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Jahresrückblick 2018: Umweltwirkungen des Verkehrs, Luftreinhaltung und Klimaschutz

Bild der A40 in Essen Fahrverbot Stadt Diesel
Die Bundesautobahn A 40 in Essen - Foto: Martin Randelhoff @ QIMBY.net - CC0 1.0

Im Jahr 2018 wurde nahezu kontinuierlich auf verschiedenstem Niveau über die Umweltauswirkungen des Straßenverkehrs diskutiert. Stand zunächst noch das Thema Luftreinhaltung und die diversen Urteile zu Fahrverboten aufgrund überschrittener Stickstoffdioxid-Grenzwerte im Fokus, kam im Laufe des Jahres das Thema Klimaschutz und Klimawirkungen des Verkehrs hinzu.

Im Februar 2018 ebnete das Bundesverwaltungsgericht den Weg für Fahrverbote in Deutschland. In Folge kam es in vielen betroffenen Kommunen zu einer hektischen Betriebsamkeit und den Versuchen, mit einem “Green City Plan” Fördermittel des Bundes für kurzfristig wirkende emissionsreduzierende Maßnahmen zu akquirieren. Durch die Maßnahmen sollen der geltende Grenzwert kurzfristig doch noch erreicht und Fahrverbote somit vermieden werden. Das Problem ist jedoch, dass es kurzfristig umzusetzende Maßnahmen, die zudem die notwendige Wirkung entfalten, kaum gibt. Angebotsverbesserungen im ÖPNV benötigen Planung, Fahrzeuge, Personal und ggf. zusätzliche Streckenkapazität – von einer Finanzierung der Angebotsausweitung einmal abgesehen.

Auch eine pauschale bzw. punktuelle Senkung der Ticketpreise ist kurzfristig nur eingeschränkt umsetzbar: oftmals sind die betroffenen Städte in die Tarifstrukturen eines Tarif- und Verkehrsverbunds eingebunden, die kommunale Haushaltslage lässt haushaltsrechtlich die Übernahme eines größeren Betriebskostendefizits des ÖPNV nur eingeschränkt zu. Am Ende wirken viele Maßnahmen wie unvollkommener Aktionismus, der mitunter etwas verzweifelt wirkt: in Essen bot die Ruhrbahn Neukunden das Abo-Monatsticket (24 Monate Laufzeit) zum halben Preis an – finanziert aus Mitteln des Bundes und somit nur Neukunden zugänglich. Innerhalb weniger Stunden waren die 1.000 Tickets vergriffen und viele bisherige Kunden verärgert. Der Ärger ging bei manchen sogar so weit, dass sie ihr bisheriges Abo-Ticket noch am selben Tag kündigten.

Am Ende stellt sich die Frage, ob der Umfang der Maßnahme  – hier 1.000 Tickets in Essen – und der Fokus – vergünstigte Monatstickets mit ausschließlicher Gültigkeit innerhalb des Essener Stadtgebiets – überhaupt einen entsprechenden Beitrag zur Einhaltung der Grenzwerte leisten kann. Oftmals ist der Preis nicht der entscheidende Faktor, den Pkw gegen Bus und Bahn einzutauschen. Es ist zwar verständlich, dass nach jedem erreichbaren Strohhalm gegriffen wird, die Wirkung dürfte jedoch nur äußerst gering sein. Nicht ohne Grund haben das Bundesverwaltungsgericht und viele andere Verwaltungs- bzw. Oberverwaltungsgerichte keine anderen Maßnahmen außer einem Fahrverbot gesehen, die schnellstmöglich eine Verbesserung der Luftqualitätswerte erzielen können. Selbst einfache Infrastrukturverbesserungen für den Fußverkehr und Radverkehr sind nicht innerhalb weniger Monate zu planen, zu finanzieren und baulich herzustellen.

