziges Mal in meinem Leben. Dafür aber unzählige Male zur Schule. Und das Zuhause der Schüler kann überall liegen, wo gewohnt wird.
Danke für die ausführliche Rückmeldung!
Ich stimme insofern zu, dass jede Art der Verkehrsführung eine gewisse Zielgruppe hat. Allerdings kann man z.B. Radwege durchaus so errichten, dass sie für nahezu alle Radfahrer passen. Da greife ich gerne das Beispiel “Cykkelsuperstier” auf: die Wege haben natürlich primär das Ziel die Pendler auf das Fahrrad zu locken, gleichzeitig bieten sie aber sehr wohl eine hervorragende Führung für alle Radfahrer. In Kopenhagen fahren dort Rennräder, Eltern mit Lastenrädern, Hollandräder, Kinder, Roller usw. ohne Probleme gemeinsam. Entscheidend ist hier meiner Meinung nach eher ob verschiedene Nutzergruppen (z.B. schnelle Rennradfahrer & langsamere Lastenräder) die Infrastruktur gleichzeitig nutzen können ohne sich zu stören. Da ist vor allem die verfügbare Breite der Wege der Schlüssel zum Erfolg. In Kopenhagen kann man genau diese Mischung auf den breiteren Radwegen sehen, es ist bei weitem nicht so als würden die Cykkelsuperstier nur von Pendlern genutzt werden. Mir fehlt der persönliche Vergleich zu den Niederlanden, allerdings sind mir die Kampagnen gegen die vielen getöteten Kinder von früher durchaus bekannt. Meine These: man kann durchaus Radwege bauen, die nahezu allen Nutzergruppen gerecht werden. Natürlich an einigen Ecken mit Einschränkungen für gewisse Gruppen, spätestens wenn es um die Ampelschaltungen für die ggf. extrem unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei den Radfahrern geht. Hier ließen sich viele Diskussionen sicherlich entschärfen indem die Benutzungspflicht im Regelfall aufgehoben wird, indem die besonders schnellen (und meist auch sicheren) Radfahrer mit dem Kraftverkehr mitfließen können. Somit könnte jeder für sich entscheiden welche Infrastruktur die passende ist.
Zu den Asphaltkeilen/Einfahrten: das ist ein klassisches Beispiel, an dem man sehen kann, dass in Deutschland die Regelwerke nach wie vor sehr autozentriert ausgelegt sind. Tatsächlich finde ich als Radfahrer die abgesenkten Einfahrten, je nach Ausprägung, lediglich als etwas unangenehm. Deine Argumente bzgl. der Sicherheit hatte ich so im Detail noch nicht bedacht, danke dafür! Sehr interessant und absolut plausibel.
Bitte immer berücksichtigen, dass auch Radfahrer Abstand beim Überholen halten müssen. Auch wenn das meist funktioniert, will ich so überholen können, dass es vollkommen korrekt und legal ist. Und wenn man das berücksichtigt, werden Radwege sehr schnell sehr breit. Oder nehmen wir das latente Restrisiko hin? So wie es eng überholende Autofahrer*innen auch machen?
Die hohe Zahl an Fahrradfahrern könnte bedeuten, dass viele Autofahrer gleichzeitig auch Fahrradfahrer sind und deshalb bewußter fahren. Mich würde interessieren ob der hohe gegenseitige Respekt und die Einhaltung der Verkehrsregeln wohlmöglich an einer besseren Verkehrserziehung in jungen Jahren liegt.
Bei beiden Punkten ist davon auszugehen, allerdings habe ich dazu keine Zahlen vorliegen. Ich werde allerdings allgemein versuchen zu dem höheren Respekt noch etwas herauszufinden.
Gruß aus Berlin, vieles was sie hir als Pluspunkt auf zählen giebt es auch hir in Deutschland Berlin umgesetzt. Ich finde eine Einzelschaltung gerade bei Ampeln (Radfahrer/Autos) seher sinvoll. Es vergeht kein Tag an dem ich nicht beobachte das Radfahrer trotz Rotlicht noch schnell über die Kreuzung “fliegen”, das Auto das rechts abbiegen will steht ja auch noch auf der Kreuzung. Oder es wird gleich einfach bei Rot durch den Querferker gefahren (wir reden hir von fließendem Verker auf einer drei Spurigenstraße je fahrtrichtung). §1 gild für alle (nicht GGB sonder STVO). Möglicherweise wissen es auch viele Radfahrer einfach nicht das die Perspektive eines Autofahrers sich erheblich von der eines Fraradfahrers unterscheidet.
(Rechtsabbiegen sicht Autofahrer: Hab ich grün ?; Kommen Fußgener (beide Richtungen)?, Sind da Radfahrer auf der Radspur (mit dem Verker, Spiegel, Schulterblick, ist da noch einer in A,B oder C- Seule, wie schnell ist wer von denen )?; Kommt da noch ein Radfahrer in falscher Richtung oder über den Fußweg (der kompt praktisch aus dem nichts)? )