Straßenverkehr Studien USA

[Fakt der Woche] INRIX Scorecard 2011 – Wie viel Stau gab es 2011 in den USA, welche Städte waren betroffen und wieso?

INRIX, einer der führenden Anbieter von Verkehrsinformationen, hat vor einigen Tagen seine jährliche INRIX Scorecard zum Stauvolumen in den USA veröffentlicht. Demnach ist das Stauvolumen im Jahr 2011 um etwa dreißig Prozent im Vergleich zum Jahr 2010 zurückgegangen.

Stau in Chicago, USA
Stau in Chicago, Foto: Steven Vance @ FlickrCC BY-NC-SA 2.0

INRIX analysiert alle Staus auf Highways in und um die einhundert größten Städte der USA. Dafür greift die Scorecard auf das Smart Driver Network von INRIX zurück, ein Netzwerk aus über vier Millionen Fahrzeugen, die Verkehrsdaten sammeln. Jedes mit GPS ausgestattete Fahrzeug und Endgerät in diesem Netzwerk übermittelt einen Report an INRIX. Dieser umfasst aktuelle Geschwindigkeit, Standort und Fahrtrichtung. Auf Basis des Verkehrsnetzwerks erstellt INRIX die umfassende und aktuelle Analyse über die größten Ballungsräume sowie die größten Autobahnen und Landstraßen. Hinzu kommt ein Referenzwert, der aus historischen Daten abgeleitet wird. Die real gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeiten werden mit Geschwindigkeiten bei freier Fahrt verglichen.

Aus den gesammelten Daten wird der INRIX Index entwickelt. Der INRIX Index ist ein Barometer für die Stauintensität. Eine freie Strecke hat einen Indexwert von 0. Jeder zusätzliche Indexpunkt steht für den prozentualen Zeitmehraufwand, den ein Fahrer bei einer verstauten Strecke aufwenden muss. Ein Indexwert von 30 bedeutet bei einer Strecke, die normalerweise in 20 Minuten zurückgelegt wird, eine reale Fahrzeit von 26 Minuten (6 Minuten bei einer Fahrzeit von 20 Minuten ~ 30 Prozent).

Das gesamte Vorgehen lässt sich hier nachlesen.

Indexwert 2011

Im Jahr 2011 wurde ein Index von 7,1 gemessen. Dies bedeutet, dass Autofahrer etwa sieben Prozent mehr Zeit für ihre Fahrt aufgewendet haben, als bei freier Strecke nötig gewesen wäre. 2010 lag der Indexwert noch bei 9,7 und damit um etwa 30 Prozent höher. Der absolute Spitzenwert wurde mit einem Indexwert von 13,3 im Jahr 2007 gemessen. Zu beachten ist jedoch, dass für die diesjährige Ausweisung des Stauaufkommens erstmals die individuellen Reisezeiten gemessen wurden, anstatt wie in den Vorjahren das Gesamtstauaufkommen als Grundlage heranzuziehen. Aufgrund dieser Umstellung katapultierte sich beispielsweise Honululu vom 37. (2010) auf den ersten Platz und ist damit laut INRIX Scorecard die verstauteste Stadt der USA.

Insgesamt ist das Stauvolumen in 70 der 100 untersuchten Städte zurückgegangen. INRIX führt dies vorrangig auf die schlechte wirtschaftliche Entwicklung und die hohen Kraftstoffpreise in den USA zurück. Der Durchschnittspreis für eine Gallone Kraftstoff lag 2010 bei 2,78 Dollar. Im Jahr 2011 lag der Durchschnittspreis um 26 Prozent (0,74 $) höher bei 3,52 Dollar je Gallone. Siehe auch “Steigende Benzinpreise beeinflussen die Fahrleistung – zumindest in den USA” und “Das Jammern über die hohen Spritpreise in den USA“.

Städte mit Kraftstoffpreisen, die 2011 konstant oder kleiner als der nationale Durchschnitt von 3,52 $ pro Gallone waren und zudem moderate Beschäftigungszuwäche verzeichneten, erlebten den größten Verkehrszuwachs. Beispiele sind Atlanta (20 Cent weniger für Kraftstoff, 1,2% mehr Beschäftigung), Austin (10 Cent weniger, 2,1%) und Miami (konstant, 1,2%).