Viele Alternativmaßnahmen brauchen neben Zeit zur Planung, Finanzierung und Umsetzung auch Zeit zum Wirken. Der Mensch muss sich auf die geänderten Rahmenbedingungen erst einstellen und hierbei auch einen (sanften) Druck spüren, sein Verkehrsmittelwahlverhalten anzupassen. Viele Städte versuchen seit Jahrzehnten, ihre Verkehrsprobleme mit Angebotsverbesserungen im ÖPNV zu lösen, ohne hierbei allzu großen Erfolg zu haben. Oftmals fehlen Ambitionen und der politische Mut, auch einschränkende Maßnahmen für den motorisierten Individualverkehr anzuordnen. Oder es fehlte in den letzten Jahren der Wille oder das generelle Problembewusstsein, Maßnahmen zur Einhaltung des seit 2010 geltenden Grenzwerts zu ergreifen und somit geltendes Recht einzuhalten. Ein Defizit, das nun die Gerichte beheben müssen.

Auf Bundesebene wurde währenddessen weiterhin versucht, die Durchsetzbarkeit von Fahrverboten zu erschweren. Statt auf eine vergleichsweise einfach zu kontrollierende “blaue Plakette” zu setzen, wird an der Einführung einer automatisierten Nummernschild-Erfassung in Kombination mit Datenbankabgleichen zur Aufdeckung von möglichen Ordnungswidrigkeits-Verstößen gearbeitet. Bei der Einführung dürfte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das letzte Wort haben. So äußerte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Gesetzesentwurfs zur Einführung von Kennzeichen-Scannern zur Überwachung von Diesel-Fahrverboten im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Am Ende könnte die Verzögerungstaktik von Bundesregierung, Bundespolitik und Automobilindustrie sogar aufgehen. Die Kontrolle von Fahrverboten wird aufgrund von Verfassungswidrigkeit in den kommenden Jahren trotz anderslautender Gerichtsurteile faktisch nicht durchsetzbar sein, die Flottenerneuerung hin zu Euro 6d-TEMP-Fahrzeugen und Fahrzeugen mit alternativen Antrieben langsam voranschreiten und die Grenzwerte erst in einigen Jahren eingehalten werden. Zurück bleibt ein beschädigter Rechtsstaat. Und die Frage nach der Erneuerungs- und Innovationskraft dieses Landes.

Ende des Jahres 2018 war das Vertrauen der Bundesregierung in die Innovationsfähigkeit des deutschen Nutzfahrzeugsbaus und der deutschen Nutzfahrzeughersteller so gering, dass sie den erstmals verbindlichen CO2-Grenzwerten für Nutzfahrzeuge nicht zustimmen wollte. Die EU-Umweltminister einigen sich darauf, den Ausstoß von Kohlendioxid bei neuen Lkw und Bussen bis 2030 um 30 Prozent im Vergleich zu 2019 zu reduzieren. Für 2025 wurde ein Zwischenreduktionsziel von 15 Prozent beschlossen. Werden die verbindlichen Ziele verfehlt, drohen 2025 und 2029 Geldstrafen in Höhe von 4.000 Euro pro Gramm Überschreitung und ab 2030 Strafzahlungen von 6.800 Euro je Gramm. Deutschland enthielt sich als einziges Land.

Ebenfalls haben sich die EU-Kommission, das EU-Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten auf eine CO₂-Reduktion bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen geeinigt. 2030 sollen Pkw 37,5 Prozent weniger CO2 im Vergleich zum Jahr 2021 emittieren dürfen. Für leichte Nutzfahrzeuge wurde eine CO₂-Reduktion um 31 Prozent vereinbart. Als Zwischenziel für das Jahr 2025 wurde für Pkw und leichte Nfz eine Minderung um 15 Prozent beschlossen. Das Minderungsziel wird jedoch nicht mit einem konkreten Zielwert verbunden. Es ist vielmehr eine prozentuale Minderung ausgehend vom 2021-Realwert. Ist der CO₂-Flottenwert 2021 hoch, ist der zu erreichende Zielwert ebenfalls höher. Automobilhersteller könnten daher auf die Idee kommen, 2021 einen möglichst hohen WLTP-Startpunkt anzupeilen und gleichzeitig den 95 g-Zielwert nach NEFZ einzuhalten (geht gut z.B. über Start-Stopp). So verringert man das spezifische Emissionsziel für das Jahr 2030 und spart Geld.

Was 2019 bringen wird:

Fahrverbot in Stuttgart für Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 oder schlechter ab 01.01.2019, für in Stuttgart zugelassene Fahrzeuge ab 01.04.2019

Fahrverbot in Köln für Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 oder schlechter und Benziner mit der Abgasnorm Euro 1 und 2 ab dem 01.04.2019 innerhalb der Umweltzone, ab 01.09.2019 auch Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5. [Berufung anhängig]

Fahrverbot in Bonn ab 01.04.2019 auf der Straße Belderberg für Dieselfahrzeuge mit Euro 4-Motoren und älter sowie Benziner der Klassen Euro 1 bis 3. Auf der Reuterstraße Fahrverbot für Dieselkraftfahrzeuge mit Dieselmotoren mit Euro-5 und schlechter sowie Benziner der Klassen Euro 1 und 2. [Berufung anhängig]

Fahrverbot in Berlin für Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 oder schlechter ab 01.06.2019 auf elf Abschnitten der  folgenden acht Straßen: Alt-Moabit, Brückenstraße, Friedrichstraße, Kapweg, Leipziger Straße, Leonorenstraße, Reinhardtstraße, Stromstraße

Fahrverbot in Darmstadt auf der Hügelstraße und der Heinrichstraße für Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 oder älter und Benziner mit der Abgasnorm Euro 1 und 2 ab 01.06.2019

Fahrverbot in Gelsenkirchen auf der Kurt-Schumacher-Straße für Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 oder älter und Benziner mit der Abgasnorm Euro 1 und 2 ab 01.07.2019. [Berufung anhängig]

Fahrverbot in Essen für Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 oder schlechter und Benziner mit der Abgasnorm Euro 1 und 2 ab dem 01.07.2019 in 18 der 50 Stadtteile sowie der A40, ab 01.09.2019 auch Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5. [Berufung anhängig]

Konkrete Fahrverbote sind ebenfalls für Mainz, München, Wiesbaden, Frankfurt und Aachen angeordnet bzw. absehbar. Aufgrund fehlender Rechtskräftigkeit der Urteile stehen jedoch noch keine konkreten Daten fest. In München sind die Urteile rechtskräftig, werden jedoch von der bayerischen Staatsregierung bewusst ignoriert. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat daher den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Entscheidung bezüglich möglicher Zwangshaft für Amtsträger in Bayern gebeten. Darüber hinaus ist die Luftqualität noch in Düren, Hannover und weiteren deutschen Städten sicherzustellen.

Die im Jahr 2018 meistgelesenen Artikel zu den Themen des Verkehrs Emissionen, Klimaschutz und Luftreinhaltung:

Platz 1 – Luftreinhaltung: 45 Maßnahmen für bessere Luft in den Städten und weniger Emissionen im Verkehr

Platz 2 – Umwälzzone oder Umweltzone: Sinn und Unsinn der Feinstaubmessung

Platz 3 – [Energieeffizienz im Verkehr] Benötigen wir eine Suffizienzstrategie für den Verkehrssektor?

Platz 4 – Wie Dresden versucht, die Notwendigkeit einer Umweltzone zu verhindern 

Platz 5 – [Fakt der Woche] Die externen Kosten des Verkehrs nach Verkehrsträger in den EU28 im Jahr 2016

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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mabr
mabr
1. März 2019 14:56

hallo wir haben ein schulprojekt einen vortrag zu halten über Mobilität: Luft und Strassen. jetzt meine frage. kann es jemand für uns machen? vielen danke

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