Stau in Honolulu, Hawaii zur Hauptverkehrszeit
Stau in Honolulu zur Hauptverkehrszeit, Foto: kanuck @ Flickr – CC BY-NC-SA 2.0

Ebenfalls korrelierten Stauaufkommen und Kraftstoffpreise in jenen Städten, die Kraftstoffpreise über dem nationalen Durchschnitt aufwiesen. In diesen Städten ging das Stauvolumen am stärksten zurück. Zu nennen sind hier mit dem jeweiligen Höchstpreis je Gallone Los Angeles (4,25$), Seattle (4,03$), San Francisco (4,25$) und Honolulu (4,48$). In San Francisco und Los Angeles stieg die Beschäftigtenzahlen im gleichen Zeitraum um 2,2 Prozent. Und dennoch reduzierte sich das Stauaufkommen in diesen beiden Städten sehr stark im Vergleich zum Vorjahr. Dies impliziert, dass steigende Kraftstoffpreise das Stauaufkommen beeinflussen können.

Durch steigende Arbeitslosenzahlen und eine geringere Beschäftigungsquote sinkt die Fahrleistung der Bevölkerung (2011 im Vergleich zu 2010 -1%) und damit das Verkehrsaufkommen. In Städten mit Beschäftigungswachstum wie Atlanta (1,6%), Houston (3,2%) oder Miami (2,3%) konnte hingegen eine weitere Zunahme des Stauvolumens gemessen werden.

INRIX fürchtet, dass bei einer Erholung der Wirtschaft jeden Tag 10 Millionen zusätzliche Fahrten vom Straßennetz absorbiert werden müssten. Einhergehend wird auch mit einem größeren Stauaufkommen gerechnet.

Verstärkt wurde der der Rückgang 2011 durch weniger Bauaktivitäten im Interstate Highway-System. Die meisten Baumaßnahmen, die aus den Konjunkturprogrammen der US-Regierung finanziert wurden, sind mittlerweile abgeschlossen. Bundesstaaten und Kommunen stehen keine Finanzmittel für größere Infrastrukturinvestitionen zur Verfügung, in Washington streiten sich Republikaner und Demokraten über Investitionen und die dazugehörige Finanzierung. Bis zum Erlass des neuen US-Verkehrsfinanzierungsgesetz dürfte die Unsicherheit anhalten.

Die 10 US-Städte mit den größten Stauproblemen (mit Zeitverlusten):

PlatzStadt Zeitverlust
1.Honolulu58 Stunden
2.Los Angeles56 Stunden
3.San Francisco48 Stunden
4.New York57 Stunden
5.Bridgeport, Connecticut42 Stunden
6.Washington, D.C.45 Stunden
7.Seattle33 Stunden
8.Austin30 Stunden
9.Boston35 Stunden
10.Chicago36 Stunden

Die INRIX Scorecard ist in meinen Augen sehr aussagekräftig, da nicht interessengetrieben. Oftmals plädieren Analysen zum Stauvolumen für den Aus- und Neubau von Straßen und insbesondere Autobahnen. In ihrem Bericht halten die INRIX-Analysten sogar explizit fest, dass nur ein Prozent des innerstädtischen Highway-Netzes von wiederkehrenden Staus betroffen ist. Auch im Rekordjahr 2007, in dem die höchsten Stauwerte gemessen wurden, lag diesr Wert stets unter ein Prozent des Straßennetzes. Die meisten Staus entstehen durch Unfälle, schlechtes Wetter, Baumaßnahmen und andere eher seltene Ereignisse.

Whatever the solutions may be – extra capacity, active traffic management, toll express lanes, transit alternatives, or creative ideas not yet thought of that shift just enough traffic from peak days/times/locations to break the gridlock – we will not unclog America’s key roads by adding line miles in the exurbs.

– INRIX Scorecard

Was auch immer mögliche Lösungen sein mögen – zusätzliche Kapazität, aktives Verkehrsmanagement, gegen Gebühr nutzbare Schnellfahrspuren, stärkere Wahlmöglichkeiten oder andere krative Ideen, an die wir derzeit noch gar nicht denken, um Verkehr von nachfragestarken Tagen / Zeiten / Strecken auf andere zu verlagern – ein reiner Ausbau von Straßen und das Hinzufügen weiterer Fahrspuren wird das Problem nicht lösen können.

Anonymous

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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PUNKT Preisträger 2012

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

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Verfasst von:

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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